Ehre ist ein ganz besonderer Saft

Zündstoff Die große Koalition plant ein Mahnmal für getötete Bundeswehrsoldaten

Im Verteidigungsausschuss steht die eiserne Front der Großkoalitionäre schon: CDU wie SPD wollen ein "Ehrenmal" für deutsche Soldaten, die bei Auslandseinsätzen getötet wurden. Man könnte dort die Namen der Gefallenen einmeißeln wie beim Vietnam-Memorial in Washington oder bei den obligatorischen Kriegerdenkmälern französischer Städte und Dörfer. Aber die vorgesehene Gedenkstätte soll nicht nur den 69 seit 1994 in Auslandseinsätzen umgekommenen Soldaten, sondern auch künftigen Opfern gewidmet sein. Wie viel Platz soll man da reservieren?

Kultiviert wird überdies die Idee, einen Spruch auf das Ehrenmal zu setzen, der vergangenen, gegenwärtigen und künftigen (!) Auslandseinsätzen einen Sinn einhauchen soll: Der dafür bis ins 20. Jahrhundert beliebte Horaz-Vers - "Beglückend und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben" - kommt wohl ebenso wenig in Frage wie Ciceros Satz: "Der Boden des Vaterlandes ist allen teuer". Die Soldaten fielen ja gerade nicht bei der im Grundgesetz vorgesehenen Verteidigung des Landes, sondern bei tendenziell verfassungswidrigen Auslandseinsätzen unter der dumpf-dreisten Parole, "die Verteidigung unserer Freiheit beginnt am Hindukusch" (Struck). Die vorgeschlagene Formel - "Für Frieden, Freiheit und Demokratie" - hat wenig Esprit und gibt keine Auskunft auf die Frage, warum und wozu der Staat Soldaten in tödliche Auslandseinsätze schickt.

Schon die Bezeichnung "Ehrenmal" wirft Probleme auf. Vielleicht sollte man die Witwen, Kinder, Geschwister und Eltern der 69 getöteten Soldaten fragen, was sie davon halten. Ehre ist ein besonderer Stoff wie Blut ein besonderer Saft. Historiker gehen davon aus, dass archaische Gesellschaften durch den Doppelkomponentenkleber aus Ehre und Blut zusammengehalten wurden. Aus der brisanten Mischung erklären sie sich auch das hohe Gewaltniveau solcher Gesellschaften, in denen der Vater den Sohn töten "musste", um irgendeine "Ehre" zu retten.

Selbst ein Wissenschaftler vom Format Max Webers verfiel dem nationalen Flaggen- und Ehrenzauber, als er 1916 von der "Ehre unseres Volkstums" sprach und ernsthaft behauptete: "Um Ehre, nicht um Änderungen der Landkarte und des Wirtschaftsprofits" gehe es im "deutschen Krieg". Auf seine "Ehre" und sein "Ehrenwort" berief sich Helmut Kohl, um Gesetzesverstöße beim Spendensammeln zu rechtfertigen. Legitime Nachforschungen versperrte er mit der verbalen Barrikade vom "Ehrenwort" gegenüber den Geldgebern den Weg. In Ehrensachen wird alles grau, schon Giuseppe Verdis Sir John Falstaff gab den ultimativen Bescheid: "Die Ehre ist kein Wundarzt. Also was? Ein Wort. Was steckt in diesem Wort? Ein Lufthauch, der verweht. Ein schöner Humbug."

Ein "Ehrenmal" ist keine einfache Sache. Wie stünden die Verantwortlichen da, sollte die historische Forschung nach Öffnung der Archive dereinst belegen, dass die Militäreinsätze nicht der Verbreitung von "Frieden, Freiheit und Demokratie" dienten, sondern von handfesten Interessen oder bündnispolitischen Opportunitätserwägungen in der Preislage von "westlichen Werten" diktiert waren?

Wenn es den von Kant erhofften moralischen Fortschritt gibt, dann in dem Sinne, dass sich der Bürger nicht mehr so leicht zum Sterben verschicken lässt. Der versteinerte patriotische Schwachsinn älterer Kriegerdenkmäler ("Gefallen für das Vaterland") hat ausgedient. Mit der nachträglichen Sinnstiftung für eine verfehlte Außenpolitik und riskante Militäreinsätze grast Verteidigungsminister Jung auf einem verminten Feld. Auch seine verwegene Absicht, das geplante "Ehrenmal" möglichst nahe an die Gedenkstätte für Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 zu rücken, wird noch für Zündstoff sorgen.


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