Heißer Tanz um das Bankgeheimnis

Steueroase Die Schweizer Großbank UBS liegt mit der US-Steuerbehörde IRS in einem heftigen Streit über Kundendaten. Am 13. Juli wird in Florida Richter Alan Gold entscheiden

Sie haben amerikanischen Bürgern Auslandsanlagen vermittelt, die gelinde gesagt nicht Steuern „sparend“, sondern tatsächlich Steuern „vermeidend“ seien, wirft die US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS), vorrangig einer Schweizer Bank vor, der UBS (Union des Banques Suisses). Anfang des Jahres setzte der IRS dem Institut das Messer auf die Brust und drohte, sämtliche UBS-Niederlassungen zu schließen, sollten die Daten von 250 des Steuerbetrugs verdächtiger Kunden nicht herausgegeben werden. An Schweizer Gerichten vorbei und mit Rückendeckung der Berner Regierung lieferte die UBS im Februar 2009 die 250 Kundendaten und zahlte obendrein eine Buße von rund 500.000 Euro. Man nahm es als stillschweigendes Eingeständnis, eindeutig gegen US-Recht verstoßen zu haben.

Finanzplatz retten

Freilich hat die UBS – sie ist weltweit der größte Vermögensverwalter – etwa 52.000 Kunden in den Vereinigten Staaten. Die Steuerbehörde klagte mit einem Sammelantrag („John-Doe-summon“) auf Herausgabe aller Daten. Am 13. Juli nun soll der zuständige Richter Alan Gold im Staat Florida darüber entscheiden. Zuvor aber fuhren die US-Behörden, die UBS und die Berner Regierung schweres Geschütz auf.
Erstere sehen den Deal vom Februar als Präzedenzfall und erhöhten den Druck auf die Schweizer Bank mit der Nebenabsicht, amerikanische UBS-Kunden mit Steuerproblemen zur Selbstanzeige zu bringen. Die UBS ihrerseits glaubte, die Steuerbehörden ruhig stellen zu können, indem sie wie andere Schweizer Banken amerikanischen Kunden die Konten kündigte. Das klappte nicht. Die US-Behörde verschärfte ihre Gangart und zog die Klage auf Datenherausgabe nicht zurück.

Ein paar Tage vor der Gerichtsentscheidung in Florida entschloss sich die Berner Regierung zu spektakulären Schritten. Zunächst stellte sie sich hinter die UBS und teilte deren Rechtsauffassung: keine Akte soll herausgegeben werden, vielmehr sei jeder Fall einzeln nach den in Doppelbesteuerungs- und Rechtshilfeabkommen festgelegten Verfahren zu behandeln. Begründet wird das damit, dass eine Übergabe aller Daten ohne Einzelfallprüfung gegen schweizerisches Recht verstoße. Eindeutig ein Vorwand, um erstens das Bankgeheimnis und zweitens die Interessen des „Finanzplatzes Schweiz“ zu wahren. Beide hängen eng zusammen: den „Finanzplatz“ gibt es wegen des Bankgeheimnisses, und das Bankgeheimnis ist nur eine vornehme Umschreibung für Steuerbetrug. Es gibt Recht und „Recht“.

Am 4. Juli 2009 ging die Regierung in Bern noch einen Schritt weiter. Sie erklärte sich dazu bereit, die UBS mit einem „Staatsakt“ – also einer Aktenbeschlagnahme – daran zu hindern, dass die Akten herausgegeben werden. Schweizerisches „Recht“, so das Argument der Regierung, verbiete es der UBS, einem amerikanischen Gerichtsentscheid auf Herausgabe der Kundendaten zu folgen. Niemand dürfe eine Schweizer Bank zwingen, Schweizer Recht zu brechen. Die Berner Regierung ließ verlauten, man habe alle notwendigen Vorkehrungen getroffen, um eigenes Recht vor anderen Staaten zu schützen.

Fast eine Kriegserklärung

Die Rechtsfigur des „Staatsakts“ dient im Völkerrecht dazu, inländische Staatsakte der Überprüfung durch ausländische Staatsakte zu entziehen, weil dadurch angeblich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten gefährdet würden. Die Schweizer Regierung macht also den Streit zwischen der US-Steuerbehörde und den partikularen Interessen einer privaten Bank zu einer Staatsaffäre, die die Souveränität ihres Staates und die Beziehungen zwischen zwei Staaten – letztlich den Frieden – bedrohe. Die Neue Zürcher Zeitung lobt Bern für diese „kontrollierte Eskalation“, die man früher als Vorstufe zu einer Kriegserklärung gesehen hätte.

Die Regierung der Schweiz geht also frontal auf Kollisionskurs mit der in Washington. Aber diese David-Goliath-Inszenierung dient nur der Beruhigung des eigenen Publikums, dessen Nerven strapaziert wurden durch die beherzten Attacken des deutschen Kavallerieobersten Steinbrück auf die Steueroase der „Indianer“ . Gleichzeitig mit der „Staatsakt“-Kriegserklärung an die USA deutete ein Berner Minister das Interesse an einem Vergleich an: Demnach sollte die UBS die Steuersünder mit einer Geldzahlung gleichsam heraus kaufen und damit zugleich das schweizerische Bankgeheimnis und den „Finanzplatz“ retten. Die UBS erklärte postwendend, sie stehe nicht ein für nicht-bezahlte Steuerschulden ihrer Kunden. Da die Schweizer Steuerzahler bereits mit sechs Milliarden Franken an der UBS beteiligt sind, ist es ziemlich egal, ob die US-Steuerbehörde mit Geld von der UBS oder direkt aus der Staatskasse befriedigt wird. Die Steuerzahler sind auf jeden Fall dabei, wenn die Zeche bezahlt wird für private Misswirtschaft. Wie überall.

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