Kreuzzug

Linksbündig Worüber Papst Benedikt in Frankreich "meditierte"

Auf den Tag genau zwei Jahre nach seiner Rede in Regensburg, die 2006 viel Wirbel machte (Freitag 39/2006), redete Benedikt XVI. am 12. September 2008 im Pariser "Collège des Bernhardins". Wir müssen darauf noch einmal zurückkommen. Die Vorliebe des Pontifex für das Datum ist nämlich kein Zufall. Am 12.September 1683 schlug das österreichische Heer am Kahlenberg türkische Truppen zurück, die Wien belagerten. Rom vergisst nichts.

In der Regensburger Rede von 2006 zitierte der Papst einen byzantinischen Kaiser, mit dem Satz, der Prophet Mohammed habe an "Neuem nur Schlechtes und Inhumanes" in die Welt gebracht. Der eigentliche Skandal war jedoch nicht dieses Zitat, sondern die arrogante These des Papstes, nur das Christentum bürge für eine Einheit von Glauben und Vernunft. Nicht-Christen wären demnach genuin vernunftlose Fanatiker.

So grobes Geschütz fuhr der Papst jetzt in Paris 2008 nicht mehr auf. In der Sache blieb Benedikt XVI. aber stahlhart. Auch heute will er hinter die Unterscheidung von Glauben und Wissen zurück, wie sie die keineswegs atheis­tische Aufklärungsphilosophie und besonders Kant begründet haben. Der Papst beansprucht für das Christentum einen Sonderstatus oberhalb der Buchreligionen. Denn nur das Christentum "vernimmt in den Wörtern das Wort, den Logos selbst, das Wort Gottes". Und im Unterschied zu anderen Religionen bleibe das Christentum nicht bei "der reinen Wörtlichkeit des Textes" stehen, sondern überbiete diesen in einem "Prozess des Verstehens, des Redens mit Gott und des Singens von Gott mit den von ihm selbst geschenkten Worten. Die höhere Bindung als die des Buchstabens" bewahre, so Ratzinger, Christen vor "subjektiver Willkür und fundamentalistischem Fanatismus."

Was der Papst in Regensburg wie in Paris predigte, beruht auf einem vorkantischen Vernunftbegriff. Er unterstellt dem Islam pauschal einen Glaubensfundamentalismus und ist selbst noch in einem Vernunftfundamentalismus befangen. In Paris ist er nur vorsichtiger geworden. Er zitierte nur noch aus der Bibel, aus der Benediktiner-Regel und aus einem Buch Jean Leclercqs (1911-1993) über Die Liebe zum Wort und das Verlangen nach Gott. Und weil Ratzinger im Kollegium der Bernhardinermönche sprach, bezog er sich nur einmal auf den Hausheiligen Bernhard von Clairvaux (1090 - 1153) - als Musikliebhaber. Dabei war dieser der widerlichste unter den Kreuzzugspredigern. Keiner rührte die Trommel für die Heidenbekehrung und den Kreuzzug von 1147 lauter als von Clairvaux. Sein Motto: "Taufe oder Tod".

Warum kam der Papst auf diesen kriegsbereiten Fundamentalisten zu sprechen? Aufmerksamen Zuhörern erwies sich das in seiner Rede am Wallfahrtsort Lourdes. Hier hatte 1858 die Müllerstochter Bernadette ihre Visionen. "Seid bereit, Euch von Ihm ergreifen zu lassen", war der Titel der "Meditation" des Papstes in Lourdes. Er beschwor die Gläubigen, "sich Ihm zur Verfügung zu stellen" - so, wie "die selige Jungfrau Maria ihren Leib zur Verfügung" stellte, "um den Leib des Schöpfers aufzunehmen." Erst im zweitletzten Satz kam Benedikt zum Kern zurück: "Bewohner dieser Täler, Brüder im Bischofsamt, Priester, Diakone, Ordensleute, Ihr alle (...) geht und verkündet der ganzen Welt die Wundertaten Gottes, der in jedem Augenblick unseres Lebens zugegen ist, an jedem Ort der Erde."

Mit seinen Reden in Paris und Lourdes kochte Benedikt den bluttriefenden Kreuzzugsgeist Bernhards von Clairvaux zum missionarischen Projekt ein, "Wundertaten" zu verkünden. Mit dieser aus realpolitischer Not gebotenen Operation redete sich der Papst vielleicht in die Herzen der Gläubigen, aber gleichzeitig verabschiedete sich der Intellektuelle Ratzinger - Vernunft usurpierend - in den ordinären Glaubensfanatismus, über dem er sich eben noch erhaben fühlte.

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