Machenschaften obskurer Mächte

Frankreich Präsident Nicolas Sarkozy hat den Inlandsgeheimdienst eingesetzt, um undichte Stellen ausfindig zu machen, durch die Informationen über den Zustand seiner Ehe sickern

Unter den Franzosen kursiert eine Quiz-Frage: Was ist los, wenn ein Polizeiauto mit Martinshorn und Blaulicht durch den Faubourg St.Honoré jagt? Antwort: Ein Autounfall auf der Place de la Concorde. Nachfrage: Und was ist los, wenn Dutzende von Polizeiautos mit Martinshorn und Blaulicht gleichzeitig unterwegs sind? Antwort: Nicolas Sarkozy lässt seine Frau Carla Bruni suchen. Wie üblich wird die Satire auch in diesem Fall von den Realitäten übertroffen.

Als sich die Gerüchte über allerlei Eskapaden der Sängerin und First Lady in Paris von der Blogger-Sphäre bis auf das Niveau der Klatschspalten in der Boulevardpresse vorgearbeitet hatten, schickte Sarkozy weder die Garde Républicaine zu Pferd noch die Polizei mit Blaulicht ins Gefecht, sondern griff zu einem seiner fünf Mobiltelefone. Er wählte die Nummer von Frédéric Péchenard, den er seit gemeinsam im Sandkasten des Kindergartens verbrachten Zeiten kennt. Ein Mann für alle Fälle und Gröberes sowieso. Praktischer Weise hat es Frédéric dank seines zum Präsidenten avancierten Freundes mittlerweile zum Generaldirektor der Police Nationale geschafft. Von dort aus dirigiert er nicht nur Pferdestaffeln, sondern pflegt den Kontakt zu den inneren Organen des staatlichen Betriebs.

Freund Frédéric beruhigte den aufgeregten, in einigen Ehen erprobten Sarkozy, versprach Abhilfe und rief Bernard Squarcini an, den Direktor des Inlandsgeheimdienstes, der in Frankreich Direction Centrale du Renseignement Intérieur heißt und das „Innere“ in jeder möglichen Form vom Politischen über das Terroristische bis zum Privaten zu seinem Aufgabenfeld zählt. Schon François Mitterrands Staatsgeheimnis – die außereheliche Tochter Mazarine – wurde geheimdienstlich betreut.

Bodenlose Schlichtheit

So setzte Squarcini Anfang März seine besten Leute in Marsch, um die undichte Stelle zu suchen, durch die Gerüchte über das präsidiale Eheklima an die Öffentlichkeit gerieten. Das Ergebnis der Recherche wartete der hypernervöse Ehemann gar nicht ab, sondern bestrafte schon mal die extravaganteste seiner Ex-Ministerinnen – Rachida Dati. Sarkozy entzog ihr über Nacht Dienstwagen und Chauffeur. Sie wehrte sich öffentlich gegen den Verdacht, über die Zustände im Hause Sarkozy-Bruni geplaudert zu haben. Der Skandal war da und wurde zum medialen Supergau, als gutmeinende Helfer dem in Bedrängnis geratenen Staatschef beispringen wollten. Zuerst äußerte sich Ehefrau Carla im Privatsender des Sarkozy-Freundes Lagardère in bodenloser Schlichtheit: „Ich bin gekommen, um eine Affäre zu relativieren, die ohne Bedeutung ist. Diese Gerüchte sind für mich und meinen Mann völlig belanglos“. Wenn dem so wäre, warum der pompöse Auftritt?

Zum Bumerang wurde die Äußerung von Pierre Charon, Sarkozys Medienberater, man habe es mit einem casus belli (Kriegsfall) sowie den „Machenschaften obskurer Mächte“ zu tun. Charon sorgte dafür, dass es Berichte über die Zustände im Hause Sarkozy auf die Titelseiten der seriösen Presse schafften, die das Thema bislang dem Boulevard und Bloggern überlassen hatte. Fazit: Der sich selbst und seine Politik medial verwertende Hyperpräsident schoss eine Serie von Eigentoren. Die mediale Dauerinszenierung von Politik schlug sich mit ihren eigenen Mitteln und Methoden. Medialer Selbstmord. Nicht strafbar.

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