Phantom „Staatengemeinschaft“

Elfenbeinküste In dem westafrikanischen Staat ist ein Bürgerkrieg nicht mehr einzudämmen, der durch ethnische Konflikte zusätzlich angefacht wird – eine lange absehbare Eskalation

Zu den gewohnten Polit-Phrasen der Diplomatie gehört die von der „Staatengemeinschaft“. Was dieser „Gemeinschaft“ wirklich gemein sein soll, bleibt allerdings nebulös. Denn Staaten folgen Sonderinteressen, Vorteilen und Lagebeurteilungen. Man muss kein Freund von Militärinterventionen sein, um zu sehen, dass die „Staatengemeinschaft“ durchaus einäugig ist bei der Wahrnehmung dessen, was sie angeblich angeht. In Libyen raufte sich die NATO schnell zu einem Luftkrieg zusammen, während der Sudan so weit weg ist wie früher einmal die Türkei. Das gilt auch für die Elfenbeinküste.

Dort wurde im November 2010 gewählt, aber der Wahl­verlierer Laurent Gbagbo akzeptierte das Ergebnis nicht. Er setzte auf die Armee als dem ultimativen Wahl- wie Amts­helfer und folgte darin seinem Lehrmeister Félix Houphouet-Boigny, der das Land seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bis zu seinem Tod 1993 regierte. Diesem Dinosaurier gelang es, in der Elfenbeinküste 60 Ethnien zusammenzuhalten, weil das Land eine Periode langer Prosperität erlebte. Die knapp 20 Millionen Einwohner bezogen zur Jahrtausendwende ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 880 Dollar im Jahr – deutlich mehr als die Nachbarn Liberia (130) oder Ghana (500). 2002 indes endete der wirtschaftliche Aufstieg – die Elfenbeinküste verarmte. Im Norden meuterte die Armee, seither herrscht im Grunde genommen Bürgerkrieg zwischen den Rebellen und Gbagbo-treuen Truppen in Süden. Alassane Ouattara, der Sieger bei den Wahlen im November, suchte im Unterschied zu Gbagbo zunächst keine militärische Lösung. Ihn stützten dabei die UN-Truppen ebenso wie rund 1.000 französische Soldaten. Allerdings blieb die Unterstützung Ouattaras begrenzt, denn das Phantom „Staaten­gemeinschaft“ brachte es nur bis zur Aufforderung des UN- Sicherheitsrates an Gbagbo – er solle demissionieren. Daran ändern auch die inzwischen stattfindenden Operationen der Franzosen wie des UN-Korps gegen Gbagbos Rumpfarmee nichts. Sie dienen bestenfalls der Gesichtswahrung.

Schon Anfang März erklärte Ouattara die Rebellen, die sich Forces Républicaines de Côte d’Ivoire (FRCI) nennen, zu Regierungstruppen und schickte sie Richtung Süden. Eine Verzweiflungstat des Ex-Diplomaten aus dem Kader des Internationalen Währungsfonds (IWF), sein Schicksal mit der ominösen Rebellenformation zu verschränken. Aber mangelnder Beistand der „Staatengemeinschaft“ ließ dem Wahlsieger keine andere Option, als in einen Bürgerkrieg zu ziehen, der nun kaum mehr einzudämmen ist.

Die zur Regierungstruppe geadelte Guerilla wirkte als Fanal und hinterließ bei ihrem Vormarsch eine Blutspur. Allein in der Stadt Duékoué ermordete sie nach Angaben der Vereinten Nationen 330 Angehörige des Stammes der Guéré aus dem Volk der Krou, das wiederum freundschaftlich verbunden ist mit dem Volk der Bélé, zu dem Laurent Gbagbo gehört. Nach einer Meldung des Roten Kreuzes gab es Massaker mit 800, nach Angaben der Caritas mit mehr als 1.000 Toten. Aus europäischer Sicht folgt der Konflikt einem bekannten Muster. Verarmung und ökonomischer Niedergang motivieren Bürgerkriegsparteien, die rassistisch-ethnische Karte zu spielen, um sich zu behaupten.


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