Sarkozy hier, Sarkozy dort, Sarkozy überall

Frankreich Der Präsident regiert nicht wie gewohnt, sondern macht immer und überall Tempo

In der Presse heißt er inzwischen "Omnipräsident" oder "Hyperpräsident". Anfang August verabschiedete er sich, um einen Urlaub in die USA anzutreten - noch am gleichen Abend brachten die Nachrichtensendungen Bilder von der Villa in Wolfeboro (New Hampshire), in die sich Nicolas Sarkozy für 20.000 Euro pro Woche eingemietet hat. Wer ihm diesen Urlaub finanziert, ist noch nicht bekannt (den letzten auf der Luxusjacht bezahlte der Industrielle Vincent Bolloré).

Sarkozy ließ vorsorglich erklären, er sei mit einer Linienmaschine in jenen Teil der USA geflogen, in dem es viele Schwerreiche gäbe, aber kaum Schwarze und Latinos. Journalisten wiederum hörten von ihm, er sei gekommen, um "das echte Amerika zu entdecken, die Wälder, die Seen, die Stille." So richtig glücklich wurde er beim Fischen und Joggen in dieser Idylle freilich nicht, denn Paparazzi entdeckten ihn auf einem Boot in Badehose und in Begleitung seiner ebenso attraktiven wie jungen Justizministerin Rachida Dati. Die Bilder eines wütend protestierenden Präsidenten gingen durch die Presse, und die Spekulationen schossen ins Kraut.

Am 10. August eilte der Hyperpräsident zurück nach Frankreich, um an der Beerdigung von Kardinal Jean-Marie Lustiger in der Kathedrale von Notre-Dame in Paris teilzunehmen. Lange blieb er nicht, denn für den nächsten Tag bereits war er bei der Familie Bush zum Mittagessen in Kennebunkport (Maine) geladen. Dafür dass es nicht zu still wird um ihn herum, sorgt der Omnipräsident unablässig und mit großer Energie - die konservative amerikanische Presse ist begeistert von diesem Tempo beim Regieren und nennt ihn "Sarkonapoleon".

Wie sich seit der Amtsübernahme im Elysée-Palast gezeigt hat, ist Nicolas Sarkozy auch sein eigener Ministerpräsident und François Fillon nur ein Double für zweitrangige Sachen. Dasselbe gilt für Außenminister Bernard Kouchner. Außenpolitik ist Chefsache, bei der Sarkozy sein Gewicht und seine Bedeutung nicht durch den Außenminister, sondern durch seine Ehefrau verdoppeln lässt. Für das Fernsehpublikum reiste Cécilia Sarkozy nach Libyen, nahm die bulgarischen Krankenschwestern und den palästinensischen Arzt an Bord und flog mit ihnen nach Sofia. Zwei Tage später reiste Sarkozy selbst nach Tripolis und machte den Atomkraftwerks- und Waffendeal mit Muammar al Ghaddafi perfekt.

Als Bernard Kouchner am 31. Juli vom außenpolitischen Ausschuss der Nationalversammlung darüber befragt wurde, wusste er nur ungefähr Bescheid über das umfangreiche und komplizierte Geschäft, das in den 18 Monaten zuvor mit Libyen ausgehandelt wurde. Der Chef hatte den Neuling am Quai d´Orsay nicht vollständig informiert und schon gar nicht vorher konsultiert. Kouchners vage Aussagen wurden tags darauf vom Sprecher des Präsidenten und vom redseligen Ghaddafi-Sohn korrigiert und kommentiert. Über den genauen Inhalt des Abkommens mit Libyen wissen bis heute weder die Abgeordneten noch das französische Publikum wirklich Bescheid. Die Sozialisten in der Nationalversammlung verlangen jetzt, dass durch einen Untersuchungsausschuss geklärt wird, wer welche Gegenleistungen zugesagt hat für die Freilassung der Krankenschwestern und des Arztes - und was dafür bezahlt wurde.

Bevor sich der Omnipräsident in den Urlaub verabschiedete, flog er noch im ganzen Land herum und verkündete dem Wahlvolk, welche Baustellen er nach der Sommerpause zu eröffnen gedenke. Außer der Rente will Sarkozy auch das Streikrecht "reformieren", zum Beispiel sollen künftig die öffentlichen Verkehrsbetriebe dazu verpflichtet sein, die Streikwilligen 48 Stunden vor dem Streik zu registrieren, während des Streiks einen Minimal- sowie Notdienst aufrechtzuerhalten und die Streikenden spätestens zehn Tage nach Streikbeginn über das Streikende oder dessen Fortsetzung abstimmen zu lassen. Alle Gewerkschaften haben sich vehement gegen die Meldepflicht ausgesprochen - den Senat rührte das wenig, er verabschiedete die Gesetzesvorlage bereits. Um so mehr dürfen sich der Omnipräsident und seine mitregierenden Minister auf einen heißen Herbst freuen, falls auch die Nationalversammlung dieser Knebelung der Gewerkschaften zustimmen sollte.

"Reformen" drohen auch den Universitäten. Sie sollen mehr Autonomie bekommen, das heißt, über die Entlohnung der Lehrenden und die Aufnahmeregelungen für Studierende selbst bestimmen. Außerdem sollen die Universitätspräsidenten in ihren Befugnissen gestärkt werden. Die Studentenverbände haben eine harte Konfrontation angekündigt, falls es bei diesen Vorschlägen bleibt.

Auch mit einem anderen Vorhaben legt Sarkozy die Lunte ans Pulverfass. Wegen rückläufiger Schülerzahlen soll in Zukunft für zwei Lehrer, die in Rente gehen, nur einer neu eingestellt werden - ein Abbau von etwa 10.000 Stellen pro Jahr ist damit in Sicht. Der Finanzminister wollte sogar 17.000 Stellen einsparen, wurde jedoch zurückgepfiffen. Die Lehrergewerkschaften gehören in Frankreich zu den militantesten, an denen sich schon mancher Minister die Zähne ausgebissen hat. Den Vorschlag, die Pflichtstundenzahl für Lehrer zu erhöhen, zog denn auch Erziehungsminister Xavier Darcos schnell zurück.

Schließlich bekam der Generaldirektor des staatlichen Fernsehens Post vom Omnipräsidenten und erfuhr, dass seine Sender ihre "Identität als öffentlicher Dienst" erheblich stärken und "durch ein dichteres, kreativeres und mutigeres kulturelles Angebot" überzeugen sollten, das sich von dem der Privatsender klar unterscheidet. Die Reaktion des Generaldirektors auf dieses Ansinnen, das an die Quadratur des Kreises erinnert, ist nicht bekannt. Nach den Ferien bekommt er vielleicht einen Wink von ganz oben, wie das Problem getreu der Sarkozy-Devise zu lösen sei: "Tempo machen!"


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