Sarkozy muss sich warm anziehen

Generalstreik Heute läuft in Frankreich nichts: Es gibt einen weiteren Nationalen Aktionstag. Drei von vier Franzosen sind dafür wie schon beim letzten Generalstreik am 29. Januar

Dem Präsidenten bläst der Wind heftig ins Gesicht, sein Premier François Fillon getraut sich nicht einmal, zum EU-Gipfel zu fahren. Die steigende soziale Spannung und die extrem schlechte Stimmung im Land sind nicht vom Himmel gefallen, weiß Nicolas Sarkozy. Seit dem 2. Februar streiken Professoren und Studenten gegen eine verkorkste „Reform“ der Lehrausbildung und die damit verbundene Abschaffung von Praktika ebenso wie die Gewichtung und Evaluation von Forschung und Lehre und die Änderung der universitären Leitungsstruktur. Obwohl ein Teil der geplanten „Reform“ bereits zurückgezogen wurde, stellten jetzt 14 Universitätspräsidenten den zuständigen Ministern Valérie Pécresse und Xavier Darcos ein Ultimatum, den „Evaluations- und Masterstudiengangs-Wahnsinn“ zu stoppen.

Lehrer und Schüler, Professoren und Studenten stellen bei den landesweit über 200 Demonstrationen und Kundgebungen, zu denen alle acht Gewerkschaftsverbände aufgerufen haben, ein großes Kontingent. Die Gewerkschaften antworten auf die Versprechen Sarkozys im Wahlkampf: „Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen!“ „Kaufkraft stärken“. Die Realitäten sehen anders aus: Bei Continental wurden die Arbeiter zuerst gezwungen, zur 40-Stunden-Woche zurückzukehren, „um das Unternehmen zu retten“. Dann kam die Ankündigung, 1.120 Stellen würden gestrichen. Die Firma Total machte 2008 einen Rekordgewinn von 13,5 Milliarden Euro. Vor zwei Wochen beschloss sie 555 Entlassungen. Momentan werden in Frankreich pro Tag durchschnittlich 3.000 Kündigungen ausgesprochen.

Das brachte das Fass zum Überlaufen. „Keine Opfer mehr!“, fordern die Gewerkschaften. Stattdessen sollen Entlassungen verboten, die Kaufkraft durch Erhöhung der Mindestlöhne gestärkt und Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit getroffen werden. Vom milliardenschweren Hilfsprogramm der Regierung profitierten bislang nur die Unternehmen. Dank der Steuersenkungen Sarkozys sparten 834 Personen mit einem Einkommen über 15 Millionen Euro im Durchschnitt 368 000 Euro Steuern. Nachdem diese Zahlen vom Finanzausschuss der der Nationalversammlung bekannt geworden waren, geriet die Regierung in die Defensive.

Wirtschaftsministerin Christine Lagarde und Sozialminister Brice Hortefeux verlangen öffentlich von Unternehmern und Managern, auf Bonuszahlungen zu verzichten. Ein Antwort blieb aus. Dafür goss die Chefin des Unternehmer-Dachverbandes Öl ins Feuer. Vor dem heutigen Generalstreik sprach Laurence Parisot von „Illusionen“ und „Demagogie“ der Gewerkschaften, forderte forsch weitere Steuererleichterungen und verbat sich jede „Einmischung des Staates in unternehmerische Entscheidungen.“ – So erzeugt man „ein Klima sozialer Revolte“, wie der Sozialist Laurent Fabius meinte. Aber auch innerhalb der UMP brodelt es. Der ehemalige Minister Pierre Méhaignerie will „eine andere Politik“: „Wenn man die Krise aufhalten will, muss Präsident Sarkozy endlich seinen Eigensinn hinter sich lassen.“ Der muss sich warm anziehen.

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