Ein Kleeblatt für Dänemark

Dänemark Dänemark hat eine neue Regierung - ohne überhaupt gewählt zu haben

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Der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen
Der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen

Foto: Ben Pruchnie/AFP/Getty Images

Als drittstärkste Partei in einem Parlament alleine zu regieren, ist nicht einfach. Dies war aber das Schicksal von Lars Løkke Rasmussen, dem Ministerpräsidenten von Dänemark. Zweimal stand seine rechts-liberale Venstre-Regierung kurz davor zu scheitern: Einmal im Frühjahr 2016, als die Konservative Volkspartei ihr Misstrauen gegenüber einer Ministerin aussprach und ihre Zustimmung zu einem Gesetzentwurf an ihre Personalie knüpfte. Die Ministerin trat zurück, das Problem war gelöst. Seit dem Sommer dieses Jahres war es die neo-liberale Liberale Allianz, die damit drohte die Regierung zu stürzen. Ihr Vorsitzender Anders Samuelsen wollte den Spitzensteuersatz um fünf Prozent gesenkt haben. Wenn die Regierung dies nicht umgesetzt hätte, hätte er dann der Regierung die Unterstützung entzogen, was einem Sturz gleichkäme.

Dass jetzt sowohl die Konservative Volkspartei , als auch die Liberale Allianz mit Venstre eine neue Regierung bilden, wäre für die meisten vor ein paar Wochen nicht vorstellbar. Doch sie sollten eines besseren belehrt werden. Alles begann mit einem Parteitag der Venstre vor ein paar Wochen. Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen gab dort bekannt, dass er eine sogenannte "Kleeblatt-Regierung" (trekløverregering) etablieren wollte, um ein politisch stabileres Dänemark zu schaffen. Dazu lud er Anders Samuelsen von der Liberalen Allianz ein sowie den Vorsitzenden der Konservativen Volkspartei , Søren Pape Poulsen. Beide sagten Konsolidierungsgesprächen zu. Eine Neuwahl sollte es nicht geben. Dies war auch zu keinem Zeitpunkt Teil der Diskussion. Eine Neuwahl hätte Rasmussen auch den Job gekostet, da die Parteien des "Roten Blocks" laut Umfragen eine Mehrheit bekommen würden, was einen Regierungswechsel nach sich ziehen würde. Lange und intensiv wurde dann auf Marienborg, einem Landsitz der Regierung, verhandelt. Am vergangenen Sonntag war es dann soweit: Rasmussen gab zusammen mit Pape Poulsen und Samuelsen bekannt, dass die Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis gekommen sind. Am darauffolgenden Montag präsentierte er bereits seine neue Regierung.

Die Regierung ist personell eine der größten, die es in Dänemark gegeben hat. 22 Minister*innen sind Teil der neuen Regierung. Einige Minister*innen bleiben, wie zum Beispiel die Integrationsministerin Inger Støjberg, die als Hartlinerin in Fragen von Integration gilt. Andere müssen gehen, wie etwa Bertel Haarder, der 22 Jahre lang Minister in Dänemark war und ein Urgestein der dortigen Politik ist. Auch Søren Pind, bislang Justizminister, musste seinen Posten räumen, was ihn verärgerte, wie er dänischen Medien mitteilte. Er hätte seine Arbeit gerne fortgesetzt. Stattdessen wird er jetzt Ausbildungs- und Forschungsminister. Seinen Job als Justizminister übernimmt jetzt Pape Poulsen. Samuelsen wird Außenminister. Es gibt aber noch andere Überraschungen bei der Neubesetzung der Ministerien: Die neue Unterrichtsministerin, Merete Riisager, war vor ihrer politischen Karriere bei Lego und PricewaterhouseCoopers beschäftigt. Die neue Kulturministerin Mette Bock will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschlanken. Interessant ist, dass sie Schwester von Anders Samuelsen ist. Ein Geschwisterpaar in der Regierung hat es seit gut 50 Jahren nicht mehr in Dänemark gegeben. Für die größte Überraschung sorgte aber die Ernennung von Thyra Frank zur Ministerin für Senioren. Frank war eigentlich aus der dänischen Politik ausgeschieden, nachdem sie bei der letzten Parlamentswahl 2015 ihr Mandat verloren hatte. Frank war allerdings Jahrzehnte lang Vorstand in einem Pflegeheim, weshalb sie den Spitznamen "Pflegeheim-Thyra" verpasst bekommen hat.

Auf der neuen Agenda der Kleeblatt-Regierung stehen eine Menge Punkte, die die drei Parteien anpacken wollen. Dazu gehört, dass weniger dänische Bürger den Spitzensteuersatz bezahlen sollen. Dafür soll der Steuersatz für Geringverdiener ebenfalls gesenkt werden. Zudem soll die Steuer auf Eigenheime gesenkt werden. Der Fernsehsender TV2 - eine staatliche Aktiengesellschaft - soll verkauft, bzw. privatisiert werden und der öffentlich-rechtliche Rundfunk Danmarks Radio soll "fokussiert" werden. Zusätzlich sollen mehr Menschen in einen Job, die staatliche Studienunterstützung reformiert, das Militär stärker finanziert und junge Kriminelle härter bestraft werden. Zudem wurde festgelegt, dass Ausländer jetzt in Dänemark Ferienhäuser kaufen dürfen, dass Dänemark jetzt ein christliches Land ist und dass man bis 2050 nicht mehr von fossilen Brennstoffen abhängig sein möchte. Die Opposition, bestehend aus Sozialdemokratie, Sozialliberalen, Sozialisten und Grünen, bezeichnen die neue Regierungsgrundlage als liberales Manifest und befürchten katastrophale Einschnitte im dänischen Wohlfahrtssystem. Nicolai Wammen, Sprecher der Sozialdemokratie, sagte, dass die Regierung einen ordentlichen Ruck nach rechts gemacht habe. Pernille Skipper, Vorsitzende der links-alternativen Einheitsliste Rot-Grün, bezeichnete die Regierung als "Regierung für eine kleine Elite". Die Sozialistische Volkspartei bezeichnete die Regierungsbildung als "Black Sunday".

Die neue Regierung hat jetzt 53 Mandate hinter sich, statt der vorherigen 34. Eine Mehrheit ist dies dennoch nicht. Eine Mehrheit hat man im Parlament mit 90 Mandaten. Dessen ist sich Rasmussen auch bewusst, dennoch sagte er, dass es jetzt einfacher werde eine Mehrheit zu finden und zu regieren. Doch so einfach wird dies nicht. Zum einen, weil die Minderheitsregierung immer noch auf eine Unterstützerpartei angewiesen ist und dies ist die rechtspopulistische Dänische Volkspartei. Deren Vorsitzender Kristian Thulesen-Dahl hat von Anfang an klar gemacht, dass seine Partei nicht alle Gesetze und Vorhaben mittragen werde. So sagte er dem dänischen Fernsehen, dass die Dänische Volkspartei absolut gegen Steuersenkungen für die Reichen ist. Deshalb will sich die rechtspopulistische Partei mit der Sozialdemokratie, immerhin stärkste Fraktion im Parlament, zusammentun, um dies zu verhindern. Doch auch die Sozialdemokratie wird ein wichtiger Gegenspieler, da sie die Dänische Volkspartei jetzt unter Druck setzen kann und das kann die Rechtspopulisten Wähler*innen kosten, meinen politische Analytiker. Und eine wichtige Frage ist auch noch nicht geklärt: Wird es Steuersenkungen für die Reichen geben? Bislang wurde nur festgelegt, dass weniger den Spitzensteuersatz zahlen müssen, aber nicht, dass er gesenkt werden soll. Wenn Anders Samuelsen weiterhin darauf verharren sollte, könnte das zu einer erneuten Regierungskrise führen, da weder Venstre noch Konservative Volkspartei solch eine Steuersenkung wünschen.

Eine größere Regierung bedeutet also nicht zwangsläufig ein politisch stabileres Dänemark. Viele Akteure und Gegenspieler könnten immer noch die Regierung stürzen. Eines bleibt aber klar: Dänemark wird sich politisch verändern, hin zu einem neo-liberaleren Dänemark.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rune1994

Student und Journalist mit dänischen Wurzeln und mit einem Interesse an dänischer bzw. skandinavischer Politik, sowie der EU.

Rune1994

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