Ein perverses Spiel um Macht

Dänemark Im politischen Sommerloch Dänemarks geht es heiß her. Neue Allianzen werden geschmiedet und der Regierung könnten Neuwahlen drohen

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Gut ein Jahr ist die letzte Parlamentswahl in Dänemark her. Die sozialdemokratische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt rief früher als nötig Wahlen aus. Ihre Partei wurde zwar stärkste Kraft, doch gab es zu wenige Sitze in ihrem Lager. Das bedeutete Machtwechsel: Der ehemalige Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen von der rechtsliberalen Partei Venstre wurde der neue, auch wenn seine Partei nur drittstärkste Kraft wurde. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) wurde zweitstärkste Kraft. Da sie aber Løkke Rasmussen als Ministerpräsidenten haben wollte, konnte er mit der DF als Stützerpartei rechnen.

Ein Jahr ist das jetzt her. Nun wird es stürmisch im dänischen Polit-Sommerloch, denn Venstres größte Stützerpartei könnte das Messer im Rücken der Ein-Parteien-Minderheitsregierung werden. Grund dafür ist ein politischer Flirt zwischen der im Parlament größten Partei, den Sozialdemokraten, und den Rechtspopulisten. Die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Mette Frederiksen, möchte Hand in Hand mit den Rechtspopulisten laufen, um der regierenden Venstre einen Strich durch die Rechnung zu machen: Venstre möchte Steuererleichterungen. Die Sozialdemokratie sieht dies kritisch und möchte daher die DF - die einen großen Fokus auf Wohlfahrtspolitik legt - mit ins Boot holen, um Venstre schachmatt zu setzen, schreibt die Zeitung Berlingske. Statt Steuererleichterungen wünscht Frederiksen, dass das Geld in Bildung und Wohlfahrt investiert wird: "Die Dänische Volkspartei wird eine Schlüsselfigur in diesen Verhandlungen sein. Wir haben klar und deutlich gesagt, dass wir nicht bei einer weiteren Verbiegung Dänemarks mit Steuererleichterungen mitmachen werden. Die Liberale Allianz und die Konservativen tun alles was sie können, um dies umzusetzen. Deshalb liegt es in den Händen der DF, ob man den bürgerlichen Weg oder einen breiteren Weg geht, wo wir über die politische Mitte hinaus zusammenarbeiten.", sagte Frederiksen der Berlingske. Zusammen hätten beide Parteien 83 Sitze; Mit 90 Sitzen hat man im Parlament eine Mehrheit. Genug also, um Druck auf die Regierung auszuüben.

Die Dänische Volkspartei ist bereit für die Zusammenarbeit. Der Fraktionsvorsitzende Peter Skaarup sieht das Angebot sehr positiv und sagte, die dänische Sozialdemokratie könne zwei Wege wählen. Der eine sei Mitverantwortung, der andere sei nach einer Neuwahl zu streben und somit so viel Chaos wie möglich zu schaffen. Die Dänische Volkspartei könne sich nur schwer Steuererleichterungen vorstellen und wenn, dann sollten diese nicht zu Gunsten der Reichen ausfallen. Auch der Parteivorsitzende Kristian Thulesen Dahl nahm die Einladung zu dieser Zusammenarbeit an. Es sei höchste Zeit dafür, sagte er dem Sender TV2. Aber alles hat seinen Preis. Thulesen Dahl möchte im Gegenzug Verschärfungen in der Ausländer- und Immigrationspolitik. Die DF hat drei Forderungen, die vor allem wichtige internationale Konventionen betreffen: Die UN-Flüchtlingskonvention, die EU-Menschenrechtskonvention und die UN-Staatenlosigkeitskonvention. Diese Konventionen würden laut DF Dänemark daran hindern eine stramme Asylpolitik zu betreiben. Gegenüber der Zeitung Jyllands Posten sagte Thulesen Dahl: "Wir müssen uns von diesen Konventionen befreien, um eine selbstständige Flüchtlingspolitik zu betreiben."

Konkret geht es der DF bei diesen Konventionen um diese Fälle: Ein kroatischer Mafiaboss konnte nicht aus Dänemark abgeschoben werden, da dieser laut der EU-Menschenrechtskonvention ein Recht auf Familienleben hätte. Dieses Recht betraf auch einen Fall in Esbjerg, wo ein syrischer Flüchtling 17 seiner 20 Kinder nach Dänemark nachgeholt hatte. Ein paar Jahre zuvor hatte ein Immigrant die dänische Staatsbürgerschaft erhalten, weil er staatenlos war. Der dänische Geheimdienst PET hatte diesen Mann allerdings als einen Gefährder eingestuft. Laut der UN-Staatenlosigkeitskonvention können Staatsbürgerschaften aber nur verweigert werden, wenn die jeweilige Person wegen Verbrechen verurteilt wurde. Thulesen Dahl wünscht sich daher Ausnahmen für Dänemark. Wenn man dies aber verweigert, würde man aus diesen Konventionen austreten. Bislang hat aber keine andere dänische Partei geäußert, dies zu wollen. Dennoch haben viele prominente Politiker kritisiert, dass sie Teile der Konventionen für problematisch halten, so unter anderem auch die Sozialdemokratin Mette Frederiksen und der Regierungschef Lars Løkke Rasmussen.

Doch mittlerweile hat sich das Blatt bei der Frage der Steuererleichterungen gewendet. Thulesen Dahl, der zuvor gerne die Steuererleichterungen verhindert hätte, sagte jetzt, dass die Forderungen bezüglich der Asyl- und Flüchtlingspolitik wichtiger seien, als eine Vereinbarung bezüglich der Steuererleichterungen. Er wäre bereit für Steuererleichterungen zu stimmen, wenn man seinen Forderungen stattgeben werde, sagte er bei einer Pressekonferenz beim Sommertreffen der DF in Svendborg.

Die neoliberale Partei Liberal Alliance stößt die mögliche Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten und der DF aber auf. Sie droht damit die Regierung zu stürzen, wenn es keine Steuererleichterungen gibt. Auf die Frage, ob die Liberal Alliance dies tatsächlich tun würde, antwortete deren Fraktionsvorsitzender Simon Emil Ammitzbøll schnippisch: "Ja, was glauben Sie denn?" Machtspielchen hin oder her, Venstre sieht die Zusammenarbeit und die Drohung der Liberal Alliance locker. Ihr Finanzpolitischer Sprecher sagte: "Wir waren schon vorher in Verhandlungen, wo wir keine Mehrheit für die Politik bekommen haben, die wir wollten. Wir präsentieren unsere Vorschläge und schauen dann, wie viele Parteien mit dabei seien wollen.", berichtet Danmarks Radio.

Doch hinter der möglichen Zusammenarbeit steckt viel mehr als nur das Verhindern von Steuererleichterungen. Führende Politiker sowohl von der DF, als auch von den Sozialdemokraten liebäugeln mit einer Regierungskoalition, wenn es zu Wahlen kommt. Das wäre ein Novum in der dänischen Politik. Sagte der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen in den 1990er Jahren noch, dass die DF niemals "stubenrein" wird, so spricht heute viel dafür, dass Sozialdemokraten und Rechtspopulisten zusammen regieren könnten. Zum einen sprechen die Umfragewerte dafür. Die Sozialdemokratie führt die politischen Barometer mit rund 25 Prozent an, dicht dahinter die DF mit circa 20 Prozent. Beide Parteien in einer Regierung würde bedeuten, dass eine stabilere Regierung über die Mitte hinaus gebildet wird. Hinzu kommt, das jetzt eine Mehrheit der DF-Wähler lieber die Sozialdemokratin Frederiksen anstatt ihrem Widersacher Løkke Rasmussen als Ministerpräsident hätten, wenn man zwischen beiden wählen könnte, schreibt Politiko.dk. 60 Prozent der DF'er wollen aber lieber ihren Parteivorsitzenden Thulesen Dahl als Regierungschef sehen. Was die Situation für Venstre erschwert ist, dass sechs von zehn DF'er die Regierung Løkke Rasmussen stürzen würden, wenn diese einen Stopp für Asylsuchende verweigert. Dies zeigt, dass die Unterstützung für die Venstre bei ihrem größten Partner dahinschwindet. Jeder dritte der DF meint dagegen, dass die Sozialdemokraten mit Mette Frederiksen in der Spitze die Forderungen und Wünsche der DF am besten mit umsetzen könnten, schreibt Politiko.dk in einem weiteren Artikel.

Was das alles jetzt für die dänische Politik bedeutet, das steht noch offen. Im Herbst werden die Verhandlungen zwischen den Parteien in Gang gesetzt, wenn die Sommerpause vorbei ist. Fakt ist aber, dass die regierende Venstre in einem Dilemma steckt. Wenn die geplanten Steuererleichterungen verhindert werden, dann droht ein Entzug der Unterstützung der Liberal Alliance. Wenn die Venstre aber keinen Stopp für Asylsuchende einführt, dann könnte die Dänische Volkspartei die Unterstützung entziehen. Beide Möglichkeiten kämen faktisch einem Sturz gleich. Lars Løkke Rasmussen hätte keine Mehrheit, auf die er bauen könnte. Eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten oder den Sozialliberalen würde sehr schwierig werden. Seine beste Lösung wäre es Neuwahlen auszurufen. Wenn es so kommen würde, sähe es bitter aus für Venstre, die in Umfragen bei rund 17 Prozent liegt. Denn wenn eine Mehrheit in der Dänischen Volkspartei auf Mette Frederiksen als neue Ministerpräsidentin zeigt, dann käme es zur ersten Koalition zwischen rechts und links in Dänemark. Was das für die Flüchtlings- und Asylpolitik bedeutet, darüber kann nur spekuliert werden. Es wird aber mit einer DF in der Regierung keine Lockerungen geben.

Die Karten im dänischen Machtpoker sind gemischt. Wer gewinnt, wer verliert und wer alles aufs Spiel setzt wird im Herbst entschieden. Es ist fast wie in der dänischen Polit-Thriller Serie "Borgen". Der Unterschied ist aber, dass die Serie Fiktion ist. Die aktuelle politische Situation in Dänemark aber nicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rune1994

Student und Journalist mit dänischen Wurzeln und mit einem Interesse an dänischer bzw. skandinavischer Politik, sowie der EU.

Rune1994

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