Kleines Land, große Wahl

Dänemark Dänemark wählt dieses Jahr und es wird wohl eine der spannendsten Wahlen seit langem.

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Vor vier Jahren wurde in Dänemark zum letzten Mal gewählt. Gewinner der Wahl wurden die Sozialdemokraten, die zusammen mit den Sozialliberalen (Radikale Venstre) und den Sozialisten (Socialistisk Folkeparti) in eine Regierung gingen. Letztere traten aufgrund von internen Querelen aus der Regierung aus, unterstützen aber weiter die Regierung. Seit Amtsantritt der Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt sank ihr Popularitätswert. Auch die Umfragewerte ihrer Sozialdemokraten, sowie die der Sozialisten nahmen ab. Die Sozialliberalen mussten ebenfalls Prozente einbüßen. Davon profitierten die Oppositionsparteien. Die rechtsliberale Partei Venstre (der Name ist trügerisch, da "Venstre" eigentlich links bedeutet) konnte sich schon kurz nach der Wahl über in die Höhe schnellenden Umfragewerte freuen. Jetzt liegen sie aber auf demselben Niveau wie vor vier Jahren bei der Wahl. Großer Gewinner ist die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti). Sie konnte seit der Wahl von vor vier Jahren von rund zwölf Prozent auf ganze 20 Prozent klettern. Viele der Stimmen konnten sie von den Sozialdemokraten erringen. Zeitweise wurden sie sogar als stärkste Partei in den Umfragen gehandelt.

Die Umfragewerte zeigen, dass viele Dänen unzufrieden mit der Regierung Thorning-Schmidts sind. Ihre Reformen werden kritisiert und man macht sie für wirtschaftliche Krisen verantwortlich. Ebenso fürchten viele Dänen eine Überfremdung des Landes durch Muslime und kriminellen Osteuropäer, wie es die ehemalige Parteivorsitzende der Dänischen Volkspartei, Pia Kjærsgaard, formulierte. Obwohl Thorning-Schmidt in ihrer Neujahrsansprache zwar von Fortschritten im Land sprach, sehen es viele Dänen nicht so. Aber mit dieser Neujahrsansprache hat der Wahlkampf in Dänemark endgültig begonnen. Schon in den letzten Wochen gab es vor allem von den Sozialdemokraten schon einige Kampagnen, doch mit der Neujahrsansprache startete die große Wahlkampagne, die unter dem Motto "Das Dänemark, das du kennst" steht. Dadurch kommen jetzt die anderen Parteien aus den Startlöchern, obwohl es noch keinen konkreten Wahltermin gibt. Den muss nämlich die Regierungschefin bekanntgeben, doch spätestens im September muss gewählt werden. Politiker und Journalisten spekulieren seit Wochen, wann es nun so weit ist. Kritiker Thorning-Schmidts vermuten, dass sie auf bessere Umfragewerte wartet, bis sie eine Wahl ausruft.

Doch warum wird die Wahl so spannend? Die Parteien des bürgerlichen Lagers hätten zwar zusammen die Mehrheit, doch noch ist unsicher, wer das Rennen gewinnt und vor allem, wer mit wem in eine Regierung geht. Das liegt daran, dass es viele Parteien im Parlament gibt, was zu einer schwierigen Regierungsbildung führt und Kompromissbildungen zwischen dem bürgerlichen und dem sozialistischem Lager erzwingt. Anders Langballe, politischer Redakteur des dänisches TV- Senders TV2, sagt dazu, dass es viele Möglichkeiten für eine mögliche Regierung gibt: "Sowohl der 'rote Block' als auch der bürgerliche 'blaue Block' können gewinnen. Denkbar ist wieder eine Regierung aus Sozialdemokraten und Radikale Venstre. Doch weil es in letzter Zeit Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Parteien gab, wäre sogar eine Minderheitsregierung möglich, die nur aus den Sozialdemokraten besteht."

Wenn der "blaue Block" gewinnt, dann wäre eine fast schon traditionelle Regierung zwischen Venstre und der Konservativen Volkspartei (Konservative Folkeparti) mit dem Vorsitzenden der Venstre, Lars Løkke Rasmussen, als Premierminister möglich, der schon einmal Regierungschef war. Aber auch eine Regierung zwischen Venstre und der Dänische Volkspartei ist nicht unwahrscheinlich. Möglich ist aber auch eine Minderheitsregierung, die nur aus der Venstre besteht. Die Umfragen deuten aber auf eine Regierung mit Parteien des blauen Blocks. Ob die Dänische Volkspartei zum ersten Mal an einer Regierung beteiligt ist bleibt offen. Sie könnte genauso gut wieder Unterstützerpartei werden, wie es zwischen 2001 und 2011 der Fall war. Eines bleibt aber klar: Die Dänische Volkspartei wird bei der Wahl dieses Jahr die Rolle des Königsmachers spielen. Doch ihr Einfluss wird nicht so groß sein, wie viele befürchten. Anders Langballe sagte dazu, dass die Migrations- und Asylpolitik nicht so stark verschärft wird, wie es die Dänische Volkspartei - manchmal polemisch - fordert. Denn die Venstre würde die Rechtspopulisten zügeln, auch beim Thema EU. Die Rechtspopulisten wollen am liebsten ganz aus der EU austreten und mit den anderen skandinavischen Ländern zusammenarbeiten. Doch auch da werden sie höchstwahrscheinlich von der Venstre im Zaun gehalten. Venstre ist eine Partei, die der EU sehr nahe steht. Außerdem sind fast alle Parteien im Parlament pro-europäisch. Die Dansk Folkeparti muss also schweren Mutes einen Verbleib in der EU akzeptieren.

Doch egal wer die Wahl gewinnen wird, die Wahl wird so oder so spannend. Anders Langballe: "Wahlen sind immer spannend und dramatisch. Doch dieses Mal wird es eine 'vind eller forsvind-valg' (gewinne oder verschwinde-Wahl). Wenn der blaue Block gewinnt, dann wird Helle Thorning-Schmidt sich aus der Politik zurückziehen. Und wenn der rote Block gewinnt, dann wird sich Lars Løkke Rasmussen aus der Politik zurückziehen." Und weiter: "Politisch wird sich aber nicht viel tun, denn schon in den letzten Jahren hat die Regierung unter Thorning-Schmidt mit dem blauen Block zusammengearbeitet, um Kompromisse zu finden. Außerdem hat die Regierung wirtschaftspolitisch nicht mehr so viele Unterschiede zu der Partei Venstre, wie es früher einmal war." Kompromissbildungen wird es also auch unter der nächsten Regierung geben. Inhaltlich wird die Wahl also weniger spannend, dafür aber personell. Die beiden poltischen Blöcke liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wer also auf Wahlkrimis steht, sollte sich die kommende Wahl in Dänemark anschauen.

Anders Langballe ist dänischer Journalist. Er arbeitet derzeit beim dänischen Sender TV2 als politischer Redakteur, Redaktionschef und politischer Analytiker. Er arbeitete unter anderem auch bei den Zeitungen Ekstra Bladet und Jyllands-Posten. Langballe war während seiner Jugend in der Jugendorganisation Venstres Ungdom der Partei Venstre.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rune1994

Student und Journalist mit dänischen Wurzeln und mit einem Interesse an dänischer bzw. skandinavischer Politik, sowie der EU.

Rune1994

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