Gute Verbindungen nach rechts

Burschenschaften Nicht nur weil ein Skinhead auf dem Fechtboden versteckt wurde, befürchten Studierende neue braune Gefahr an den Universitäten - ein Kongressbericht

Es hatte alles einmal so gut angefangen: Als Reisen noch beschwerlich waren, Briefe lange brauchten, nicht jede Stadt ihre Hochschule hatte und Frauen vom Studium ausgeschlossen waren, machte die Idee der Burschenschaft Sinn. Wer von zuhause auszog, das Lernen zu lernen, der fand sich in der Fremde in seiner Landsmannschaft wieder, hatte Bezugspersonen, die in der Not zur Seite stehen konnten. 1815 gar schafften es 500 Studenten, die sich beim Wartburgfest trafen, den Burschenschaften eine politische Rolle zuzuschreiben. Es entstand ein liberal-nationales Programm, man trug Farbe für die Einheit Deutschlands und für eine Demokratisierung. Zeitweilig waren die Burschenschaften sogar die Motoren für das, was heute studentische Mitverwaltung ist.

Nun haben sich die Zeiten geändert, und zwar so sehr, dass der Studentische Sprecherrat der Ludwig-Maximilians-Universität in München einen Kongress über »Alte Herren - Neue Rechte« veranstaltet hat. Ziel: die braunen Verbindungen im Uni-Betrieb aufzuzeigen. Aktuelles Futter dafür war ein Zwischenfall in München, der bestens ins Klischee von den rechten Burschenschaften passt. Im, oder wie Kenner sagen, »auf« dem Haus der Studentenverbindung Danubia im Münchener Villenviertel Bogenhausen war nämlich ein Skinhead vorübergehend versteckt worden, der inzwischen in Untersuchungshaft sitzt, weil er des versuchten Mordes verdächtig ist.

Christoph S. hatte mit Gesinnungsgenossen in der sonst so beschaulichen Bayern-Metropole einen Griechen böse malträtiert, der nur durch das beherzte Eingreifen einiger Türken gerettet werden konnte. Seine Flucht vor der Polizei startete Christoph S. vom Verbindungshaus aus. Im Zuge der Ermittlungen tauchten unangenehme Details auf, die das Image der Studentenverbindungen kräftig belasteten. Selbst der bayerische Verfassungsschutz warnte, dass die Burschenschaften von rechten Ideologen unterwandert würden. Nicht nötig, meinte der Hochschulhistoriker Dietrich Heither auf dem Kongress - wenn hier jemand unterwandert, dann tun dies die Burschenschaften - sie drängen das universitäre Leben und die Gesellschaft insgesamt nach rechts.

Brutstätten einer neuen rechten Elite?

Dass die jungen Herren, die ihre Zeit bevorzugt mit Trinkspielchen verbringen, eher konservativ angehaucht sind, ist bekannt. Der Experte aus Wiesbaden aber versuchte nachzuweisen, dass die Burschenschaften »Brutstätten einer rechten Elite« sind. Sachdienlich und differenziert berichtete Heither von den Umtrieben der Deutschen Burschenschaft, des wohl prominentesten Dachverbands, in dem sich die rechte Verbindungsszene tummelt.

Hier würden völkische Ideen und eine Blutsideologie gepflegt, Termini und Gedankengänge in den offiziellen Veröffentlichungen seien der extremen Rechten entlehnt. So verwundert es nicht, dass einzelne Burschen und ihre Organisationen nach Heithers Recherchen Verbindungen in die einschlägige Szene pflegen. Die »Erziehung« in den Burschenschaften fördere eine spezifische politische Ausrichtung, die mit einem völkischen Brauchtum und antiquiertem Männlichkeitswahn gekoppelt sei - über Netzwerke finden diese Ansichten ihren Weg in Politik und Wirtschaft. Denn dort sitzen die Alten Herren. So nennen die Verbindungen ihre ehemaligen Aktiven, die als Förderer und Finanziers mit dem beruflichen Erfolg im Rücken auftreten. Zahlreiche Spitzenpolitiker und Wirtschaftsbosse zählen dazu - bei Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle etwa ist der Schmiss auf der Wange Ausweis von Engagement auf dem Fechtparkett des Corps Borussia Tübingen.

Die Antifa-Aktivisten mahnte Heither zur Differenzierung: »Burschenschaften, Korps und Landsmannschaften stehen im eindeutig rechten Spektrum. Bei Verbindungen hingegen herrscht zwar in der Regel eine konservative Haltung vor, aber die kann man nicht verteufeln.« Ein Vorwurf ist diesen aber zu machen: Die meisten von ihnen arbeiten in übergeordneten Verbänden mit der Deutschen Burschenschaft und anderen Rechtsauslegern zusammen und vertreten im Zweifel stets das »korporative Gesamtinteresse«, so Heither. Seine vage Hoffnung: »Die Burschenschaften verlieren für die Eliteprägung ganz stark an Bedeutung, weil ihre rückwärtsgewandten Ideen in der Wirtschaft nicht mehr ankommen.« Nur noch zwei bis drei Prozent aller Studierenden sind zur Zeit in Verbindungen aktiv - in den fünfziger Jahren war es mehr als ein Drittel aller jungen Männer und Frauen an den Unis (!).

Bequemlichkeit der alten Hochschulelite

Doch ob man sich mit dieser Hoffnung zufrieden geben kann? Selbst in München, wo Uni-Rektor Andreas Heldrich bemüht ist, das Erbe der studentischen Widerstandskämpfer der Weißen Rose wach zu halten, mehren sich Vorfälle, bei denen die Studierenden rechtes Gedankengut wittern. Die Idee zum Kongress kam, als der Münchener Historiker Horst Möller eine Laudatio auf den berüchtigten Kollegen Ernst Nolte hielt. Auch eine umstrittene Ausstellung der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Münchener Uni, eine heroisierende Gedenktafel für die Gefallenen der Weltkriege just dort, wo die Geschwister Scholl ihre Flugblätter warfen, und ein Uni-Schaukasten, in dem bis vor kurzem auch die Danubia werben durfte, sind dem Studentischen Sprecherrat ein Dorn im Auge.

Plakative Beispiele. Gefährlicher könnte eine Entwicklung sein, die weniger offensichtlich ist: Rechtes Gedankengut schleicht sich immer häufiger in den Wissenschaftsbetrieb ein. So berichteten Wolfgang Habermeyer über rassistische Diskurse in der Ethnologie, Stephan Lippels über die »Soziobiologie«, Anna Bergmann über die braunen Ursprünge in den Biowissenschaften.

Heute macht die Wissenschaft Ideen für die Politik salonfähig, die nach 1968 tabu waren. Für die Geschichtswissenschaft betonte das Alfred Schobert, Szene-Kenner vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Er zeichnete die Debatten um die Thesen von Martin Walser (»Auschwitz als Moralkeule«) und Norman Finkelstein (»Holocaust-Industrie«) nach: »Beide veredelten Thesen, die sonst am rechten Rand zu finden waren«. In der Folge, so Schobert in schwungvoll-scharfem Ton, »wurden auch an den Unis revisionistische Duftmarken der braunen Art gesetzt«.

Auffällig ist jedenfalls, dass solchen Duftmarken genauso wie den rechten Aktivitäten der Burschenschaften immer weniger Widerstand entgegen gesetzt wird. Darüber klagte der junge Historiker Philip Bauer aus München: »Liberale und linke Professoren ziehen sich zunehmend zurück und überlassen den rechten Großsprechern das Feld.« Bequemlichkeit im Elfenbeinturm? Rechtsdrift der Alt-68er-Profs? Oder will man manche hanebüchene These erst gar nicht dadurch aufwerten, dass sich kritische Wissenschaftler mit ihr befassen? Möglicherweise ist es noch schlimmer. Bei den Lehrenden könnte der Fall sein, was auch bei den Studierenden nicht mehr zu übersehen ist: Die große Mehrheit ist nicht rechts. Aber sie ist gleichgültig geworden.

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