Unappetitlich

KOMMENTAR Hessens Landtagswahl vor Gericht

Roland Koch, Lügenbaron im Spendensumpf, ist eine der Nervensägen, die nichts mehr verdient haben, als in der Versenkung zu verschwinden. Doch der hessische Ministerpräsident bemüht sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), um im Amt zu bleiben. Seine Regierung hat den Antrag gestellt, Teile des hessischen Landeswahlrechts für grundgesetzwidrig zu erklären. Hintergrund: Die hessischen Wahlprüfer zweifeln an der Gültigkeit der letzten Landtagswahl. Sie verübeln der CDU, dass sie ihren Wahlkampf im Februar 1999 mit Geld aus schwarzen Kassen finanziert hat. Die drohenden Neuwahlen will der brutalstmögliche Machtbehalter vermeiden. Zum einen, so Koch, sei das Wahlprüfungsgericht ohnehin nicht mehr als der verlängerte Arm des Landtags und biete daher keinen Rechtsschutz. Zum anderen sei die hessische Verfassung viel zu unbestimmt, die Wahlen für ungültig erklärt, wenn sie durch sittenwidrige Handlungen beeinflusst seien.

Koch hat leider Recht. Ein Wahlprüfungsgericht mit drei Landtagsabgeordneten und zwei politiknahen Berufsrichtern ist ein Witz. Ob der Kanther-Klon mit dieser Rüge bei einem Bundesverfassungsgericht gut aufgehoben ist, das selbst überwiegend aus zwar hochqualifizierten, aber doch parteitreuen Richtern besteht, ist eine andere Frage. (Die Karlsruher liebäugeln ja sogar damit, sich aus der "Residenz des Rechts" in die Nachbarschaft der Politik, nach Potsdam, zu verabschieden.) Die Generalklausel "sittenwidrig" umfasst zwar sicher die skandalösen Rechtsbrüche rund um die Parteifinanzen. Doch das Kriterium ist viel zu schwammig, um eine Wahl mir nichts, dir nichts zu annullieren. Wäre ja auch ein zu schönes Zeugnis, das die hessischen Wahlprüfer da ausstellen möchten: Mit weniger Geld oder zumindest ordnungsgemäß verbuchtem Geld wäre die Wahl anders ausgegangen? Das käme dann doch der gefährlichen Wahrheit zu nahe, dass Geld die Welt regiert.

Noch ist aber gar nicht sicher, dass die Verfassungshüter in der Sache entscheiden. Bislang ließen die Bundesrichter äußerste Zurückhaltung walten, bevor sie sich in Landeswahlrecht einmischten. Das BVerfG hätte sich schlicht für unzuständig erklären können. Politisch keine schlechte Lösung: Soll doch der Koch den ungenießbaren Brei auslöffeln, der ihn angerichtet hat. In den USA schließlich, bei dem anderen großen Wahlstreit, schieben auch die Gerichte den unappetitlichen Florida-Heckmeck hin und her. Hier wie dort scheint sich der unangenehmere Kandidat durchzusetzen. Das Wahlvolk schluckt's - bleibt abzuwarten, wann's ihm endlich hochkommt.

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