Der Kreml-Schlagabtausch und seine Gründe

Russland Nawalny beschuldigt Putin persönlich – dessen Sprecher Peskow bezichtigt ihn der CIA-Zusammenarbeit. Welche Absicht steckt hinter dieser Retourkutsche?

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Alexej Nawalny möchte nach Russland zurückkehren
Alexej Nawalny möchte nach Russland zurückkehren

Foto: Mladen Antonov/AFP via Getty Images

Es sind ereignisreiche Tage in der Auseinandersetzung zwischen dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und der Regierung im Kreml. Kaum hatte sich die Spiegel-Schlagzeile, Nawalny mache Putin persönlich für den Mordanschlag auf sich verantwortlich, verbreitet, gab es einen passenden Gegenschlag aus Moskau. Nawalny kooperiere nach Ansicht von Kremlsprecher Peskow mit dem US-Geheimdienst CIA. Dies sei auch nichts Neues, und weitere Kommentare zum Fall werde es aus dem Kreml nicht geben.

In der Tat ist dieser eine Peskow-Kommentar ausreichend, um die Absicht der Mächtigen aus Moskau zu deuten. Bisher hatte man es Leuten aus der zweiten bis dritten Reihe, etwa Staatsduma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodyn oder RT-Journalisten überlassen, dem ungeliebten Oppositionsaktivisten mit solchen Beschuldigungen den Ruf eines Verräters zu verschaffen. Mit Peskows offiziellem Statement bekommt diese Beschuldigung eine neue, offizielle und endgültige Qualität, und entsprechende Ermittlungen russischer Behörden werden sich anschließen.

Was ist die Absicht dieser massiven Anschuldigung? Nawalny hatte bereits seine baldige Rückkehr nach Russland angekündigt. Bequemer wäre es für den Kreml aber, wenn er im Ausland bliebe. Dort leben mittlerweile recht viele Gegner des russischen Präsidenten – wie Chodorkowsky, Kasparow oder Illarionow. Wie es der Analyst der russischen Zeitung Kommersant Sergej Strokan ausdrückt, waren sie zwar einst in Russland Ikonen der Opposition, jetzt beschäftigten sie sich allerdings mehr damit, mit dem Europäischen Parlament zu plaudern oder bei irgendwelchen Seminaren zu sprechen. Ihr Einfluss auf die Vorgänge in Russland selbst ist jedoch gering.

Nawalny war bisher anders. Er wollte in Russland selbst die Massen anführen und deswegen auch dorthin zurückkehren. In Russland sei es für ihn nach Ansicht von Strokan ein gefährliches Spiel, sich zu stark an den Westen anzulehnen, der ihn nur zu einem Werkzeug seines eigenen Kurses umfunktionieren könne. Ein Schritt in diese Richtung könnte die persönliche Beschuldigung Putins ohne entsprechende Beweise sein. Das mag vor allem dessen westlichen Gegnern zur Schärfung des eigenen Feindbilds gefallen. In Russland selbst jedoch wird diese These wesentlich seltener geglaubt, was etwa eine Umfrage der liberalen Onlinezeitung Meduza unter dortigen Experten direkt nach dem Anschlag belegt.

Entsteht so der Eindruck, Nawalny sei ein trojanisches Pferd, würde dies laut Strokan wirksam seinem Vorhaben schaden, Unterstützung innerhalb des eigenen Landes zu bekommen. Dem Kreml selbst ist das wohl bekannt. Er weiß, als Bündnispartner westlicher Geheimdienste ist die Diskreditierung Nawalnys am effektivsten. Gelingt es nun noch, ihn – etwa aus Angst vor Strafverfolgung – zu einem Bleiben im Exil zu bewegen, ist er in Bezug auf innerrussische Machtkämpfe ebenso kalt gestellt wie ein Michail Chodorkowski – einstmals ein ernsthafter Machtfaktor in Moskau, heute nur noch ein ferner Exilmilliardär.

Die Kremlstrategie ist keine ausschließlich russische. Auch Ikonen aus der belarussischen Oppositionsführung wurden mehr oder weniger offensiv von Machthaber Lukaschenko aus dem Land in Richtung Westen gedrängt. Dort können sie sich zwar nett zu Gesprächsrunden mit ausländischen Staatschefs verabreden – ihr Einfluss auf die zurückgebliebene Oppositionsbasis in Minsk verringert sich jedoch zwangsläufig. Eine Entwicklung, die den Mächtigen in Russland im Bezug auf Nawalny gelegen käme. Zu nennenswerten Solidaritätsdemonstrationen mit ihm ist es seit seinem Aufenthalt in Berlin bisher jedenfalls nicht gekommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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