Lässt Moskau Lukaschenko bald fallen?

Belarus Während der Kreml noch Lukaschenko unterstützt und Staatsmedien eine Farbrevolution diagnostizieren, haben hochrangige politische Fachleute ein differenzierteres Bild

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Im Kreml hat man Angst vor der Machtübernahme einer Regierung, die Belarus in Richtung Westen führt
Im Kreml hat man Angst vor der Machtübernahme einer Regierung, die Belarus in Richtung Westen führt

Foto: Stringer/AFP/Getty Images

Die russische Politik ist aktuell noch voll der Lippenbekenntnisse der Solidarität mit Weißrusslands Regierung unter Lukaschenko und auch russische Staatsmedien berichten – auf Russisch wie auf Deutsch – brav die Geschichte von der von außen gesteuerten Farbrevolution in Minsk.

Doch eine Etage tiefer macht sich gerade unter russischen Fachleuten bis in Regierungsnähe Skepsis breit, ob man mit dem Langzeitpräsidenten in Minsk noch auf das richtige Pferd setzt. So warnt etwa der Moskauer Politologe Dmitri Trenin vom örtlichen Carnegie-Zentrum vor einer wachsenden Instabilität beim belarussischen Nachbarn. Er beklagt, die dortigen Proteste radikalisierten sich und bekämen antirussische Züge. Es wäre im Interesse Russlands, politische und wirtschaftliche Reformen zu fördern – das Haupthindernis dabei wäre Lukaschenko selbst. Es sei für Russland wichtig, auch mit der belarussischen Opposition zusammen zu arbeiten, glaubt Trenin. Wenn man die Demonstranten nur als Satelliten des Westens abstemple, sei die russischen Belarus-Politik zum scheitern verurteilt.

Appelle wie die von Trenin werden in Moskau gehört, etwa von Andrej Kortunow, dem Vorsitzenden des remommierten Russischen Rates für Auswärtige Angelegenheiten, einer Gründung von Außen- und Bildungsministerium und als solche nicht im entferntesten oppositionell. Er verteidigt beim staatlichen Radiosender Sputnik ein kürzlich zwischen russischen Experten und weißrussischen Oppositionellen stattgefundenes Treffen. Er meint, auch unter den Gegnern Lukaschenkos könne Russland Partner und Zuhörer finden, da das Spektrum ihrer politischen Einstellungen sehr verschieden sei. Es sei wichtig, auch die Stimme der Minsker Opposition zu hören, die in den regierungsnahen russischen Medien nicht so klar vertreten sei.

So ist die zweite Reihe der politisch wichtigen Leute in Moskau – unbemerkt sowohl von den großen deutschen Medien als auch dem russischen Staatsfunks wie RT deutsch - durchaus bemüht, trotz des bisherigen Kremlkurses pro Lukaschenko der anderen Seite Offenheit und Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Diese Bemühungen schlagen jedoch bisher noch nicht durch in die oberste Etage der Politik, wie zu Präsident Putin. Zu groß ist dort die Scheu vor einem Regierungswechsel, der dem Druck der Straße folgt. Bei allem Misstrauen gegenüber Lukaschenko hat man doch viel Angst vor der Machtübernahme einer Regierung, die den weißrussischen Bruder in Richtung Westen führt.

Das hält natürlich gerade die Minsker Opposition für einen großen Fehler. Putin liebe Lukaschenko nicht, meint Tichanowskaja-Sprecherin Anna Krasulina zum Schweizer Fernsehen SRF. Es sei ein großer Fehler des Kreml gewesen, dennoch auf den Langzeitpräsidenten zu setzen. Die Demonstranten in Minsk seien keine Befehlsempfänger des Westens. Hätte Putin das verstanden, wäre die Situation in vieler Hinsicht bereits anders. Ob diese Erkenntnis noch verspätet im russischen Machtzentrum ankommt, ist aktuell offen. Sicher ist, dass die dortige Politik natürlich mit ihren Fachleuten, die hier schon anders denken, in ständiger Verbindung ist. Ob sie auch auf ihre Belarus-Ratschläge hören, muss sich erst noch zeigen.

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Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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