Lukaschenko auf der Siegesstraße?

Belarus Straßenproteste in Minsk und dem übrigen Weißrussland erlahmen, Lukaschenko reist zum Gipfel mit Putin – hat er den innenpolitischen Kampf mit der Opposition gewonnen?

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Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin
Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin

Foto: Mikhail Metzel/AFP via Getty Images

Am Montag treffen sich in Sotschi zwei Langzeitpräsidenten: Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin. Während der belarussische Machthaber beim letzten Gipfel dieser Art noch unter starker Bedrängnis stand, scheint er seine Position nun wieder gefestigt zu haben. Auf Dauer?

Oppositionelle sind müde und ängstlich

Die exilierte Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja musste es nun in einer Schweizer Zeitung zugeben, dass die Minsker Opposition die Straße verloren habe – auch durch die harte Reaktion der Sicherheitskräfte. Wie auch in vielen Zeitungen in Russland berichtet wurde, spricht sie gegenüber Le Temps von „müden“ und ängstlichen Landsleuten vor Ort. Man müsse sich nun neu organisieren und versuchen, im Frühling den Massenprotest auf der Straße fortzusetzen. Tatsächlich kam es im Land an diesem Wochenende nur noch zu ganz vereinzelten kleineren Aktionen in Minsk und Warschau, wo einige vor der Verhaftung geflohene weißrussische Oppositionelle mittlerweile leben. Der belarussische Politologe Alexej Dzermant spricht in einem Kommentar des Portals Newsinform von einer Depression in der Opposition.

Das Erlahmen der Protestbewegung kommt für Lukaschenko zur rechten Zeit – ist er doch soeben nach Sotschi aufgebrochen, um sich dort mit seinem russischen Kollegen Putin zu treffen. Diesem wäre es eigentlich auch lieber gewesen, wenn Lukaschenko auf einem „geordneten Weg“ – also ohne dem Druck der Straße nachzugeben – für einen Führungswechsel und eine Nachfolge gesorgt hätte. Experten wie der Weißrusse Alexander Klaskouski rechnen auch damit, dass dieser aus Kremlsicht wünschenswerte Machttransit von Putin in Sotschi nochmals angesprochen wird.

Lukaschenko, der neue Russlandfreund

Lukaschenko reagiert mit russlandfreundlichen Tönen und spricht beispielsweise davon, dass über 70 Prozent der Weißrussen eine weitere Integration ihres Landes in die rudimentär existente russisch-belarussische Union unterstützen – obwohl Umfragen hier eher von einer abnehmenden Popularität eines solchen Weges in Belarus sprechen, weil Moskau eben Lukaschenko während der Krise weitgehend gegen die Opposition unterstützte. Auch sein Außenministerium beeilt sich, russischen Medien zu berichten, dass der Fortschritt der gemeinsamen Union zwischen Putin und Lukaschenko ein großes Thema sein wird. Vor der umstrittenen Präsidentenwahl hatte Lukaschenko beim Fortschreiben der Union stets gemauert – droht ihm doch ein Machtverlust durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die Unionsebene.

Kurzfristig wird Lukaschenkos prorussische Kehrtwende wohl aufgehen. Zu groß ist die Furcht des Kreml vor der – insbesondere in der Exilbewegung – aus russischer Sicht zunehmend prowestlich erscheinenden Opposition. Das Gespenst eines weiteren Euromaidan geht in Moskau um. Der auch aus Moskauer Sicht wünschenswerte Präsidentenwechsel sei ein riskantes Geschäft für den Kreml meint dazu die unabhängige Minsker Onlinezeitung tut.by. Denn natürlich wünscht man sich einen prorussischen Nachfolger – die entsprechende Bewegung sei in Weißrussland jedoch klein. So glauben verschiedene Beobachter, dass Lukaschenko in den nächsten Jahren nicht abtreten werde, sondern noch bis 2025 in Minsk das Ruder in der Hand halten wolle.

Der Konflikt ist nicht wirklich gelöst

Mittel- und langfristig sehen jedoch auch russische Experten Lukaschenkos Zukunft nicht so optimistisch. So schreibt der Politikwissenschaftler Dmitry Bolkunets in der Moskauer Zeitung Nesawisimaja Gaseta, dass sich nun der Niedergang Lukaschenkos nur länger hinziehen wird. Die politische Krise im Lande sei nicht gelöst. Das weißrussische Experiment, sowjetisches Erbe zu erhalten, sei gescheitert, für die nächsten Jahre habe Lukaschenko kein klares Entwicklungsprogramm. Die von ihm zu seiner Unterstützung kürzlich einberufene „Volksversammlung“ hätte eher wie eine Parodie auf die KPdSU-Kongresse der späten Sowjetzeit gewirkt.

So verwandelt sich der Frust vieler oppositionell gesinnter Belarussen eben nicht automatisch wieder in echte Begeisterung für den Langzeitpräsidenten. Ob die Depression anhält oder im Frühjahr einer neuen, oppositionellen Aufbruchstimmung weicht, wird wohl nicht nur vom Wetter in den nächsten Monaten abhängen, sondern mehr davon, wie die Minsker Regierung weiter innenpolitisch agiert. Wird sie die tiefe Spaltung der Weißrussen nicht überwinden können, kann sich an kleinen Anlässen ein großer neuer Protest schnell entzünden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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