Russische Sprache in der Bedrängnis

Osteuropa-Mittelasien Das Russische befindet sich in mehreren Staaten auf einem Rückzugsgefecht. Grund dafür ist jedoch keine fehlende Attaktivität, sondern repressive staatliche Maßnahmen.

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Sprachenkampf in der Ukraine

In der Ukraine wurde in dieser Woche die Verwendung der russischen Sprache im Dienstleistungssektor verboten - in einem Land wo ganze Regionen mehrheitlich von russischen Muttersprachlern bewohnt sind. Wer Service anders als ukrainischsprachig anbietet, muss mit einer hohen Geldbuße rechnen. Nur auf konkrete Nachfrage des Kunden darf der Service in eine andere Sprache wechseln. Vorher darf in allen Supermärkten, Tankstellen, Bibliotheken oder Apotheken die Dienstleistung nur auf Ukrainisch angeboten werden - egal ob die Kunden und Beschäftigten in bestimmten Regionen mehrheitlich Russisch sprechen.

Diese Maßnahme ist der aktuelle Schlusspunkt einer ganzen Reihe von Maßnahmen, mit der die Regierung in Kiew versucht, den Status und die Verbreitung des Russischen in ihrem Land zurückzudrängen. 2016 wurden beispielsweise zur Verdrängung des Russischen Mindestquoten für die Verwendung der ukrainischen Sprache in Rundfunk und TV verhängt, 2017 gab es ein Verbot der Verwendung anderer Sprachen als Ukrainisch in staatlichen Bildungseinrichtungen.

All diese Regelungen gingen so weit, dass 2019 sogar eine Delegation des sonst gegenüber Kiew freundlich gestimmten Europarats die Ukraine näher unter die Lupe nahm, ob hier nicht Rechte nationaler Minderheiten verletzt werden. Sie kam zu dem noch nett formulierten, aber kritischen Ergebnis, dass die Balance zwischen der Stärkung des Ukrainischen und dem Minderheitenschutz nicht mehr gewahrt ist. Die Regierung in Kiew rechtfertigte in diesem Zusammenhang ihre Maßnahmen mit einer nötigen „Bekämpfung russischer Aggression“ oder wie es Ex-Präsident Poroschenko einmal ausdrückte mit der nötigen Befreiung von einer „kulturellen Besetzung“ der Ukraine durch Russland.

Prowestliche Regierungen bekämpfen das Russische

Die Repressionen in der Ukraine sind nicht der einzige Abwehrkampf, den russische Muttersprachler in Staaten auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion führen müssen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR begannen vor allem prowestlich orientierte Staaten schnell damit, das Russische als Symbol der ungeliebten Vergangenheit unter Sowjetherrschaft mit Methoden zurückzudrängen, die westlichen Standards von Minderheitenschutz in keiner Weise genügen. Sie setzen das bis heute fort.

Etwa im Baltikum. Beispielsweise in Lettland, mit über einem Drittel russischer Muttersprachler, wurden erst 2018 gesetzliche Regelungen verabschiedet, die ausschließlich Lettisch an weiterführenden Schulen als Unterrichtssprache zuließen, sowie Lehrveranstaltungen in anderen Sprache an privaten Universitäten untersagte. Auch diese Maßnahme war vor allem gegen das Russische gerichtet. Über ein Drittel der Lehrveranstaltungen an diesen Hochschulen fand davor auf Russisch statt, weil an staatlichen Unis Lettisch bereits sein den 90er Jahren außerhalb des Fremdsprachenbereichs verpflichtend die einzige Unterrichtssprache war.

Ähnliche Maßnahmen gab es 2012 bereits an Schulen in Georgien, die vor allem damit gerechtfertigt wurden, dass auch Georgier in Russland nicht die Möglichkeit des Schulbesuchs in der eigenen Muttersprache haben.

Beginnende Konflikte in Mittelasien

Neu in den letzten Jahren ist, dass sich die russische Sprache auch in mehreren mittelasiatischen Staaten auf einem Rückzugsgefecht befindet. Gründe dafür sind zum einen die Auswanderung vieler dort bisher lebender ethnischer Russen in das eigene Land. Aber teilweise gibt es ebenfalls staatliche Maßnahmen gegen den Willen der eigenen Bevölkerung. So machte im September 2020 die Republik Turkmenistan Schlagzeilen, sie wolle russischsprachige Schulen, die im Land recht verbreitet sind, abschaffen.

Diese alteingesessene russischsprachigen Schulen konkurrieren mit neuen in turkmenischer Sprache. Die turkmenischen Klassen waren teilweise nur halbvoll, da viele turkmenische Eltern glauben, ihre Kinder würden an den russischen Schulen eine bessere Bildung erhalten. Zusätzlich ist anzumerken, dass in Turkmenistan ebenso wie in anderen Nachfolgestaaten der UdSSR nicht nur ethnische Russen, sondern auch viele Weißrussen, Ukrainer und andere russische Muttersprachler sind.

Als Konsequenz prüfte die Regierung die schrittweise komplette Liquidierung der russischen Schulen, erste Schließungen und Elternproteste folgten. Im Land sind auch Russischlehrer knapp, die für vergleichsweise viel Geld Privatunterricht erteilen können. Denn Russland ist ein beliebtes Ziel für turkmenische Arbeitsmigranten. Eine mögliche Zukunft ist, dass russischsprachige Schulen auf privater Basis für die Eltern kostenpflichtig organisiert werden müssen.

Auch im benachbarten Kirgistan schlug mit Satiren Toraliew ein Mitglied des dortigen Verfassungsrates im November 2020 vor, der russischen Sprache den dort bisher gewährten offiziellen Status einer Amtssprache zu entziehen. Durchsetzen konnte er sich damit noch nicht. Der neugewählte Präsident Japarow benötigt einen guten Draht nach Moskau und erklärte vor einigen Tagen Moskauer Medien, das Russische werde doch den Status einer Amtssprache behalten.

Wie kann man einen Bedeutungsverlust der Sprache verhindern?

Gerade dem politischen Einfluss Russlands in der Region ist es zu verdanken, dass es in anderen mittelasiatischen Staaten wie Tadschikistan oder Usbekistan noch keine solchen Bestrebungen gibt, die schon in konkreten Maßnahmen mündeten. Dieser Einfluss befindet sich in dieser Region jedoch in wachsender Konkurrenz, etwa mit dem mächtigen Nachbarn China oder der Türkei, die die ethnische Verwandtschaft mit dort lebenden Turkvölkern wie den Usbeken oder Aserbaidschaner aktiv nutzt, um Einfluss zu gewinnen.

Bekämpfen lässt sich ein möglicher Bedeutungsverlust des Russischen aber generell wohl weniger durch politischen Druck Moskaus, sondern eher die Vermittlung der Vorteile, die Russischkenntnisse angesichts über 160 Millionen Muttersprachler bringen. Auch im Internet ist Russisch noch vor Deutsch, Französisch oder Chinesisch die am meisten verbreitete Sprache. Erschwert wird aber eine mögliche Darstellung der Attraktivität des Russischen beim Spracherwerb durch das schlechte politische Verhältnis, das etwa zwischen westlichen Staaten und Russland besteht.

Repressionen gegen den Gebrauch der Sprache zu verhindern, ist dennoch nicht nur eine Aufgabe für Moskau, sondern ebenso von Staatenbündnissen wie der EU, die sich generellen Minderheitenschutz gerne auf ihre Fahne schreiben. Bei der russischen Sprache versagen sie jedoch bei ihren Mitgliedern und Verbündeten in Osteuropa weitgehend. Ideologische Scheuklappen darf es aber beim Minderheitenschutz nicht geben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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