Die AfD in der Impfstofffabrik

Russland Die AfD ist wieder zu Besuch in Moskau. Was der Kreml damit bezwecken will, ist für die dortige Presse klar – aber was bringt der Besuch den deutschen Rechten?

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Bei ihrer Russlandreise im vergangenen Jahr trafen hochrangige AfD-Politiker auf führende russische Regierungspersönlichkeiten, wie hier Außenminister Sergei Lawrow (l.) auf Tino Chrupalla
Bei ihrer Russlandreise im vergangenen Jahr trafen hochrangige AfD-Politiker auf führende russische Regierungspersönlichkeiten, wie hier Außenminister Sergei Lawrow (l.) auf Tino Chrupalla

Foto: Itar-Tass/IMAGO

Die AfD ist erneut in Moskau, dieses Mal unter Führung der prominenten Politikerin Alice Weidel. Nicht nur deutsche Medien beobachten diese Reise genau, da es schon beim ersten Besuch einer Delegation der Partei auffällig war, von wie vielen hochrangigen Vertretern der russischen Politik sie in der dortigen Hauptstadt empfangen wurde – bis hin zu Außenminister Lawrow, der sonst oppositionelle Parlamentarier aus anderen Staaten selten selbst empfängt.

Wiederholtes Signal nach Berlin

Die nichtstaatliche russische Presse ist sich weitgehend einig über die Motivation der eigenen Regierung hinter dem Treffen. Mit der Aufwertung der AfD soll ein Signal in Richtung Bundesregierung angesichts des praktisch eingefrorenen Dialogs mit dieser gesendet werden – oder angesichts der, wie es die Moskauer Nesawissimaja Gaseta ausdrückt, „aktuellen Enttäuschung über den außenpolitischen Kurs des offiziellen Berlin“. Weiter gilt die AfD auch in Russland inzwischen als sehr kremlfreundlich – oder, wie es auch hier die Nesawissimaja ausdrückt: Sie kritisiert als einzige größere Kraft in der deutschen Politik nicht das Vorgehen des Kreml gegen die russische Opposition, etwa die Verhaftung von Demonstranten.

Dagegen sind die Beweggründe der rechten deutschen Partei für ihre Moskaureisen in Pandemiezeiten nun in russischen Medien mehr Grund für eine Diskussion. Die renommierte Zeitung Kommersant glaubt hier, dass die AfD, unter den Verdacht des Rechtsextremismus geraten, mit der Parlamentarierreise versucht, ihr ramponiertes Ansehen im eigenen Land wieder aufzupolieren. Man könne in Moskau den Druck, der zu Hause auf der AfD lastet, „für eine Weile vergessen“. Tatsächlich ist das AfD-Ziel einer Verbesserung des Verhältnisses zu Russland in der deutschen Bevölkerung weiter sehr populär, so dass die russischen Analysten hier gar nicht so falsch liegen könnten.

Von Vertretern anderer Parteien wird dieses Thema kaum besetzt. Unter Umständen gerät man bei Vorstößen in dieser Richtung in den Verdacht der Kremlnähe – ein Vorwurf, welcher der AfD offensichtlich egal ist. Die harten Vorwürfe gegen die Partei in Bezug auf Rechtsradikalimus sind in Russland bekannt und werden angesichts der eigenen Erfahrungen mit dem deutschen Nationalsozialismus genau verfolgt. So erinnert auch Kommersant im Beitrag über den AfD-Besuch daran, dass die Mehrheit der Deutschen die Partei als rechtsextrem betrachtet.

Die Impfstoff-Besichtigung

Aus deutscher Sicht ist es eher verwunderlich, dass die Parlamentarier einer Partei, die sonst eher für eine Nähe zur Impfkritik und „Querdenkern“ bekannt ist, in Russland neben dem Außenministerium und der Staatsduma ausgerechnet eine Produktionsanlage für den russischen Impfstoff Sputnik V besuchen. Die Nesawissimaja Gaseta vermutet als Hintergrund die aktuellen Probleme in Deutschland, Impfstoffe für die eigene Bevölkerung bereitzustellen. Diese seien von Entscheidungen der Bundesregierung über einen einheitlichen EU-Ansatz zur Beschaffung verstärkt worden, da dieser die Beschaffung etwa von russischem Impfstoff erschwert habe. Daraus versucht die AfD nun Kapital zu schlagen.

Weniger verwunderlich ist es, dass die deutschen Rechten im Rahmen ihres Besuchs laut der Zeitung Eurasia Daily mit Vertretern von Wladimir Wolfowitsch Schirinowskis LDPR zusammentreffen – der Partei also, die in der russischen Wählerschaft das populistische Reservoir bedient. DIe LDPR gilt als zahm gegenüber dem Kreml, was die Kooperation mit der AfD erleichtern dürfte.

Dass der AfD der Moskau-Besuch viel bringen wird, daran gibt es in Russland Zweifel. Wenn die Anschuldigungen im Bezug auf Rechtsextremismus sich weiter verstärken, könnte das aktuelle Wahljahr in Deutschland ein schwerer Schlag für die Partei werden, schreibt dazu Kommersant ganz direkt. Sollte sich das bewahrheiten, wird es aus Moskauer Sicht fraglich, ob das Signal, dass man mit solchen Kontakten sendet, in den deutsch-russischen Beziehungen nicht mehr Schaden verursacht, als es der russischen Position Vorteile bringt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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