Das Jahr ist keine zwei Wochen alt und es herrscht schon ein neuer „kriegsähnlicher Zustand“. Die Rede ist nicht vom Jemen oder Afghanistan, sondern von Googles Ankündigung, Chinas Zensurauflagen nicht länger zu akzeptieren. Auslöser sollen dem amerikanischen Internetdienstleister zufolge „Hacker-Attacken“ von chinesischen Rechnern auf Google-Mailaccounts von Regimekritikern und auf Systeme von über zwanzig weiteren Firmen aus Chemie, Medien und Technologie gewesen sein. Sollte Google sich nicht mehr den Zensurvorschriften Chinas unterwerfen, muss der Konzern damit rechnen, dass ihm der Markt von 1,3 Milliarden Kunden wegfällt.
Im Netz löste die Meldung eine Flut von Spekulationen, Jubelrufen und Widersprüchen aus. Von Kulturka
nen, Jubelrufen und Widersprüchen aus. Von Kulturkampf und Krieg ist die Rede. „Die Gedanken der Aufklärung gegen eine Doktrin der Oligarchenzensur“ beschreibt der Blogger bubon auf süddeutsche.de die monumentale Auseinandersetzung. Lob erhielt der Konzern besonders für seinen Einsatz für die Menschenrechte. Bitbuerster bescheinigte auf heise.de, dass Google, indem es „diesem menschenverachtenden Regime die Stirn bietet, einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt“ geleistet habe. Der Chinese Pmin hofft, dass Google weiter in seinem Land bleibt. Grund dafür sei, laut dem auf guardian.co.uk bloggenden Charnwoodclimber, dass gerade Studenten leiden würden, die nach Informationen jenseits von Pornographie und politischem Widerstand suchen. Diesen Freiheitsverlust nimmt SADA jedoch in Kauf, denn dank Google sei das „Thema 'Zensur in China' nochmal in die Öffentlichkeit getragen worden". Damit schloss er sich KaiB an, der in Google ein Unternehmen sieht, dass „Größe beweist und wirtschaftliche Interessen unterordnet“.Exitstrategie: MeinungsfreiheitWirtschaft stellt allerdings für viele Blogger den entscheidenden Grund für diese Ankündigung dar. Prinzip bezweifelt, dass Zensur der Beweggrund ist, aus China abzuziehen, sondern glaubt, dass es sich um eine „Businessentscheidung“ handele. Auch PuppetMaster hält nichts von „der Exitstrategie: Meinungsfreiheit“. Hinter der „fadenscheinigen Ausrede“ verbirgt sich viel eher, dass Google in China „kein Bein auf den Boden“ bekommen hat. Laut metacortexx würden mit diesem Schachzug Googles Konkurrenten Microsoft und Yahoo unter Druck gesetzt werden. Sollten diese in China bleiben, würde es ihrem internationalen Ansehen enorm schaden. Der Einsatz für die Pressefreiheit wird zwar von Ratsberg begrüßt, allerdings stelle sich die Frage, ob dies auch geschehen wäre, wenn der Konzern dort die Marktführerschaft hätte aufgeben müssen. Noch 2006, als Google nach China expandierte, waren Zensurauflagen weniger relevant. Vielleicht bestand damals noch die Hoffnung, Baidu, Googles größten Konkurrent in Fernost, bald abzuhängen, hinterfragt der Blogger auf heise.de.Ob Zensur oder wirtschaftliche Faktoren eine Rolle spielen, für die Blogger ist jedoch klar, dass Google sich mit der Ankündigung einen großen Dienst geleistet hat. Mcclain62 sieht dahinter jedenfalls „gutes Marketing“. Er bezweifelt, dass die Menschenrechtsaktivisten so naiv waren, über Googlemail zu kommunizieren und wundert sich über den Zwist. Eigentlich müssten sich beide Seiten gut verstehen, hätten sie doch als gemeinsames Ziel den „gläsernen überwachten Menschen“. Sollte sich Google jedoch gegen China durchsetzen, würde es den Wert als erste zensurfreie Suchmaschine enorm steigern, glaubt mspr0.de. Miami_device vertritt sogar die Meinung, dass nach zahlreichen kritischen Artikeln über Google, das Unternehmen mit der Bekanntmachung ihr negatives Image als „Datenkrake“ polieren will. Nachdem sich der Trubel gelegt hat, werde es doch zu einem Einverständnis kommen. „Denn auf die Kohle und den Einfluss will man doch nicht wirklich verzichten“, vermutet der Blogger.Mit spekulativen Zukunftsszenarien steht Miami_device nicht allein da. Mspr0 rechnet damit, dass Google bald auch in anderen Ländern Regulierungsansprüche ignorieren wird. Damit sei die staatliche Souveränität endgültig angekratzt und es gäbe „eine neue strategische Großmacht auf der Welt“. Google wird Staaten stürzen können, so der Blogger. A.Nonymous befürchtet, dass der Widerstand von Großkonzernen gegen Regierungen auch in Deutschland bald zu Zensurbestrebungen führen wird. Ein erster Schritt könnte sein, dass Google den Gesichtsfilter in seinem Programm Streetview aufhebt, beschreibt hoschi123 seine Vision. Deutschlands Datenschutzbeauftragte würden eine Zensur Googles fordern. Als Konsequenz würde ein Firmensprecher den Rückzug aus Deutschland ankündigen, und die Diskussion im Internet würde wieder von vorn anfangen.