1968: Skeptische Brüder

Zeitgeschichte Der „Prager Frühling“ setzt auf Reformen und schreckt die Bruderparteien der KPČ. Sie sehen den Sozialismus akut bedroht. Ein gemeinsamer Brief soll Prag umstimmen
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 16/2018
Dubček (l.) arbeitete ab 1970 in der Forstverwaltung Bratislava
Dubček (l.) arbeitete ab 1970 in der Forstverwaltung Bratislava

Foto: Bettmann/Getty Images

Wenn vor fünf Jahrzehnten Demokratiebewegungen nicht nur die westliche Welt aufrüttelten, sondern mit dem „Prager Frühling“ auch den Ostblock, lag das nicht zuletzt daran, dass die Integrationskraft der beiden Hegemonialmächte an Grenzen stieß. Die USA verloren im Vietnamkrieg an militärischem Terrain und moralischem Kredit. Die Sowjetunion musste akzeptieren, dass im sozialistischen Weltsystem nicht nur Jugoslawien und China ausscherten, sondern auch Rumänien nicht mehr gehorchen wollte.

Dass sich auch in der ČSSR der Wille zu mehr Eigenständigkeit regte, schien überfällig. Das Land hatte sowohl demokratische als auch linke Traditionen – warum sollten sie nicht endlich einmal praktisch miteinander verbunden werden? Di