Die Effizienz der französischen Anti-Terror-Missionen „Barkhane“ und „Takuba“ in Mali war rückläufig, die Präsenz der Soldaten im Land nicht mehr erwünscht. „Takuba“ wurde Ende Juni abgezogen, und die letzten Soldaten von „Barkhane“ sollen noch vor Ende des Sommers Mali verlassen. Es rief erhebliche Beunruhigung in vielen westlichen Staaten hervor, dass die malische Militärregierung seit Anfang des Jahres russische Unterstützung ins Land geholt hatte – darunter wohl auch die private Söldnertruppe Wagner. Die Forces Armées Maliennes (FAM) führen mittlerweile auch gemeinsam mit russischen Militärs Anti-Terror-Operationen durch. Dass westliche Medien bei diesen Einsätzen Menschenr
Deutschland zieht aus Mali ab: Ende einer Ära
Mali Deutschland und Frankreich reduzieren ihre Truppen in Mali – und übersehen dabei, dass neue Partner längst bereitstehen

In Mali ist Russland immer stärker präsent
Foto: Florent Vergnes/AFP/Getty Images
enrechtsverletzungen beklagen, die bei den mit ihrer Hilfe durchgeführten Operationen angeblich nicht vorkamen, verweist auf einen Konfliktkern, der kaum öffentlich diskutiert wird. Ob extralegale bewaffnete islamische Kräfte als Terroristen oder – wie etwa tschetschenische Islamisten – als Freiheitskämpfer gelten, war und ist Auslegungssache. Zumal solche Gruppen, wie beispielsweise die Taliban, auch Richtungswechsel vollziehen können.Zwischen der malischen Militärregierung und den Franzosen gab es grundlegende Meinungsverschiedenheiten darüber, gegen welche Gruppen wie vorzugehen sei – eine eminent wichtige Frage, weil es hier nicht nur um Militärstrategie geht. Der Antiterrorkampf kann nur gelingen, wenn der Staat zugleich bei den Menschen, die unter die Herrschaft solcher Gruppen geraten sind, Versöhnungsstrategien startet, die deren materielle Situation nachhaltig verbessern.Umzug zum Nachbarn NigerDie malische Militärregierung hatte nicht vor, die Franzosen auszuweisen, sondern verkündete, die externe Unterstützung weiter „diversifizieren“ zu wollen. Vor allem beanspruchte sie mehr Souveränität bei den Entscheidungen darüber, wie der Antiterrorkampf geführt werden sollte. Dass sie die Kontrolle des Luftraums übernehmen wollte und Flüge der französischen Luftstreitkräfte plötzlich genehmigt werden mussten, war für die Entscheidung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, seine Truppen zurückzuziehen, letztlich wohl bedeutsamer als die Präsenz russischer Militärs in Mali. Denn um diesen das große afrikanische Land nicht ganz zu überlassen, beschlossen die an der Mission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali (MINUSMA) und der European Union Training Mission (EUTM) beteiligten Länder – einschließlich Deutschlands – zunächst einmal, in Mali die Stellung zu halten. Zwar wird das Camp Gecko, wo die Bundeswehr malische Truppen ausbildete, gerade „rückgebaut“, um – wie ein Teil der französischen Truppen – ins Nachbarland Niger verlegt zu werden. Aber Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vereinbarte im April mit Interimspräsident General Assimi Goïta, dass in der malischen Hauptstadt Bamako ein Bundeswehr-Büro für strategische Zusammenarbeit bestehen bleiben soll. Noch erstaunlicher ist, dass der Deutsche Bundestag am 20. Mai die Aufstockung des deutschen Anteils an MINUSMA von 1.200 auf 1.400 Soldaten und Soldatinnen beschloss. Aber ausgerechnet wegen einer für den 12. August zugesagten, schließlich aber doch nicht erteilten Überfluggenehmigung für einen dringend erforderlichen Truppenaustausch setzte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) den deutschen Einsatz aus. Eine knappe Woche später konnte der Truppenaustausch dann doch stattfinden.Der Grund dafür, dass der Luftraum über Mali besonders strenger Überwachung bedurfte, fand in europäischen Medien kaum Widerhall. Am 10. August informierte die malische Übergangsregierung darüber, dass drei Tage zuvor ein Stützpunkt der FAM in Tessit, im Dreiländereck zwischen Mali, Burkina Faso und Niger, Ziel einer „komplexen und koordinierten Attacke bewaffneter terroristischer Gruppen“ war, die offenbar dem Islamischen Staat angehörten. Die Angreifer hätten Drohnen, Sprengstoff, Autobomben und Artillerie eingesetzt und die FAM hätten „unerlaubte Überflüge von Luftfahrzeugen“ registriert. Zweifellos hätten die Terroristen „höchste Unterstützung, einschließlich logistischer Expertisen von externen Kräften“ erhalten. Gleichzeitig sei es in der südmalischen Stadt Koutiala ebenfalls zu einem dschihadistischen Angriff gekommen. Bei heftigen Kämpfen, bei denen die Luftstreitkräfte der FAM eingriffen hätten, seien 37 Terroristen und „auf der eigenen Seite“ 42 Menschen getötet worden, darunter 17 Soldaten. Neun Soldaten gelten als vermisst.Ungeklärt bleibt, welche „externen Kräfte“ die Truppen des Islamischen Staates mit offensichtlich hochmodernen Waffensystemen und Spionage-Instrumenten unterstützt haben. Dass die westlichen Verbündeten nur ihre eigenen Missionen, nicht aber die malische Armee mit ausreichend modernen Waffensystemen ausgerüstet haben, war einer der wesentlichen Streitpunkte, die schließlich zu wachsendem Misstrauen führten.In diese Lücke ist Russland gestoßen, das nicht nur militärisches Personal nach Mali schickt, sondern den FAM auch moderne militärische Ausrüstung zur Verfügung stellt: eine beträchtliche Anzahl Jagd- und Transportflugzeuge sowie Helikopter und Radaranlagen. Darüber hinaus erhält das Land auch dringend benötigte Lebensmittellieferungen aus Russland. Zwar hat sich das Klima zwischen der malischen Regierung und der UNO-Mission MINUSMA ebenfalls eingetrübt, aber so isoliert wie von hiesigen Medien behauptet ist das Land keineswegs. Der größte Erfolg der malischen Regierung war die am 3. Juli erfolgte Aufhebung aller ökonomischen und finanziellen Sanktionen, die die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS auf westlichen Druck hin am 9. Januar verhängt hatte. Daraufhin konnte Wirtschaftsminister Alousséni Sanou die Begleichung von umgerechnet 132 Millionen Dollar an Schulden, Zins und Zinseszins melden, womit die Voraussetzung für die Aufnahme neuer Kredite geschaffen wurde.Hilfe aus dem NordenEinen wichtigen Verbündeten hat Mali auch in seinem nördlichen Nachbarn Algerien. Außenminister Ramtane Lamamra hat angesichts der sich häufenden schweren terroristischen Angriffe in Mali zu einer „kollektiven Antwort Afrikas“ aufgerufen, an der sich die internationale Gemeinschaft ebenfalls beteiligen müsse. Algier hat bereits in den vergangenen Jahren Versöhnungsprozesse zwischen malischen Bevölkerungsgruppen vermittelt, bei denen auch die eigenen Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg in den 1990er Jahren eine wichtige Rolle spielen. So hat die malische Interimsregierung nach einem der regelmäßigen Treffen der Teilnehmer des 2015 geschlossenen Vertrags von Algier am 5. August beschlossen, 26.000 islamistische Ex-Kombattanten bis Ende 2024 in die eigenen Ordnungskräfte zu integrieren. Auch Marschall Chalifa Haftar hat in den von ihm kontrollierten Teilen Libyens im Osten mit diesem vor allem sozial notwendigen und auch wirksamen Instrument den Dschihadismus unter Kontrolle gebracht.Wenn einige Medien in Mali die Beziehungen zu Algerien als nicht ganz durchsichtig bezeichnen, zielt das auf die heikle Lage, in der sich das Nachbarland bezüglich der Tuareg befindet, also der Volksgruppe, die große Regionen beidseits der Grenze bevölkert. Algier leistet den malischen Tuareg schon seit Jahrzehnten materielle Unterstützung. Wären diese Hilfen unterbrochen worden, als sich malische Tuareg 2011 mit Dschihadisten verbündeten, um für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen, hätten womöglich auch algerische Sezessionisten Zulauf bekommen. Der Vertrag von Algier hatte auch hier Versöhnungsprozesse eingeleitet, die die nationale Einheit Malis vorläufig sichern konnten.