Die dritte Kraft

Libyen Die zwei mächtigsten Konfliktparteien einigen sich auf Wahlen – und holen Islamisten mit ins Boot
Ausgabe 47/2018
Der libysche Offizier Chalifa Haftar bei einer Militärparade
Der libysche Offizier Chalifa Haftar bei einer Militärparade

Foto: Abdullah Doma/AFP/Getty Images

Erst gab es Ende Oktober Sondierungen in Berlin, dann am 13. November eine Libyen-Konferenz in Palermo. Zweimal bot sich damit für Fayiz as-Sarradsch, den Chef der vom Westen unterstützten provisorischen Regierung, die Gelegenheit, inoffiziell mit Marschall Khalifa Haftar zu sprechen, der die Macht im östlichen und mittleren Libyen hält. Ob die zwischen ihnen für Frühjahr 2019 ausgehandelten Wahlen tatsächlich stattfinden, ist angesichts der prekären Sicherheitslage indes unklar. Immerhin wollen beide Konfliktparteien das Ergebnis eines solchen Votums – sollte es zustande kommen – respektieren. Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi vor sieben Jahren ging kein Agreement zwischen den rivalisierenden Lagern je so weit. Immerhin soll bis zum Wahltermin in Tripolis nicht mehr die Regierung as-Sarradsch, sondern eine Team von Fachleuten das Sagen haben – unter fragwürdigen Bedingungen allerdings.

Die algerische Zeitung El Watan hat von einer sicheren, aber auf ihrer Anonymität bestehenden Quelle erfahren, dass sich zumindest ein Teil der in Tripolis neu gegründeten Einheiten von Armee und Polizei aus einstigen islamistischen Milizen rekrutiert. Demnach werde der International Airport durch die Miliz Abu Slim kontrolliert, umbenannt in „Staffel 301“. Das Gleiche gelte für den Sitz der Gesellschaft für Auslandsinvestitionen, die nun von der in Polizeiuniformen gesteckten Miliz Nawassi überwacht wird. Es ist nicht ungewöhnlich, nach einem Bürgerkrieg, extralegale Kämpfer in legale Ordnungskräfte zu übernehmen, wie es nach dem Ende der Apartheid mit den in Simbabwe stationierten Kämpfern des südafrikanischen ANC geschah. Auch in Algerien wurden nach dem Bürgerkrieg (1991 – 1999) islamistische Kombattanten zu Ordnungskräften, was an die Rehabilitierung des Einzelnen wie eine strenge Kontrolle durch die Armee gebunden war. Freilich sind in Libyen alle Parteien weit davon entfernt, ihren Ordnungskräften vertrauen zu können, die sich stets von Neuem gegenseitig bekämpfen.

Auch Marschall Haftar hat in Ost- und Zentralsyrien Islamisten angeboten, in seine Libysche Nationalarmee einzutreten, sofern sie sich an einer Militärakademie umschulen lassen. Haftar, der einst an der Seite Gaddafis stand, als der 1969 die Monarchie stürzte, dann General wurde und etwa auch im Tschad kämpfte, ist eine schillernde Figur. Ab 1987 arbeitete er mit der CIA zusammen, wurde US-Bürger, beteiligte sich 2011 am Putsch gegen Gaddafi und war kurze Zeit Oberbefehlshaber der Armee. Offenbar verlor er diesen Posten, als er Milizen des Islamischen Staates (IS) den Kampf ansagte. Auf sich allein gestellt, formierte der ewige Krieger dann aber eine Streitmacht, die heute Bengasi und ein zweites provisorisches Parlament in Tobruk beherrscht. Seit 2016 hält sich Haftar an Russland, das er mehrfach zu Konsultationen besuchte. Jedoch ergreifen für ihn auch Ägypten und einige Golfstaaten Partei. Während die bisherige Regierung in Tripolis ganz offiziell eingeräumt hat, militärischen Beistand der USA zu erhalten, sind die Sympathisanten Haftars nur diplomatisch aktiv.

Längst ist die Schlacht um Libyen so internationalisiert wie der Krieg um Syrien. Während es sich bei Letzterem eher um einen strategischen Territorialkonflikt im Blick auf Iran handelt, geht es in Libyen vorzugsweise um dessen erhebliche Ölreserven, was die globalpolitischen Risiken erhöht. Darüber hinaus gilt: Sowohl das Gebiet der Administration in Tripolis als auch das von Haftar kontrollierte Terrain werden oft von Attentaten heimgesucht, die der IS verübt. Ende Oktober erst wurden in der Region Al-Jofra von einem in mehreren Fahrzeugen angerückten IS-Trupp fünf Zivilisten enthauptet. Haftars Armee gelang es nicht, das Kommando zu fassen – es verschwand in der Sahara.

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