Es gibt nicht viele Schriftsteller, die weltweit so populär sind wie Salman Rushdie. Und so kann es nicht überraschen, dass der Anschlag auf sein Leben während eines Vortrags in den USA ein weltweites Echo gefunden hat. 1988 publizierte Rushdie seinen Roman Die satanischen Verse, 1989 folgte die satanische Fatwa des iranischen Staatsführers Ajatollah Chomeini. Es ist Rushdies Personenschutz zu verdanken und zudem einer gehörigen Portion Glück, dass ihm auch nach der freiwilligen Aufgabe allen Schutzes der Fluch Chomeinis lange nichts anhaben konnte.
Weniger Glück und viel weniger Aufmerksamkeit hatten dagegen Menschen, die sich für die Verbreitung seines Werks engagierten. Auf etliche seiner Übersetzer wurden Anschläge verübt, sein japanischer Übersetzer Hitoshi Igarashi wurde erstochen, sein norwegischer Verleger angeschossen. Und bei den von der Fatwa weltweit ausgelösten Anti-Rushdie-Demonstrationen kamen weitere Menschen ums Leben.
Die Haltbarkeit einer Fatwa hängt von der Autorität ihres Verkünders ab. Insofern war klar, dass Chomeinis Fatwa unaufhebbar bleibt – ein Mordaufruf, der erst mit dem Lebensende des Autors gegenstandslos werden kann. Dass Rushdie der ständigen Bedrohung auch mit Ironie und Satire begegnete, kann zu seiner permanenten Gefährdung beigetragen haben.
Irans Regierung ließ wissen, sie habe nichts mit dem Attentat zu tun, der 24-jährige Täter sei allein verantwortlich. Das ist eine mehr als peinliche Haltung, denn schließlich sieht sich die Regierung in Chomeinis Nachfolge. Und sie hat auch nicht verhindert, dass das Kopfgeld auf Rushdie, ursprünglich eine Million Dollar, von religiösen Assoziationen mittlerweile auf vier Millionen erhöht wurde.
Jeder Imam oder Mufti kann Fatwas erlassen, und sie betreffen alle Lebensbereiche. Fatwas können sich widersprechen. Falls daraus ein praktisches Dilemma folgt, muss mithilfe anderer Religionsgelehrter eine korrigierende Fatwa erarbeitet werden. Schiiten folgen nicht den Fatwas von Sunniten und umgekehrt. Die höchsten religiösen Autoritäten der Sunniten, insbesondere an der Azhar-Universität in Kairo, aber auch in Saudi-Arabien, verurteilten Chomeinis Fatwa, weil ein Todesurteil nur durch ein islamisches Gerichtsverfahren zustande kommen könne.
Das hat indessen nicht verhindert, dass die Fatwa des schiitischen Ajatollah auf indirektem Wege auch in der sunnitischen Welt zu zahlreichen Intellektuellenmorden geführt hat. Ab 1993 starben im algerischen Bürgerkrieg Hunderte Journalisten, Wissenschaftler, Künstler, Ärzte, weil sie angeblich – wie Rushdie – gegen die Würde des Islam und seines Propheten verstoßen hatten. Anders als in Rushdies Fall ging diesen Morden tatsächlich ein Urteil voraus, das selbst ernannte islamische Volksgerichte fällten, die sich als Paralleljustiz zur offiziellen, als „verwestlicht“ betrachteten Rechtsprechung etablierten. Der damals im deutschen Exil lebende Funktionär der Islamischen Heilsfront Rabah Kebir verteidigte diese Gerichte, weil dem Verurteilten eine warnende Aufforderung zugeschickt werde, sich den Gesetzen des Islam erneut zu unterwerfen, womit das Urteil nichtig werde.
Solche Briefe wurden tatsächlich verschickt. Dass viele Adressaten dennoch weiterarbeiteten, zeigt, dass nicht nur Rushdie die Herausforderung zum Kampf um die Demokratisierung der islamischen Nationen unbeirrt angenommen hat.
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