Harmonie auf der Halbinsel

Saudi-Arabien/Katar Die Versöhnung der arabischen Dynastien am Golf ist eine Momentaufnahme. Sie muss nicht von Dauer sein
Ausgabe 02/2021
Der saudische Kronprinz (Mitte rechts) empfängt den Emir von Katar (Mitte links), 5. Januar 2021
Der saudische Kronprinz (Mitte rechts) empfängt den Emir von Katar (Mitte links), 5. Januar 2021

Foto: Fayez Nureldine/AFP/Getty Images

Scheich Tamim bin Hamad al-Thani ist vorerst keine suspekte Figur mehr, sein Emirat Katar darf in die Familie der Golfdynastien zurückkehren. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain sind auf Versöhnung bedacht und heben die seit Juni 2017 verhängte Blockade der Land-, Luft- und Wasserwege nach Katar wieder auf. Das kleine Land, das dank seines Ölreichtums über das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt verfügt, war ausgerechnet von Riad des Terrorismus angeklagt worden. Um diese Zeit kam es in Syrien und Libyen, im Irak sowie in Nordmali zwischen den von Katar finanzierten Gruppen einerseits und den von Saudi-Arabien wie den Emiraten alimentierten Kombattanten andererseits häufig zu blutigen Zusammenstößen. Da Katar auch die ägyptischen Muslimbrüder schätzt, schloss sich Kairo dem Boykott ebenfalls an. Oman und Kuwait erklärten ihre Neutralität.

Dass ein sunnitischer Staat wie Katar viele Arbeitsmigranten aus schiitischen Ländern beschäftigte und gemeinsam mit dem Iran Erdgasfelder im Golf ausbeutete, passte ebenfalls nicht in die saudische Strategie, immer offener einen Krieg gegen Teheran anzusteuern. Für diesen Fall sollte Katar in die antiiranische Front eingereiht sein. Um das zu erzwingen, wurden die Strafmaßnahmen verhängt, freilich ohne den gewünschten Erfolg. Zwar musste das Emirat seinen Handel durch in Teheran teuer erkaufte Überflugrechte sichern und den Import von Gütern des täglichen Bedarfs stark einschränken, doch führte das zu einem bis dahin kaum denkbaren Boom der eigenen Industrieproduktion und Landwirtschaft sowie zu einem gesteigerten Nationalbewusstsein. Eingeführte technische Ausrüstungen konnten durch einheimische Ingenieure in kürzester Zeit angepasst und optimiert werden. Mittlerweile möchten die Katarer auf das eigene frische Gemüse und Geflügel nicht mehr verzichten, zumal die Produkte billiger als die einst importierten Lebensmittel sind.

Donald Trump hatte sich 2017 den Terrorismusvorwürfen aus Riad angeschlossen, ließ an Katar aber weiter US-Waffen verkaufen. Das erschien von seiner Warte her nicht unlogisch, schließlich liegt das Nahost-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Katar. Dass von dort aus auch ein militärisches Vorgehen gegen den Iran koordiniert werden müsste, erklärt das amerikanische Interesse, den innersunnitischen Zwist der Golfstaaten einzudämmen. Ohnehin erwies sich die Blockade Katars zusehends als Störfaktor. Dass Donald Trump noch im Dezember seinen Schwiegersohn Jared Kushner mit dem Auftrag auf die Arabische Halbinsel schickte, für ein Ende der Fehde zu sorgen, war Teil der Strategie, beim Finale seiner Amtszeit nochmals außenpolitische Tatkraft zu beweisen und Bewegung in einen erstarrten Konflikt zu bringen. Vielleicht ging einem selbstherrlichen Präsidenten sogar die Option durch den Kopf, dass sich seine Regierungszeit durch einen Militärschlag gegen den Iran krönen lasse. Oppositionsführerin Nancy Pelosi, als Sprecherin des Repräsentantenhauses dritthöchste politische Amtsperson der USA, hat jüngst Kontakt mit der Armeeführung aufgenommen, um zu erreichen, dass ein diesbezüglicher Befehl des Präsidenten nicht mehr befolgt wird.

Joe Biden hat versprochen, für eine friedliche Perspektive im Nahen Osten zu sorgen. Er will die von Trump stark forcierten Waffenverkäufe an Saudi-Arabien drosseln und das Atomabkommen mit dem Iran nicht vollends abschreiben. Besonders die Europäer müssten an einer Deeskalation am Golf interessiert sein. Ein neuer Großbrand im Nahen Osten hätte auch für sie sehr ernste Folgen, nicht zuletzt einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen.

Sind die Staaten am Golf wirklich versöhnt? Und wird Katar seine Beziehungen zum Iran ganz aufgeben? Auf den noch längst nicht beruhigten Kriegsschauplätzen im Nahen Osten und in Nordafrika sind die Rivalitäten mit dem saudischen Königreich und den Vereinigten Emiraten mitnichten ausgestanden. In Libyen stehen Letztere, zusammen mit Ägypten, hinter der von Feldmarschall Khalifa Haftar gestützten Regierung in Tobruk. Die Katarer hingegen halten es wie die Türken weiter mit der provisorischen Regierung in Tripolis. In all diesen Konflikten spiegelt sich die scharfe Frontlinie zwischen dem wahhabitisch-salafistischen Islam und den Glaubenslehren der Muslimbrüder, die in der sunnitischen Welt um die Führungsrolle ringen. Die Beendigung des Boykotts gegen Katar empfahl sich im Übrigen auch deshalb, weil dort Ende nächsten Jahres die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen werden soll.

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