Hegemoniale Fehde

Eskalation IS-Filialen gibt es inzwischen auch in Nordafrika. Besonders Libyen mit seinen anarchischen Verhältnissen nach dem Gaddafi-Sturz ist davon betroffen
Ausgabe 08/2015
Ein koptische Christin aus Ägypten trauert um ihre getöteten Verwandten
Ein koptische Christin aus Ägypten trauert um ihre getöteten Verwandten

Foto: Mohamed El-Shahed/AFP/Getty Images

Seit geraumer Zeit beschränkt sich die öffentliche Darstellung des im Chaos versunkenen Libyen auf die Feststellung, das Land sei in Einflusszonen von vorwiegend fundamentalistischen Milizen zerfallen – der Westen erkenne aber nur jene Regierung an, die in Tobruk (Cyrenaika) Asyl gefunden habe.

Bis zu welchem Grad diese Regierung handlungsfähig ist, bleibt unklar. Mit einem Video von der Hinrichtung 21 ägyptischer Christen an einem libyschen Mittelmeerstrand machte nun ein Ableger des Islamischen Staates (IS) vor Tagen deutlich, dass auch in diesem nordafrikanischen Land künftig ein Kalifat zu gnadenlosem terroristischen Handeln bereit ist. Die getöteten Kopten gehörten zu Tausenden zu ägyptischen Gastarbeitern, die seit Jahrzehnten im bevölkerungsarmen Libyen Beschäftigung fanden, ohne wegen ihrer Religion angefeindet zu werden. Nach dem entscheidend von der NATO ausgelösten Sturz Muammar al-Gaddafis im Jahr 2011 waren diese Ägypter unter beschämenden Umständen entlassen worden und oft erst nach monatelanger Odyssee nach Hause gelangt. Seit sowohl die Regierung in Tobruk als auch die Milizen wieder Erdöl fördern und verkaufen, sind erneut ägyptische Arbeiter nach Libyen geströmt – nun aber traf sie tödlicher Hass.

„Verlässlicher Partner“

Ägypten begnügte sich nicht mit einer siebentägigen Staatstrauer. Präsident Abd al-Fattah Al Sisi, zugleich Oberbefehlshaber der Armee, schickte sofort ein Bombergeschwader, das Stellungen des IS in Libyen angriff. Dass zugleich Kampfjets der Vereinigten Arabischen Emirate islamistische Bastionen bei Tripolis bombardiert haben, deutet darauf hin, dass einige Golfstaaten im Verbund mit Ägypten versuchen, einer vorrangig von Katar gelenkten Destabilisierung Libyens Einhalt zu gebieten. Es zeichnet sich eine hegemoniale Fehde zwischen gemäßigten und beinharten Golfregimes um Libyen ab.

Dabei ist der Westen offenbar nur Zuschauer. Auch wenn er den Regime-Change und die folgende Erosion des libyschen Staates durch sein militärisches Eingreifen von 2011 maßgeblich zu verantworten hat, gibt man den Unbeteiligten. Was allerdings die Bundesregierung nicht daran hinderte, Katars Prinz Tamim bin Hamad al Thani am 17. September 2014 in Berlin mit allen Ehren als „verlässlichen Partner“ zu empfangen.

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