Raketen auf Abu Dhabi

Jemen Die Huthi haben mit den Arabischen Emiraten einen Alliierten von Saudi-Arabien im Visier. Die Koaltion reagiert auf die Angriffe mit harten Gegenschlägen
Ausgabe 05/2022
Jemenitischer Mann in Trümmern: Mitte Januar hatte eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition Luftschläge auf Gebiete durchgeführt, die von den Huthi-Rebellen kontrolliert werden
Jemenitischer Mann in Trümmern: Mitte Januar hatte eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition Luftschläge auf Gebiete durchgeführt, die von den Huthi-Rebellen kontrolliert werden

Foto: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Der seit 2015 wütende Krieg zwischen einer von Saudi-Arabien geführten Koalition, zu der heute nur noch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zählen, und den nordjemenitischen Huthi schafft es kaum je in die Schlagzeilen – am 17. und 18. Januar freilich schon. An beiden Tagen trafen ballistische Raketen und Drohnen aus dem Jemen in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Emirate, den internationalen Flughafen und setzten andernorts Gebäude in Brand. Es gab drei Tote und sechs Verletzte. Angegriffen wurde sogar die 32 Kilometer weiter südlich gelegene Militärbasis Al-Dhafra, auf der US-Kampfjets stationiert sind. Im Anschluss daran forderten in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa die dort herrschenden Huthi die Mitarbeiter ausländischer Investoren – darunter 800 deutsche Firmen – in Abu Dhabi auf, das Land zu verlassen.

Derartige Operationen würden sich wiederholen, solange die Emirate an der Seite Riads stehen. Wie ernst das zu nehmen war, zeigte sich daran, dass außer den VAE auch die USA, Großbritannien und Frankreich gegen die Angriffe protestierten und sogar Israel befürchtete, man müsse künftig wohl mit Huthi-Angriffen auf die am Roten Meer gelegene Hafenstadt Eilat rechnen. In letzter Zeit attackierten die Huthi neben Dubai in den Emiraten zudem die Region Dschasan in Saudi-Arabien, wo zwei Menschen zu Tode kamen.

Es konnte kaum verwundern, dass die Koalition sofort zurückschlug. Noch am 18. Januar flog die saudische Luftwaffe zwei Angriffe gegen Sanaa, die eine Krankenstation besonders schwer trafen. Angaben über die Opfer schwanken zwischen 20 und 60 Personen. Am 21. Januar dann verursachte ein Bombardement in der Huthi-Hochburg Saada mehr als hundert Tote. Wie es unter diesen Umständen um das Kräfteverhältnis steht, lässt sich aus einer Bestandsaufnahme der Vereinten Nationen ersehen. Danach flog die saudische Militärallianz seit Jahresbeginn etwa 800 Angriffe gegen Stellungen der Huthi, während diese insgesamt zehn Mal außerhalb des Jemen aktiv wurden. Im Land selbst liefern sie sich mit den Truppen des von den Saudis unterstützten Ex-Präsidenten Mansur El-Hadi einen schon Jahre dauernden erbitterten Stellungskrieg um die Stadt Marib, in deren Nähe für die Ökonomie des Landes wichtige Ölfelder und andere Bodenschätze liegen.

Hauptwaffe Hunger

Dass die Huthi Abu Dhabi ins Visier nehmen, hat noch einen speziellen Hintergrund. Sie reagieren auf die aus radikalen Salafisten rekrutierten Söldner, die von den Emiraten als Hilfstruppe für El-Hadi in den Jemen geschickt wurden. Die Formation nennt sich „Brigade der Riesen“ und konnte die Huthi aus einigen Stellungen zurückdrängen. Hauptwaffe der Koalition gegen den größtenteils von den Huthi kontrollierten Jemen bleibt indes der Hunger. Praktisch bedeutet dies, das Land von dringend benötigten internationalen Hilfslieferungen abzuschneiden.

So blockierten saudische Bombardements im zurückliegenden Jahr monatelang den am Roten Meer liegenden Hafen Hudeida, über den die meisten humanitären Güter ins Innere des Jemen gelangen. Durch Angriffe auf den Airport von Sanaa konnte noch im Dezember der Versand von Hilfsgütern für Wochen unterbrochen werden. Ob die ankommen oder nicht – davon hängt das Leben von 20 Millionen Menschen ab. Seit Ausbruch der Kämpfe starben 227.000 Jemeniten durch den Mangel an Nahrung, Trinkwasser und Medikamenten, viele wurden Opfer von Epidemien. Vier Millionen Menschen irren als Binnenflüchtlinge ziellos umher.

Der Krieg um den Jemen gilt als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und seinen Verbündeten einerseits und dem Iran andererseits, der den einer schiitischen Untergruppe angehörenden Huthi logistisch ähnlich beisteht wie der libanesischen Hisbollah. Dass Teheran und Riad mittlerweile wieder miteinander sprechen, der Iran seine Mission bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Dschidda wiedereröffnen kann und Kronprinz Mohammed bin Salman sich öffentlich gute, gar „besondere“ Beziehungen zum „Nachbarland Iran“ wünscht, hat noch keinerlei Auswirkungen auf den Jemen. Anders als im Falle Libyens fehlt jedwede internationale Vermittlung.

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