Der seit 2015 wütende Krieg zwischen einer von Saudi-Arabien geführten Koalition, zu der heute nur noch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zählen, und den nordjemenitischen Huthi schafft es kaum je in die Schlagzeilen – am 17. und 18. Januar freilich schon. An beiden Tagen trafen ballistische Raketen und Drohnen aus dem Jemen in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Emirate, den internationalen Flughafen und setzten andernorts Gebäude in Brand. Es gab drei Tote und sechs Verletzte. Angegriffen wurde sogar die 32 Kilometer weiter südlich gelegene Militärbasis Al-Dhafra, auf der US-Kampfjets stationiert sind. Im Anschluss daran forderten in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa die dort herrschenden Huthi die Mitarbeiter ausländischer Investoren – darunter 800 deutsche Firmen – in Abu Dhabi auf, das Land zu verlassen.
Derartige Operationen würden sich wiederholen, solange die Emirate an der Seite Riads stehen. Wie ernst das zu nehmen war, zeigte sich daran, dass außer den VAE auch die USA, Großbritannien und Frankreich gegen die Angriffe protestierten und sogar Israel befürchtete, man müsse künftig wohl mit Huthi-Angriffen auf die am Roten Meer gelegene Hafenstadt Eilat rechnen. In letzter Zeit attackierten die Huthi neben Dubai in den Emiraten zudem die Region Dschasan in Saudi-Arabien, wo zwei Menschen zu Tode kamen.
Es konnte kaum verwundern, dass die Koalition sofort zurückschlug. Noch am 18. Januar flog die saudische Luftwaffe zwei Angriffe gegen Sanaa, die eine Krankenstation besonders schwer trafen. Angaben über die Opfer schwanken zwischen 20 und 60 Personen. Am 21. Januar dann verursachte ein Bombardement in der Huthi-Hochburg Saada mehr als hundert Tote. Wie es unter diesen Umständen um das Kräfteverhältnis steht, lässt sich aus einer Bestandsaufnahme der Vereinten Nationen ersehen. Danach flog die saudische Militärallianz seit Jahresbeginn etwa 800 Angriffe gegen Stellungen der Huthi, während diese insgesamt zehn Mal außerhalb des Jemen aktiv wurden. Im Land selbst liefern sie sich mit den Truppen des von den Saudis unterstützten Ex-Präsidenten Mansur El-Hadi einen schon Jahre dauernden erbitterten Stellungskrieg um die Stadt Marib, in deren Nähe für die Ökonomie des Landes wichtige Ölfelder und andere Bodenschätze liegen.
Hauptwaffe Hunger
Dass die Huthi Abu Dhabi ins Visier nehmen, hat noch einen speziellen Hintergrund. Sie reagieren auf die aus radikalen Salafisten rekrutierten Söldner, die von den Emiraten als Hilfstruppe für El-Hadi in den Jemen geschickt wurden. Die Formation nennt sich „Brigade der Riesen“ und konnte die Huthi aus einigen Stellungen zurückdrängen. Hauptwaffe der Koalition gegen den größtenteils von den Huthi kontrollierten Jemen bleibt indes der Hunger. Praktisch bedeutet dies, das Land von dringend benötigten internationalen Hilfslieferungen abzuschneiden.
So blockierten saudische Bombardements im zurückliegenden Jahr monatelang den am Roten Meer liegenden Hafen Hudeida, über den die meisten humanitären Güter ins Innere des Jemen gelangen. Durch Angriffe auf den Airport von Sanaa konnte noch im Dezember der Versand von Hilfsgütern für Wochen unterbrochen werden. Ob die ankommen oder nicht – davon hängt das Leben von 20 Millionen Menschen ab. Seit Ausbruch der Kämpfe starben 227.000 Jemeniten durch den Mangel an Nahrung, Trinkwasser und Medikamenten, viele wurden Opfer von Epidemien. Vier Millionen Menschen irren als Binnenflüchtlinge ziellos umher.
Der Krieg um den Jemen gilt als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und seinen Verbündeten einerseits und dem Iran andererseits, der den einer schiitischen Untergruppe angehörenden Huthi logistisch ähnlich beisteht wie der libanesischen Hisbollah. Dass Teheran und Riad mittlerweile wieder miteinander sprechen, der Iran seine Mission bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Dschidda wiedereröffnen kann und Kronprinz Mohammed bin Salman sich öffentlich gute, gar „besondere“ Beziehungen zum „Nachbarland Iran“ wünscht, hat noch keinerlei Auswirkungen auf den Jemen. Anders als im Falle Libyens fehlt jedwede internationale Vermittlung.
Kommentare 8
Dass der Freitag sich auch mal dem Jemenkrieg widmet und darüber berichtet, finde ich sehr begrüssenswert.
Ergänzend zum Artikel stellt sich die Frage, wie Deutschland in den Krieg involviert ist. Da muss man an erster Stelle die Waffenlieferungen bis 2018 an Saudi-Arabien nennen. Noch 2018 betrugen sie 418 Millionen Euro. Danach beschloss die CDU-SPD Koalition auf Drängen der SPD zwar einen Stopp (Exportverbot in Kriegsgebiete), der sich allerdings nur auf Saudi-Arabien und nicht die anderen arabischen Länder der gemeinsamen Jemen-Kriegskoalition miteinbezieht.
Saudi-Arabien selbst hat einen wahnwitzig hohen Rüstungsetat, mit 8,4 % vom pro Kopf BIP am höchsten der gesamten Welt (noch deutlich vor Israel) und steht in absoluten Zahlen mit seinem Militäretat von 57 Milliarden Dollar an 4. Stelle der Welt, direkt nach Großbrittanien und noch vor Deutschland.
Inbezug auf die militärische Ausrüstung handelt es sich deswegen um einen assymmetrischen Krieg mit einer gewaltigen Überlegenheit Saudi-Arabiens. Das Leiden der Zivilbevölkerung ist unvorstellbar und es handelt sich um einen riesigen Skandal, dass die USA Saudi-Arabien nicht zur Einstellung der Kriegshandlungen, einem Waffenstillstand und Friedensschluss zwingen.
"Danach beschloss die CDU-SPD Koalition auf Drängen der SPD zwar einen Stopp (Exportverbot in Kriegsgebiete), der sich allerdings nur auf Saudi-Arabien und nicht die anderen arabischen Länder der gemeinsamen Jemen-Kriegskoalition miteinbezieht."
An Ägypten wurden z.B. 2021 über 4 Milliarden Rüstungsgüter von Deutschland geliefert, obwohl das Land zur Kriegskoalition mit Saudi-Arabien gehört.
Volle Zustimmung. Danke für die Ergänzungen.
Es ist wirklich eine Schande, dass es hier fast nie jemanden interessiert, was unsere "Verbündeten" dort treiben - und wie fürchterlich die Menschen im Jemen leiden.
In der Tat. Und es läßt sich wieder einiges lernen über Krieg und Militär. Den Huthi gelingt mit dem Angriff auf eine Militärbasis ein militärischer "Erfolg" und der überlegenen saudischen Luftwaffe fällt nichts anderes ein, als die restliche zivile Infrastruktur - viel ist ja nicht mehr da - zu bombardieren. Und ihre maßgebliche Waffe ist die Hungerblockade gegen die Bevölkerung. Was bedeutet, dass den saudischen Militärs außer einer verbrecherischen Kriegführung gegen Zivilisten wirklich keine adäquate militärische Antwort einfällt.
Frau Kebir, abwarten, dann besucht Frau Ministerin Baerbock ( Grüne ) mit Helm, Schussweste und Mundschutz das geschundene Jemen und erzählt den Menschen was von Deutscher und anderer Doppelmoral!
Frage, ist eigentlich die Sonnenblume noch das Logo der Grünen oder wurde eine 122 mm Haubitze als Blütenblatt eingefügt?
>>Was bedeutet, dass den saudischen Militärs außer einer verbrecherischen Kriegführung gegen Zivilisten wirklich keine adäquate militärische Antwort einfällt.<<
Töten und Zerstören ist nun mal die Kernkompetenz des Miltiärs, das lässt sich durchgehend von der römischen Legion bis heute sagen.
Deswegen ist eine globale Entmilitarisierung alternativlos, auch wenn es ein langer & steiniger Weg dorthin ist.
Praktisch volle Zustimmung zu Artikel und (bisherigen) Posts. Leider, wie ich sagen muss...
Was ich u.a. an den Artikeln von Frau Sabine Kebir schätze, ist, dass sie zur weiteren Informationssammlung am Thema anregen:
Zum Beispiel:
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Bau eines Luftwaffenstützpunktes, und bei wem?
https://apnews.com/article/mysterious-air-base-volcanic-island-yemen-c8cb2018c07bb5b63e1a43ff706b007b
Mysterious air base being built on volcanic island off Yemen
Obwohl die Vereinigten Arabischen Emirate 2019 angekündigt hatten, den Jemen zu räumen und alle ihre Truppen abzuziehen, behielt die arabische Nation ihre Präsenz für strategische Ziele bei. Berichte vom Mai 2021 enthüllten, dass die Emirate einen mysteriösen Luftwaffenstützpunkt auf der jemenitischen Insel Mayun in der Bab el-Mandeb-Straße errichteten. Satellitenbilder zeigten, dass die Bauarbeiten zum Bau einer 1,85 km langen Landebahn zusammen mit drei Hangars auf der Insel am 18. Mai 2021 abgeschlossen wurden. Militärbeamte der jemenitischen Regierung sagten, dass die VAE militärische Ausrüstung, Waffen und Truppen durch Schiffe zur Insel Mayun. Die Insel galt als strategischer Standort für jeden, der sie kontrolliert, und bot Energie für Operationen im Golf von Aden, im Roten Meer und in Ostafrika sowie für das einfache Starten von Luftangriffen auf das jemenitische Festland.
https://www.aljazeera.com/news/2021/5/25/yemen-mysterious-airbase-gets-built-on-mayun-island
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Wie kommt Munition von deutschem Rüstungshersteller in den Yemen?
https://www.rheinmetall-defence.com/en/rheinmetall_defence/company/divisions_and_subsidiaries/rwm_italia/index.php
Am 3. März 2021 ordnete ein Gericht in Rom eine Verlängerung der Ermittlungen um sechs Monate wegen der Behauptung an, Saudi-Arabien habe bei einem Bombenanschlag im Oktober 2016, bei dem eine sechsköpfige Familie Ahdal getötet wurde, italienische Waffen eingesetzt. Der Export italienischer Waffen nach Saudi-Arabien hat sich zwischen 2014 und 2016 unter dem damaligen Premierminister Matteo Renzi dramatisch ausgeweitet. Der italienische Senator wurde für seine zunehmenden Beziehungen zu Riad, wo er an einem Investitionsforum teilnahm und sogar den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman interviewte, scharf kritisiert. Die Untersuchung der italienischen Beteiligung wurde eingeleitet, da die Fragmente der Bombe mit RWM Italia in Verbindung gebracht wurden, einer Einheit des deutschen Rüstungsherstellers Rheinmetall AG. Auch gegen die italienische Exportbehörde Unit for the Authorizations of Armament Materials (UAMA) wurde ermittelt.
https://www.theguardian.com/world/2021/mar/03/italian-judge-extends-inquiry-into-yemen-deaths
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Welche Interessen hat die UK?
https://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/saudi-arabia-s-bombing-of-yemeni-farmland-is-a-disgraceful-breach-of-the-geneva-conventions-a7376576.html
Saudi-Arabien „zielt bewusst auf die Farmen und die Agrarindustrie des verarmten Jemen ab“
Tatsächlich gibt es deutliche Beweise dafür, dass die Saudis und ihre „Koalitions“-Verbündeten – und ich nehme an, diese schrecklichen britischen „Berater“ – absichtlich auf den winzigen Agrarsektor des Jemen in einer Kampagne abzielen, die, wenn sie erfolgreich wäre, eine Post- Krieg die jemenitische Nation nicht nur in den Hungertod, sondern in die totale Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten zum Überleben. Vieles davon käme sicher aus den Golfstaaten, die das arme Land derzeit in Stücke bombardieren.
https://www.theguardian.com/world/2020/apr/25/uk-arms-trade-repressive-regimes