Macht des Faktischen

Palästina Die Versuche einer Versöhnung zwischen Fatah und Hamas sind zahlreich und bisher stets gescheitert. Hat der jüngste Anlauf Aussicht auf Erfolg?
Ausgabe 38/2017
Entscheidend wird sein, ob sich nach freien Wahlen sämtliche Milizen in Gaza der Autonomiebehörde unterstellen
Entscheidend wird sein, ob sich nach freien Wahlen sämtliche Milizen in Gaza der Autonomiebehörde unterstellen

Foto: Said Khatib/AFP/Getty Images

Seit die säkulare Palästinenserpartei Fatah 2007 nach einem blutigen Konflikt mit Hamas-Milizen ihre Präsenz im Gazastreifen aufgeben musste, betreibt die Hamas dort eine eigene Verwaltung. Immer wieder gab es seither gescheiterte Versuche, sich zu versöhnen. Sie blieben ohne Ertrag. Insofern ist abzuwarten, ob der jetzige Hamas-Vorschlag in substanzielle Verhandlungen mündet. Immerhin wurde der Fatah angeboten, freie Wahlen in allen Palästinensergebieten abzuhalten und die Autorität der seit 2007 nur noch die Westbank kontrollierenden Autonomiebehörde auch in Gaza zu respektieren.

Diese Administration wird – wegen ausgebliebener Wahlen – seit 2009 ohne Legitimation geführt. Dennoch kann Mahmud Abbas international als Präsident der Palästinenser agieren und Erfolge vorweisen. Die Anerkennung eines Staates Palästina durch zahlreiche Länder gehört ebenso dazu wie die Unterzeichnung des Römischen Statuts, wonach die Palästinenser den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) anerkennen. Dem hat die Hamas zugestimmt, solange Den Haag auch bei Klagen gegen Israel wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt. Überdies traf Abbas inzwischen mehrfach mit Präsident Trump zusammen, der verkündet hat, er wolle neue Wege finden, die zum Frieden zwischen Palästinensern und Israelis führen. Dass tatsächlich etwas in Bewegung gekommen ist, lässt sich ebenso dem der Öffentlichkeit kaum bekannten Fakt entnehmen, dass sich die Hamas im Mai bei Trumps Besuchen in Tel Aviv und Bethlehem zur Anerkennung Israels bereit erklärte, sofern es zu einem Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 käme – den vor dem Sechs-Tage-Krieg geltenden Demarkationslinien.

Den Hamas-Vorstoß erklärt auch diese Vorgeschichte. Was daraus wird, dürfte davon abhängen, ob sich die verfeindeten Palästinenserparteien darauf einigen, nach freien Wahlen sämtliche Milizen in Gaza der Autonomiebehörde zu unterstellen. Wie das gelingt, wird zeigen, ob die Hamas alle dort präsenten Kombattanten kontrolliert.

Um einen Modus Vivendi aushandeln zu können, übt Mahmud Abbas seit Monaten empfindlichen Druck aus. Im Mai ließ er der Gaza-Verwaltung letztmals das volle Gehalt auszahlen. Seit Juni werden die Subventionen für Strom gekürzt, mit dem Israel den Gazastreifen versorgt. Jetzt ist dort nur noch drei Stunden täglich Elektrizität verfügbar. Die ohnehin prekäre Lage der zwei Millionen Bewohner wird sich noch weiter verschlechtern, sollte der Geldgeber Katar seinen Beistand reduzieren oder unter saudischem Druck ganz aufgeben. Da ist es kein Zufall, wenn sich die Hamas zum Versöhnungsangebot durchringt und das kurz vor der UN-Vollversammlung unterbreitet, an der Mahmud Abbas teilnimmt.

Inwieweit Präsident Trump dies goutiert, bleibt offen. Vermutlich wird er Rücksicht auf Israel nehmen, dem das Zerwürfnis zwischen der angeblich „gemäßigten“ Fatah und der pauschal als „Terrororganisation“ bezeichneten Hamas recht war. Willkommener als eine innerpalästinensische Verständigung wäre Tel Aviv jedoch eine stärkere Anbindung des Gazastreifens an Ägypten, zu dem das Gebiet bis 1967 gehörte. Nur will sich Kairo bestenfalls als Vermittler exponieren und hat für den Fall eines palästinensischen Familienfriedens einen großzügigeren Grenzverkehr angekündigt, was die Lage der Menschen im Gazastreifen sehr erleichtern würde.

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