Mit Bedacht teilen

Nordirak Aus Rücksicht auf die Türkei drängt Washington die kurdischen Autoritäten, das für den 25. September anberaumte Referendum über die Unabhängigkeit zu verschieben
Ausgabe 33/2017
Die Flagge für einen kurdischen Staat gäbe es schon
Die Flagge für einen kurdischen Staat gäbe es schon

Foto: Safin Hamed/AFP/Getty Images

Teilen und herrschen, das war bereits ein Regierungsprinzip des alten Kolonialismus, dessen Entscheidungen über Einflusszonen oft am Reißbrett fielen. Heute sind für Teilungspläne längere Zeiträume und ein energischeres Handeln betroffener Volksgruppen einzukalkulieren. Das kann bedeuten, manchmal einen Schritt zurückgehen zu müssen. So hat US-Außenminister Tillerson die Regierung der Region Kurdistan-Irak gebeten, das für den 25. September anberaumte Referendum über die Unabhängigkeit zu verschieben. Es sind widerstreitende Umstände der Abkehr vom irakischen Staat zu beachten.

Einen ersten wesentlichen Schritt zur Sezession gab es bereits 1992, als die USA ein Flugverbot über der Region durchsetzten, das der irakischen Luftwaffe galt. Seither konnte das unter Führung der Familie Barzani stehende nordirakische Kurdengebiet entschlossen in Richtung Unabhängigkeit marschieren. Dies stärkte patriotisches Selbstbewusstsein, zumal die Peschmerga als bewaffnete Miliz den Aktionsradius der Zentralmacht in Bagdad beschränkt haben. Und dann ist da noch die Türkei, die einen kurdischen Staat im Nordirak kategorisch ablehnt, sich aber mit dem Barzani-Clan so weit verständigt hat, dass es 2013 zum gemeinsamen Bau einer Pipeline kam, über die seit 2014 Erdöl in die Türkei und bis Europa fließt. Die Gewinne kommen – unter Umgehung Bagdads – der Regionalhauptstadt Erbil im Norden zugute. Das heißt, Ankara stärkt, was es eigentlich schwächen will. Da handelt die Exekutive in Bagdad stringenter, wenn sie inzwischen die Gehaltszahlungen an Staatsbeamte in der abtrünnigen Region eingestellt hat. Ein symbolischer Affront, kann sich Erbil doch längst als kurdische Kapitale fühlen, da wichtige Länder hier bereits diplomatische Missionen unterhalten, neben den USA auch Russland, China, der Iran. Deutschland, das die Peschmerga militärisch unterstützt, betreibt ein Generalkonsulat. Insofern kann man sich dem Eindruck kaum entziehen, dass eine Souveränität des Nordiraks unumkehrbar ist.

Wenn die USA das Votum vom 25. September dennoch verschieben wollen, dann der offenen Konflikte wegen. Man will die schwächelnde Zentralregierung in Bagdad nicht brüskieren. Die könnte sich noch enger an den Iran binden, als sie das ohnehin schon tut. Stattdessen soll der Irak auch künftig ein dem Westen verbundenes Gegengewicht zum Iran bilden. Schließlich hat der militärische Beistand, den die USA den Kurden im Kampf gegen den IS gewähren, die tiefe Verstimmung des NATO-Partners Türkei hervorgerufen, der den Nordirak nicht zu Unrecht als Rückzugsgebiet der PKK ansieht. Das Verhältnis der USA zu Ankara, das allein ein amerikanisches Exil für Fethullah Gülen auf harte Proben stellt, soll nicht kollabieren.

Das alles dürfte auch Präsident Masud Barzani und seinem Neffen, dem Premier Nêçîvan Barzani, klar sein. Doch sind beide mit dem Referendum darauf bedacht, die bisher umstrittene Grenzziehung der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak noch einmal zum Vorteil Erbils zu verändern.

Gegen einen vom Irak abgespaltenen Kurdenstaat ist ebenfalls die Regierung in Damaskus, die sich seit 2016 im eigenen Norden mit der autonomen Föderation Nordsyrien-Rojava auseinandersetzen muss. Wenn es auch zu der von Hillary Clinton geplanten Flugverbotszone nicht gekommen ist, gibt es an dieser Stelle gleichfalls erste diplomatische Vertretungen interessierter Staaten.

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