Das für Montag in Conakry geplante Qualifikationsspiel zwischen Marokko und Guinea für die Fußball-WM 2022 musste die FIFA aussetzen. Die auf der Halbinsel Kaloum in der Nähe des Präsidentenpalasts untergebrachte marokkanische Nationalmannschaft sah sich einen Tag zuvor durch stundenlanges, heftiges Geschützfeuer so gefährdet, dass sie froh war, von putschenden Militärs eine Sondererlaubnis für den Heimflug zu erhalten. Alle Bürger Guineas sahen sich hingegen mit geschlossenen Grenzen konfrontiert.
Die Macht im Lande hat Oberst Mamadi Doumbouya übernommen. Ein von ihm geleitetes „Komitee für Einheit und Entwicklung“ verspricht, man wolle dem trotz Rohstoffreichtums seit Jahrzehnten in Misswirtschaft und Gewaltexzessen erstickenden Land andere Aussichten als bisher eröffnen. Noch heute sind fast 60 Prozent der Bevölkerung Analphabeten. Ein mehrfacher Ausbruch von Ebola und die ineffiziente Abwehr von Covid-19 verweisen auf ein unterentwickeltes Gesundheitswesen. Der Putsch und die Festnahme des 83-jährigen Präsidenten Alpha Condé können insofern nicht überraschen. Die im verelendeten Umfeld von Conakry lebende Bevölkerung hat den erzwungenen Abgang lebhaft begrüßt. Man skandierte: „Condé ist der Folterer und Mörder unserer Jugend!“ Der seit 2011 regierende Politiker war zunächst tatsächlich ein Hoffnungsträger, hatte aber nichts verändern können oder wollen. Als er 2020 die Verfassung frisierte, um sich eine dritte Amtszeit zu genehmigen, starben bei Unruhen mehr als 200 Menschen.
Aber weder eklatante soziale Defizite noch missachtete Menschenrechte brachten die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen oder die EU dazu, die Wiederwahl Condés infrage zu stellen. Und ebendiese Organisationen protestieren nun gegen den Militärputsch? Wäre die bisherige Regierung nicht von einem Großteil der Bevölkerung Guineas als Diktatur empfunden worden, hätte Oberst Doumbouya schwerlich verkünden können, dass die „Politik künftig nicht mehr von einem Mann, sondern vom Volk“ ausgehen müsse. Ob das gelingt, sei dahingestellt. Besonders der ein formales Demokratiekonzept verteidigenden EU sollte es zu denken geben, wie sehr sich Putsche in Afrika in letzter Zeit häufen – man denke an Mali und den Tschad. Auf die Armee stützt sich auch der in der Bevölkerung beliebte tunesische Präsident Kais Saied. Den am 25. Juli für einen Monat verhängten Ausnahmezustand hat er jüngst verlängert.
Festzuhalten ist, dass internationaler Protest gegen einen Staatsstreich in der Regel nur kurze Zeit währt und Strafen – wenn überhaupt – nicht nach feststehenden Kriterien verhängt werden. Diese Praxis signalisiert vor allem eines: Das Konzept des Demokratieexports ohne wirtschaftliche Komponenten, die das Leben einer gesamten Bevölkerung erträglicher machen, ist keinesfalls nur am Hindukusch gescheitert. Nicht allein für Afghanistan, das eine Regierung haben wird, die mit westlichen Maßstäben kollidiert, sind grundlegende Konsequenzen zu ziehen. Sie sollten darin bestehen, dass diesem Land humanitäre Hilfe des Westens erhalten bleibt, die beispielsweise dem hungernden Syrien völlig versagt ist, soweit es sich um den Machtbereich der Regierung Assad handelt. Nicht nur wegen der Klimakrise, auch wegen einer globalen sozialen Notlage, die Länder wie Guinea erfasst, gehört die vom Westen dirigierte Weltökonomie auf den Prüfstand.
Kommentare 4
"Nicht nur wegen der Klimakrise, auch wegen einer globalen sozialen Notlage, die Länder wie Guinea erfasst, gehört die vom Westen dirigierte Weltökonomie auf den Prüfstand."
Dieser Satz beschreibt das Kernproblem.
Es sind die westlichen Industriestaaten, die Fehlentwicklungen in den Staaten der sogenannten 3. Welt nicht nur dulden, sondern indirekt fördern. Ihre Werkzeuge hierfür? Korrupte Herrscher des jeweiligen Landes stopfen sich unter den Augen ihrer westlichen "Partner" die Taschen voll, während eine übergroße Mehrheit ihrer Bevölkerung in Elend, Hunger und Unbildung gehalten wird. Sie garantieren den, an den Bodenschätzen des Landes interessierten Industriestaaten, eine Friedhofsruhe und schlagen Aufstände der notleidenden Bevölkerung mit aller Härte nieder.
Das jetzt wiederum ein Militärputsch den Obergauner entmachtet hat, garantiert natürlich keine Verbesserung und führt in aller Regel zur Inthronisierung des nächsten Gauners.
Die moralische Entrüstung des Westens ist Doppelmoral pur und wird bald der Vergangenheit angehören. Man braucht jetzt ein Agreement mit dem neuen Herrscher.
Was Sie und der Beitrag hier vorschlagen, ist Sozialismus, igittigitt. Da bewahre uns unser westlicher Gott mit den schönen Insignien $ und € davor. Unsere Politik ist aus einem Guß, nach Außen wie nach Innen, verläßlich, berechenbar, geradlinig. Wir wissen, was wir wollen und was wir tun. Was gut für uns ist.
Von wegen Doppelmoral, es ist unsere Moral, die Siegermoral der Fortschrittlichen, alle Affen sind eingeladen, von ihren Bäumen herabzusteigen und an den Segnungen unserer Ordnung teilzuhaben. Und manchmal müssen wir ein bißchen nachhelfen.
„Die Internationale Gemeinschaft hat Präsident Alpha Condé kritiklos regieren lassen.“
Wer ist denn das eigentlich, „die Internationale Gemeinschaft“? Etwa die der Angela Merkel, die das schreckliche Desaster von Afghanistan durch Fehleinschätzung verursacht hat? Oder ist es die „die Internationale Gemeinschaft“ von ca. 120 Nationen der sogenannten Völkergemeinschaft von 193 Staaten, die in einem langen „Bürgerkrieg“ Syrien kurz und klein geschlagen haben?
Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Den Begriff „Internationale Gemeinschaft“ auch für diese Thema zu bemühen, heißt, die Verantwortlichkeiten zu camouflieren.
„Besonders der ein formales Demokratiekonzept verteidigenden EU sollte es zu denken geben, wie …“
Das ist pure Indoktrination und Heiligsprechung. Der EU selbst fehlt die ausreichende demokratische Legitimation.
Ihre mangelhafte demokratische Verfasstheit ist ihr Kennzeichen.
Die EU hat weder ein eigenes Staatsgebiet, noch hat sie ein europäisches Staatsvolk, also einen Demokratie begründenden Volkssouverän, sondern nur die von den Mitgliedstaaten repräsentierten nationalen Staatsvölker.
Die Europäische Union ist ein Kartell der europäischenRegierungen zur Domestizierung ihrer Bevölkerungen im Dienste der monetären Machthaber.
»Obwohl das Europäische Parlament von den Bürgern der EU-Länder gewählt wird, werden die maßgeblichen Funktionäre in Absprache mit der Wirtschafts- und Finanzindustrie ernannt. Auf diese Weise verfügt keines der 28 Mitglieder der EU-Kommission, des höchsten und wichtigsten Exekutiv-Gremiums der EU, über die Legitimation durch die europäische Bevölkerung.
Die wichtigsten Entscheidungen der EU (u.a. auch die Verträge von Maastricht und Lissabon) wurden unter maßgeblicher Mitarbeit des "European Round Table of Industrialists" getroffen, einer Vereinigung von etwa 50 Führungskräften europäischer Großkonzerne. Alle wichtigen Finanzentscheidungen werden mit der Führungsspitze der Europäischen Zentralbank (EZB) abgesprochen. Weder die Mitglieder des Round Table, noch die der EZB müssen sich den Wählern gegenüber verantworten.«
…
Außerdem: Die Nationen der EU haben einen signifikanten Anteil an der kriegerischen Zerstörung von souveränen Staaten und an der millionenfachen Abschlachtung von Menschen.
Dieser Artikel ist heuchlerisch insofern, als auch er wieder Einmischung proklamiert statt Beachtung völkerrechtlicher Souveränität, Einmischung von einer imaginierten „Internationalen Gemeinschaft“, wobei auch die Autorin weiß, dass dieser Begriff eine obszön/bombastische Worthülse ist, wie sie Frau Merkel auch gerne verwendet.
Soll das ein geschmacklos-übertriebener Scherz sein, oder verwenden Sie hier ernsthaft rassistische Ausdrucksweisen, um Menschen aus afrikanischen Ländern als Affen zu titulieren?