Spirale der Gewalt

Mali Mit dem Anschlag hat al-Qaida gezeigt, dass mit ihr auch im Süden zu rechnen ist. Das spielt den Plänen von Ursula von der Leyen in die Karten
Ausgabe 48/2015

Nachdem der IS mit einem Anschlag auf ein russische Flugzeug, mit Bombenterror in Beirut und mit Parallelattentaten in Paris die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen hatte, wollte al-Qaida medienwirksam ebenfalls Terrorfähigkeit beweisen: Am 20. November konnte eine kleine Gruppe von höchstens sieben Kämpfern das Grand-Hotel Blue Radisson in Bamako stürmen und 170 Geiseln aus 15 Ländern unter ihre Gewalt bringen. Kombinierten Kräfte der malischen Armee und französischen Soldaten der UN-Mission MINUSMA gelang es, Etage für Etage zu befreien. Verhindert wurde nicht, dass 27 Menschen ihr Leben verloren und mindestens drei der Terroristen entkamen.

Das zu al-Qaida gehörende Sahara-Emirat (AQMI) und die Gruppe Al-Mourabitoun bekannten sich zu dem Anschlag und forderten „die Aggressionen gegen die Völker im Norden Malis zu beenden und die Gefangenen frei zu lassen“. Wie der IS im Nahen Osten setzt al-Qaida im Sahel nicht mehr nur auf die Karte des religiösen Fanatismus, der bei den lokalen Bevölkerungen nicht wirklich gut ankommt. Man präsentiert sich mehr und mehr als „antiimperialistische“ Kraft. Aus der Sicht von al-Qaida hatte man 2012 im Bündnis mit den Tuareg die malische Armee erfolgreich aus dem gesamten Norden vertrieben. Die Gründung eines Kalifat-Staates war nur durch das Eingreifen Frankreichs verhindert worden.

Anschläge in Serie

Mit dem Zugriff auf das Radisson hat al-Qaida gezeigt, dass die Organisation auch im Süden Malis und sogar in der Hauptstadt schlagfähig ist. Zumal es sich um den letzten einer fortlaufenden Serie von Anschlägen handelt, die freilich in Europa kaum registriert wurden. Seit Januar 2015 kamen bei mindestens sechs großen Attacken im ganzen Land zahlreiche Soldaten der malischen Armee und auch der MINUSMA um. Am 7. März gab es einen Anschlag auf eine Bar in Bamako, bei der auch europäische Zivilisten starben und am 7. August kam es zu einer Generalprobe für den Anschlag auf das Radisson: In Sévaré bei Mopti wurde das Hotel Byblos besetzt und 13 Menschen wurden getötet.

Obwohl die Anwesenheit von vor allem französischen Soldaten Mali nicht stabilisiert hat, nutzte François Hollande die Welle der Solidarität, die seinem Land nach den Attentaten vom 13. November zuteil wird, um die europäischen Verbündeten zu stärkerer Unterstützung der zahlreichen militärischen Engagements Frankreichs aufzurufen. Verteidigungsministerin von der Leyen wiederum nutzt die Gelegenheit, um die Zustimmung in Deutschland für die schon am 18. Oktober beschlossenen Verstärkung des eigenen Anteils an der französischen Mali-Mission zu erhöhen.

Wenig ist davon zu hören, dass es sich um einen besonders gefährlichen Einsatz handeln wird. Die Bundeswehr soll nunmehr nicht nur malische Soldaten im Süden trainieren, sondern auch der MINUSMA helfen, die Hauptverbindungswege vom Norden zum Süden zu sichern. Die MINUSMA aber wird nicht nur von al-Qaida, sondern auch von der Bevölkerung des Nordens als „imperialistischer“ Eindringling gesehen und hat dort nicht nur mit Steinwürfen zu rechnen.

Stets die gleiche Reaktion

Die Antwort der französischen Regierung auf Terrorismus innerhalb und außerhalb Frankreichs läuft wie immer im Wesentlichen auf Repression nach innen und außen hinaus. Dabei ist seit langem klar, dass die hohe Zahl und die Schwere der Attentate in Frankreich mit dem bisherigen Scheitern der sozialen Integration von Migranten zusammenhängt. Obwohl häufig beschworen, wurden die notwendigen Gegenstrategien nie wirksam in die Praxis umgesetzt. So züchtete man sich einen Block der Bevölkerung heran, der keine Loyalität zum französischen Staat empfindet.

Und wird sich das riesige und entsetzlich verarmte Mali allein durch die Sprache der Gewalt befrieden lassen? Hat diese nicht vor allem den Effekt, immer mehr Gewalt nach sich zu ziehen? Und besteht nicht die Gefahr, dass auch die Teile der Bevölkerung, die die MINUSMA-Mission begrüßen, sie bald als gewaltige Fehlinvestition wahrnehmen?

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