Nein, sie stammen nicht aus dem Westen, vielmehr haben sie Ägypten sogar zu seinem Namen verholfen – das pt kommt ursprünglich aus ihrem eigenen Namen. Und doch werden die Kopten in ihrer Heimat immer mehr als Trojanisches Pferd oder 5. Kolonne des Westens angesehen und von islamistischen Gruppen drangsaliert und getötet. Seit zwei Jahrzehnten werden aus Mittel- und Südägypten immer wieder Christenverfolgungen gemeldet. Mittlerweile finden sie auch im liberaleren Norden statt und erhalten sogar hin und wieder Unterstützung durch staatliche Organe. Beschuldigt, die Verbreitung der Schweinegrippe in Ägypten zu verursachen, mussten die Christen im vorigen Winter ihre Schweine zwangsschlachten, wodurch sich die meist bettelarme koptische Bevölkerung einer wichtigen Nahrungsmittelreserve beraubt sah.
Nun sind in der eigentlich doch so weltoffenenen Hafenstadt Alexandria 23 Menschen durch ein Selbstmordattentat umgekommen, als sie nach der Neujahrsmesse, an der über tausend Gläubige teilgenommen hatten, auf die Straße strömten. Dass es möglich war, einen 100 Kilogramm schweren Sprengsatz in einem Auto unweit der St.Markus- und Petri-Kirche zu zünden, deutet auf komplettes Versagen der Sicherheitskräfte. Versagt hat aber in Ägypten die gesamte politische Klasse, die sich am liebsten damit herausreden möchte, dass das Attentat einer internationalen Verschwörung, nämlich al Qaida, zuzuschreiben sei. Dass am folgenden Tag nicht nur in Alexandria, sondern auch in Kairo und anderen Städten Steine gegen Kirchen und die sie nun doch schützenden Polizisten geworfen wurden, zeigt indes, wie tief der Graben zwischen muslimischen und koptischen Ägyptern – die etwa zehn Prozent der Bevölkerung stellen – mittlerweile aufgerissen ist.
Das System von Staatspräsident Hosni Mubarak wusste sich in früheren Zeiten mit seinen Christen zu schmücken. Immerhin stammt Boutros Boutros Ghali, der zwischen 1992 und 1996 Generalsekretär der UNO war, aus einer koptischen Familie. Und es wurden durchaus Anstrengungen unternommen, um den gut ausgebildeten Teil der Kopten im Land zu halten. Aber dem stetig korrupter werdenden System gelingt es zunehmend schlechter, die demokratische Fassade aufrecht zu erhalten. Die herrschende Klasse leistet sich nicht nur eine katastrophale Innenpolitik. Weil sie finanziell vollends vom Westen abhängt, betreibt sie auch eine im eigenen Land extrem unpopuläre Nahost-Politik, insbesondere was den israelisch-palästinensischen Konflikt betrifft. Viele (muslimische) Menschen halten sich vor allem mit den Hilfsgeldern von islamistischen Organisationen über Wasser. In dieser Gemengelage drohen die Kopten unterzugehen. Der Terror gegen sie ist ein Zeichen der Schwäche Mubaraks. Kann der Westen den ägyptischen Christen helfen, wie es seine Kommentare suggerieren? Die Widersprüche, die Ägypten zerreißen, sind von uns mitverschuldet. Dass die Kriege, die wir gegen Muslime im Nahen und Mittleren Osten führen, die Christen dort in eine äußerst schwierige Lage bringen würden, war eigentlich vorhersehbar.
Dass wir wirklich helfen, indem wir nicht nur irakische, sondern demnächst auch ägyptische Christen als Flüchtlinge aufnehmen, ist eine Illusion. Je mehr gebildete Christen den Nahen Osten verlassen, um so schwieriger dürfte die Lage der zurückbleibenden werden.
Sabine Kebir schreibt im
Freitagvor allem über den Nahen und Mittleren Osten
Kommentare 13
Also, wenn ich das richtig verstanden habe, sind an der planmäßigen Liquidierung der christlichen Kopten schuld: 1. Mubarak; 2. der Westen, wegen dessen, was er vor 100 Jahren und auch heute noch tut. Die Frage ist: hat Mubarak seinen Landleuten gesagt, sie sollen Christen abschlachten? Hat der Westen es etwa getan? Beides ist mit Nein zu beantworten. Wer also hat den Muslimen gesagt, sie sollen die Kopten liquidieren? Da fällt mir nur Einer ein: er lebt zwar schon lange nicht mehr, hat aber sein Testament in einem Buch hinterlassen. Und da steht die Gebrauchsanweisung drin, wie man mit Andersgläubigen umzugehen hat. Warum erwähnt der Autor dieses Artikels nicht den Autor dieses Buches? Angst? Religiöse Komplizenschaft? Wohl von jedem etwas. Auf gar keinen Fall aber Journalismus.
@Maria Jacobi
"Warum erwähnt (die Autorin)dieses Artikels nicht den Autor dieses Buches?"
Welchen "Autor" meinen Sie denn?
Ich nehme an, Sie meinen den "Autor" dieser Zeilen:
"Ach Gott, dass du tötest die Gottlosen, und die Blutgierigen von mir weichen müssten." (Psalm, 139,19)
oder meinen Sie den, der diese "verfasst" hat:
"Wer Deinem Mund ungehorsam ist und nicht gehorcht Deinen Worten, in allem was du uns gebietest, der soll sterben."
(Josua 1, 16.18)
"Die Widersprüche, die Ägypten zerreißen, sind von uns mitverschuldet. Dass die Kriege, die wir gegen Muslime im Nahen und Mittleren Osten führen, die Christen dort in eine äußerst schwierige Lage bringen würden, war eigentlich vorhersehbar."
Zunächst mal ist festzustellen, dass "wir" keine Kriege "gegen Muslime" führen. Niemand hat einen Religionskrieg ausgerufen, auch wenn islamistische Propagandisten dies behaupten mögen.
Im Übrigen ist die (angebliche) Reaktion darauf, aus Rache Kopten zu ermorden, nicht zwangsläufig. Es sei denn, man stellt sich auf einen rassistischen Standpunkt à la "der Moslem kann eben nicht anders".
Und schließlich ist es zwar verständlich, dass viele Menschen in Ägypten, denen jede Perspektive fehlt, ihr Heil in den Islamisten sehen. Nur ist auch diese Reaktion nicht alternativlos.
Auch anderswo in der Welt gibt es Millionen armer, perspektivloser Menschen, die weitaus mehr unter westlicher Kolonialisierung gelitten haben - in Lateinamerika z.B. -, ohne deshalb in religiösen Fundamentalismus abzudriften.
Sehr richtig bemerkt.
Argumentationen nach dem Schema des Artikels da oben satteln ja gemeinhin auf folgender verquerer Relationslogik auf:
1. Der A haut dem B eine rein. Statt dasz sich nun aber der B mit dem A ins Benehmen setzte, schlaegt der B dem unbeteiligten C die Zaehne aus, woraufhin sich der C nicht etwa an den B, sondern an den A wendet und beklagt: Du bist schuld. Bemerkenswert ist dabei tatsaechlich, dasz auf diese Weise der B auf den Status eines voellig bewusstlosen Automaten herabgesunken ist, den man gar nicht erst fuer kapabel haelt, sich ueberhaupt bewusst zu verhalten.
2. »Die Widersprüche, die Ägypten zerreißen, sind von uns mitverschuldet.« — Wer ist »uns«? Gegen diese Art der umstandslosen Eingemeindung ins Ganze verwahre ich mich aufs entschiedenste!
@der donnerstag: "Und schließlich ist es zwar verständlich, dass viele Menschen in Ägypten, denen jede Perspektive fehlt, ihr Heil in den Islamisten sehen. Nur ist auch diese Reaktion nicht alternativlos."
Die Alternative wäre, ihnen eine Alternative zu bieten... Die Ausbreitung des Islamismus' in Nordafrika ist unbedingt auch im Zusammenhang mit der Abwendung des Westens von dieser Region zu verstehen.
@j-ap :-)
Sehr richtig bemerkt.
Sie beschreiben treffend, wie politische Zusammenhänge so funktionieren, lieber j-ap. Und politische Blindheit, wenn man Zusammenhänge nicht (an)erkennen möchte.
Und dass sie sich gegen diese Art der umstandslosen Eingemeindung ins Ganze verwahren, kann ich verstehen: jeder, 'von uns' sollte das aufs Entschiedenste tun!
Sie sind tapfer, j-ap. Aber Sie werden hier nichts gewinnen, weil Sie nicht in einer Gesellschaft von Logikern sind; es sind Ideologen - noch nicht klar?
ja ... und ... war das jetzt alles an kritik?
dadurch die vorgänge in Ägypten besser verstanden?
Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass Marwa al Sherbini im Dresdner Gerichtssaal leider "den Preis" für weltweites muslimisches Fehlverhalten seit der Einnahme Konstantinopels zu zahlen hatte.
Und hier zahlt jemand den Preis für den Druck des westlichen Auslands:
english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/01/201117134056887552.html
Haftgrund: Salafist. Und nun ist er tot. Ca. 300 sollen verhaftet worden sein, weil das Mubarak-Regime seinen Gönnern beweisen muss, wie effizient man diese bösen Terroristen verfolgt. Wer es wirklich war, ist dabei egal.
Werden wir über diesen Toten und die Verhafteten in den deutschen Medien etwas lesen?
Als ich vor 5 Jahren in Ägypten war, konnte ich die gewalttätige Atmosphäre im täglichen Leben förmlich mit Händen fassen. Dies war bei meinem ersten Aufenthalt vor 38 Jahren nicht der Fall.
Dies Land wird von korrupten, sich schamlos an den Reichtümern des Landes bedienenden Gangstern regiert. Es gibt auch nicht den Ansatz von Rechtsstaatlichkeit für die Masse des Volkes, Gewalt- und Ohnmachtserfahrung sind an der Tagesordnung. Nicht nur die Kopten gehen in der von der Autorin beschriebenen Gemengelage unter. Fakt ist, dass das herrschende Regime mit enormen Militärhilfen von Seiten der USA unterstütz wird. Dies erleichtert das Leben der christlichen Minderheit gewiß nicht.
@donnnerstag (auch @Sabine Kebir)
Das "wir Kriege gegen Moslems führen", ist auf jeden Fall eine heikle Aussage. Wollen wir das "wir" einmal als Verkürzung für "der Westen", mithin christlich (was wiederum viele nicht widerspruchslos lassen würden), verstehen und blicken auf den Irak sowie die nahezu bedingslose Unterstützung Israels und nur halbherzige Kritik an dessen Politik, dann kann diese Situation durchaus von sehr vielen, vor allem Moslems in den Regionen, als Krieg gegen den Islam gedeutet werden. Vielleicht meint es Frau Kebir so. Wäre dann aber sehr verkürzt von ihr formuliert.
Dass die Situation in Ägypten aber vom Westen mitverschuldet ist, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Europa und die USA lassen gerne von ihren vermeintlichen 'demokratischen Idealen' ab, wenn sich ein Regime des Ostens oder Südens entsprechend gefällig zeigt. Für einen strategisch Verbündeten oder wirtschaftliche Vorteile verhält man sich dann überaus diplomatisch. Einerseits den islamischen Terrorismus in Afghanistan, 'dem Nest', bekämpfen müssen und andererseits saudische Wahabiten-Monarchen hofieren.
Wenn dann die von den Regimes sich selbst Überlassenen, die Barfüßigen (wie man z.Z. der Revolution im Iran die Ärmsten nannte), islamistischen Dschihad-Predigern in die Arme laufen und ihren Zorn gegen die vielleicht ebenso schwachen vermeintlichen Außenposten des Westen, i.d.F. jetzt die Kopten, entladen, sind sie wieder nur Opfer der großen Zusammenhänge, die sie nie durchschauen werden.
Und sicherlich ist Islamismus nicht die einzige "Alternative" für die Ärmsten. In Südamerika prallen nun aber auch nicht Islam und Christentum aufeinander. Das arme Volk prügelt sich aber trotzdem; dort werden sie dann halt eher von Drogenbaronen gekauft. (Die positiven Ansätze in den Ländern mit 'bolivarischen' Regierungen mal zunächst außen vor gelassen) Das Prinzip bleibt aber das gleiche.
Das halte ich für überbewertet. Es war sicherlich eher eine schlicht rassistische Tat eines überaus dummen Menschen.
@miauxx
Mein Kommentar sollte ironisch verstanden werden.