Politische Satire von despektierlich antikapitalistischer Art hat in Deutschland Hochkonjunktur. Nicht gemocht wird jedoch, wenn sich so ein Satiriker herausnimmt, ernsthaft in der Politik mitzumischen. Diether Dehm, ehemals SPD-Politiker, der seit 1998 mehrere Führungsfunktionen in der Linkspartei innehatte, ist in zweiter, künstlerischer Identität als Imitator von Politikern aufgetreten, er hat für renommierte Satiriker auch fürs Fernsehen geschrieben. Dehm dichtete Klaus Lages Hit Tausendmal berührt und sogar die alte SPD-Hymne Das weiche Wasser bricht den Stein. Darüber hinaus hat er etliche Größen des zeitweise politisch engagierten Showgeschäfts gemanagt, darunter Klaus Lage, Katja Ebstein, Katharina Witt, Anna Haigis, die „Was wollen wir trinken, sieben Tage lang“-Bots und Wolf Biermann.
Als eloquentes und witziges politisches Talent von den 68ern und SPD-nahen Jugendorganisationen sowie den Gewerkschaften entdeckt, wurde er schon damals auch schärfstens bekämpft, weil er eher mit Kommunisten als mit Trotzkisten und rechten SPDlern zusammenarbeitete. Auch aus seiner Zugehörigkeit zur Stamokap-Gruppe, das waren die damals am äußersten linken Rand operierenden Jungsozialisten, erwuchs ihm Feindschaft. Bei mangelndem Antikommunismus und scharfen Angriffen auf die an Naziverbrechen mitschuldige Deutsche Bank hörte in der BRD jeder Spaß auf.
Mordvorwurf war auch dabei
Diether Dehm erzählt in seinen Memoiren Meine schönsten Skandale. Von Ruf- und anderen Morden, wie es zu seltsamem Zusammenwirken zwischen konservativen Politikern, den bundesrepublikanischen Medien bis hin zur Frankfurter Rundschau und Mitstreitern an der vermeintlich noch gemeinsamen linken Front kam. Eine Episode betrifft das 1980 von ihm gemanagte zweite „Rock-gegen-Rechts“-Festival auf dem Rebstockgelände in Frankfurt. Dort kam es zu einer regelrechten Bühnenschlacht, weil Daniel Cohn-Bendit verhindern wollte, dass Peter Gingold, KZ-Überlebender und DKP-Mitglied, eine Ansprache hielt, um stattdessen Appelle von Hausbesetzern durchzusetzen.
Als Dehm 1990 als Bundestagskandidat für die SPD-Landesliste in Hessen nominiert war, erschien im US-Magazin Forbes eine kurze Meldung, er werde demnächst als Ost-Spion enttarnt. Obwohl kein schlüssiger Beweis vorlag, führte das nicht nur dazu, dass die Gegenkandidatin und ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, ihn aufforderte, die Kandidatur niederzulegen, sondern auch Teile der eigenen Partei. Versorgt mit Leihstimmen der Grünen – wohinter laut Dehm eine Intrige des Grünen Joschka Fischers stand – gewann die heutige Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Steinbach den Wahlkreis.
Die Stasi-Legende wurde 1996 reloaded, schreibt Dehm, nachdem Biermann – wohl einer Intrige Steinbachs und Henryk Broders folgend – öffentlich erklärte, Dehm hätte der Stasi Informationen über seine, Biermanns, Aktivitäten in der Bundesrepublik zugespielt. Dass es neben zweifelhaft zusammengestoppelten angeblichen Beweisen aus der Gauck-Behörde dort eine zweifelsfreie, im Jahr 1978 beginnende Opferakte gab, weil Dehm im Namen westdeutscher Künstler eine Protestnote gegen Biermanns Ausbürgerung Kurt Hager übergeben hatte und seitdem in der DDR zur Fahndung ausgeschrieben war, interessierte die am Rufmord interessierten Medien nicht. Unbeachtet blieb auch, dass das anberaumte Parteiausschlussverfahren wegen fehlender Beweise eingestellt wurde.
Als klar wurde, dass die SPD unter der Führung seines ehemaligen Stamokap-Genossen Gerhard Schröder einen weiteren scharfen Rechtsdrall erhalten würde, trat Dehm am Tag der Bundestagswahl 1998 in die PDS ein, war von 1999 bis 2003 einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Auch hier galt und gilt er vielen als zu links, insbesondere, weil er Sahra Wagenknecht unterstützte. Auch hier hatte er Ausschlussverfahren durchzustehen, die er jedoch bis heute ebenfalls überstand.
Das Buch gibt viele tiefe, freilich subjektive Blicke in die Eingeweide linker Politik und enthält auch Scans der Presseattacken gegen Dehm. Die Bild-Zeitung war sogar einem Roman der Schriftstellerin und Journalistin Elke Schmitter gefolgt und hatte Dehm des Prostituiertenmords verdächtigt. Im Verlauf der zehn geschilderten Skandale musste er sich oft vor Gericht verantworten oder auch Gerichte anrufen, um den gegen ihn in Gang gesetzten Rufmord-Kampagnen entgegenzutreten. Da gerichtskräftige Dementis nicht oder nur kleinlaut publik wurden, blieb von dem angeblichen Sündenregister im öffentlichen Bewusstsein im Laufe der Jahre einiges hängen. Dieter Dehm richtig mögen können fast nur ähnliche Skandalnudeln wie CSU-Legende Peter Gauweiler, die wissen, wie es ist, sowohl vom politischen Gegner als auch aus eigenen Reihen Schläge einzustecken.
„Wer den Pranger überlebt, lebt besser als manche, die ihn angekettet haben“, schrieb Gauweiler Dehm ins Vorwort.
Info
Meine schönsten Skandale. Von Ruf- und anderen Morden Diether Dehm Das Neue Berlin 2019, 256 S., 20 €
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