Tunesien: Eine neue Demokratie kommt weitgehend ohne Wähler aus

Experiment Präsident Kaïs Sayed hat das Establishment wie Ex-Regierungsmitglieder, hochrangige Funktionäre, Gouverneure, aber auch Richter, Diplomaten und Imame von den Kandidatenlisten verbannt. Die Wähler trugen das nicht mit
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 07/2023
Präsident Kais Saied wollte wählen lassen – und keiner ging hin
Präsident Kais Saied wollte wählen lassen – und keiner ging hin

Foto: Chedly Ben Ibrahim/NurPhoto/picture alliance

Laut westlicher Lesart wird Tunesien, die einzige aus dem Arabischen Frühling von 2011 hervorgegangene Demokratie, immer mehr zu einer Autokratie des Präsidenten Kais Saied. 2019 war er mit 55 Prozent der Stimmen – davon besonders viele von jungen Leuten – gewählt worden. Im Juli 2021 löste er das durch ewigen Streit erschöpfte Parlament auf, das sich als unfähig erwiesen hatte, die Korruption zu bekämpfen und einen Ausweg aus der ökonomischen Dauerkrise zu finden. Sie gipfelte im Sommer 2021 in dramatischer Unterversorgung der an Covid-19 Erkrankten.

Verbannung der Etablierten

Besonders die stärkste, allerdings nicht regierende Partei, die islamistische Ennahda (Wiedergeburt), fühlte sich durch die Schließung des Parlaments