Wohin mit den Söldnern?

Libyen Die für Dezember vorgesehenen Wahlen reichen nicht, um für eine innere Befriedung des Landes zu sorgen
Ausgabe 45/2021
Bis zum Februar soll das ausländische Militär abziehen
Bis zum Februar soll das ausländische Militär abziehen

Foto: Mahmud Turkia/AFP/Getty Images

Seit einem Jahr herrscht Waffenruhe zwischen dem Ostteil Libyens, in dem das mehrheitlich säkulare Übergangsparlament in Tobruk das Sagen hat, und der Westregion, wo eine von den Vereinten Nationen eingesetzte provisorische Regierung existiert. Eine Instanz, die den türkischen Muslimbrüdern nahesteht. Während General Chalifa Haftar im Osten dschihadistische Gruppen erfolgreich bekämpft, fehlt es den Gegenspielern in Tripolis an Kraft, auf ihrem Terrain rivalisierende islamistische Milizen zu zügeln. Unter diesen Umständen sollte unter Ägide der Vereinten Nationen am 24. Dezember eine „Einheitsregierung“ gewählt werden. Doch konnten sich die rivalisierenden Lager für das als Parlaments- sowie Präsidentschaftswahl gedachte Votum zunächst auf kein Wahlgesetz einigen. Überdies kam es am 21. September in der Tripolis-Legislative zu einem massiven Misstrauensvotum von 89 der 113 Abgeordneten gegen die Regierung des Übergangspremiers Abdul Hamid Dbeiba. Noch schwerwiegender ist freilich die ungelöste Frage des im Februar beschlossenen Abzugs aller ausländischen Militärs.

Dies galt als unbedingte Voraussetzung für die Abstimmung im Dezember. Zwar hatten Russland und Ägypten, die den Ostteil Libyens mit Militärberatern unterstützen, sowie die Türkei, die hinter dem Westteil steht, bei der Berliner Libyen-Konferenz im Juni ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Allerdings blieb ungeklärt, wann die Söldner wohin gehen würden. Da zumindest die im Westen des Landes stationierten Legionäre – oft islamistischer Ausrichtung – nirgendwo Aufnahme finden, bleibt nur der Ausweg Sahara. In deren libyschem Teil soll bereits ein kleines, von Dschihadisten gegründetes Kalifat existieren. Dies vergrößert die Gefahr, dass sich weitere Verbände nach Süden durchschlagen und zu den Sahelstaaten wie Niger, Mauretanien, Tschad, Burkina Faso oder Mali unterwandernden Dschihadisten stoßen.

Ende Oktober gab es in Tripolis eine Konferenz, an der dreißig Staaten und internationale Organisationen teilnahmen, um einen auf Wahlen gründenden Friedensprozess nicht scheitern zu lassen. Die libysche Außenministerin Nadschla el-Mangusch bemühte sich, Zweifel zu zerstreuen, man sei diesem Prozess nicht gewachsen. Auch sei ihre Regierung entschlossen, die durch Milizen missachteten Menschenrechte von Flüchtlingen zu schützen und die Einmischung ausländischer Kräfte zurückzudrängen. Nur wie viele Kombattanten sind damit gemeint? Die Angaben schwanken, von bis zu 10.000 Syrern aus dem Raum Idlib und mehreren Hundert regulären Militärs ist die Rede, die von der Türkei nach Libyen geschleust wurden. Ende 2020 ging die UNO von mindestens 20.000 Söldnern aus.

Gaddafi-Sohn im Rennen

Um deren Abzug endlich voranzubringen, richtet Frankreich in dieser Woche eine weitere Libyen-Konferenz in Paris aus, die sich allein mit dem Ausstieg fremden Militärs beschäftigt. Geladen sind auch Libyens Nachbarstaaten, die seit dem Sturz Muammar al-Gaddafis im Oktober 2011 vom Zulauf islamistischer Gruppen bedrängt werden. Es wäre für sie desaströs, würde dem nicht Einhalt geboten. Weil es sich nur auf die Söldnerfrage und den damit einhergehenden internationalen Einfluss konzentriert, kann das Pariser Meeting als erster wirklich konstruktiver Versuch gelten, der realen Komplexität des libyschen Konflikts gerecht zu werden. Ob Fortschritte denkbar sind, die erfolgreiche Wahlen ermöglichen, sei dahingestellt. Mittlerweile sind die Präsidenten- und Parlamentswahlen bereits entkoppelt und letztere auf Januar verlegt. Sicher eine kluge Entscheidung, um einer allzu einseitigen Machtballung entgegenzuwirken. Zwei Präsidentschaftskandidaturen deuten sich an: Dass General Chalifa Haftar bereits das Oberkommando seiner Nationalarmee abgegeben hat, gilt als sicheres Zeichen. Überraschender ist, dass sich offenbar auch ein Sohn Gaddafis, Seif al-Islam – „Schwert des Islam“ –, präsentieren will. Er hat glanzvolle Auftritte vor großem Publikum absolviert und ist von der französischen Nachrichtenagentur France 24 sogar zu einem potenziellen „Reformator, ja, sogar Demokratisierer und Liberalisierer“ erklärt worden.

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