"Für eine Reise nach Italien braucht es keine Begründung", begrüßt Klaus Wagenbach, Verlagsleiter und Italienliebhaber, seine Hörer zur akustischen Reiseführung Nach Italien! Und zwar in das Italien der Lehr- und Wanderjahre des jungen Radtouristen Klaus W. Damals - irgendwann in den fünfziger Jahren - war ein deutscher Tourist auf der Suche nach einer billigen Übernachtung noch eine begehrte Trophäe unter italienischen Dorfbewohnern. Ehrensache, dass der junge Klaus nicht nur kostenlos beherbergt und verköstigt wurde, nein, sie haben gleich noch seine Haarpracht gerichtet und ihm mittels spontaner Spendensammlung die Reisekasse aufgefüllt. Spricht´s und bastelt genüsslich an seiner Maxime zum Wesen "des Italieners" weiter: Der Italiener sei stets bereit, kunstvolle Reden zu schwingen, er sei politisch vielfältig, gestenreich und gastfreundlich. Herr Wagenbachs Erzähltalent ist überhaupt bestechend. Wo nicht nützlich-informativ, ist er doch auf jeden Fall liebenswert! Ein klein wenig angestaubt, sehr originell - "Sammeln Sie als Mitbringsel wilde Kapern!" - und manchmal sogar aufmunternd-besorgt, wenn es um den deutschen Auftritt in der italienischen Öffentlichkeit geht. Kenntnisreich seine Erklärungen zu Ziel und Zweck der "Bildungs- und Kulturreisenden" und ihrer historischen Reiserouten, die wiederum durch Zitate aus ästhetischen, alltagskulturellen und literarischen Texten der Wagenbachschen Italienbibliothek angereichert sind. Wenn diese nur nicht so bemitleidenswert hilflos vorgetragen würden! Die Herren Zitatoren lesen Umberto Eco, Andrea Camillieri und andere stur in der immer gleichen Haltung. Schade nicht nur um die Ironie in Luigi Malerbas Rom-Text.
Spätestens beim Anhören der zweiten CD über Italien werden einige Standardthemen erkennbar: Die italienische Küche, besonders die Herkunft der Pizza. Der Caffè als Kommunikationsgleitmittel. Überhaupt diese einschüchternde rhetorische Überlegenheit der Italiener. Zum Ausgleich: das anrüchig doppelgesichtige Frauenbild und der "Latin Lover"... Henning Klüvers Gebrauchsanweisung für Italien enthält einige dieser Standards. Bemerkenswert ist, wie nah sich der Autor - verheiratet mit einer Italienerin, Pendler zwischen den Ländern und Beobachter des einen Landes für das andere (er ist in Mailand Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung) - an die Gegenwart in Italien heranschreibt.
Gern greift er zu markanten Statistiken oder Prozentzahlen, um auszuholen und zu beschreiben: die italienischen Frauen, die weniger Kinder gebären als alle anderen in Europa, die Bewegung "Slow food", die in Italien aus Protest gegen das amerikanische Fast Food gegründet wurde und die regionale Küche propagiert, boomende Geschäfte mit dem Aberglauben... Und so endlos weiter. Sehr viel berichtet Henning Klüver und von allem nur sehr wenig. Sicher, in den maximal sechs Minuten langen Texten lässt sich kein Phänomen tief ergründen. Manchmal greift Herr Klüver dann zu Binsenweisheiten wie der, dass in Krisenzeiten immer ein größerer Bedarf an Führung besteht als sonst. Ganz klar lassen ihm die Sechsminüter auch zu wenig Zeit für seine Stärken, nämlich sein Talent zum szenischen Schreiben und sein Blick fürs Detail. Fazit: Anstatt der 47 Texte lieber nur 20 und die dafür länger, bunter, tiefschürfender. Und wer hat Ulrich Tukur gesagt, dass er beschleunigend lesen soll? Ohne Rhythmus, Pausen oder kluge Dosierung rennt er durch die Texte und lässt den Hörern keine Chance, die bedenkliche Fülle an kleinteiligen Informationen zu goutieren.
Wirkliche Gebrauchsanweisungen sind dagegen die Hörbücher der Reihe texte + tannine. Die Idee ist einfach: Berühmte Weine, ihre Region und ihre geographisch-kulturelle Umgebung werden vorgestellt. Zuerst zu hören sind - die Weine: strohgelb mit grünen Schimmern, feine saure Noten von unreifen Früchten, Noten von Aprikosen, Süße. Ein leutseliger Weinhändler plaudert über die Geschichte der Rebsorte, ihren Ruf und ihre Ausbaufähigkeit, worauf lockere, persönlich geschriebene Reiseskizzen folgen, etwa über eine Weinprobe bei einer "donna del vino", einer Weinfachfrau (und ihrem Mann). Bevor die Weininformationen mit einer kleinen Literaturprobe aus oder über die entsprechende Region abgerundet werden, pausieren die Sprecher und traditionelle Musik erklingt. Empfehlung der Herausgeber: beim Hören den passenden Wein trinken. Nachsatz: Vorab Track 1 mit den Informationen zum Angeben beim Weinhändler hören!
Marlo Morgans Walkabout im australischen Busch bietet weder unterhaltsame Belehrung noch knackige Maximen. Ihr Reiseroman Traumfänger handelt von der Sehnsucht, durch die Berührung mit dem Fremden sich selbst näher zu kommen. Bei Marlo Morgan ist diese Selbsterfahrung so radikal, dass sie manchmal unglaublich klingt. Zu Beginn ist es beinahe eine Entführung. Anstatt wie erwartet einem festlichen Empfang beizuwohnen, wird die amerikanische Gesundheitsberaterin von einer Gruppe seltsam gekleideter und unverständlich redender australischer Ureinwohner dazu eingeladen, mit ihnen zu wandern. Wie gelähmt sieht sie zu, wie vor ihren Augen ihr gesamtes materielles Gut verbrannt wird und die Gruppe einfach Richtung Wüste verschwindet. Drei Monate später verlässt sie die Gruppe als verwilderte Bettlerin und auserwählte Botschafterin. Dazwischen liegen anrührende, schmerzvolle, mutige und lustige Erlebnisse einer Amerikanerin, die unter Todesangst lernt, sich von ihrer westlichen Denkart zu lösen. Als härteste Prüfung darf sie, ausgerechnet sie, die unwissende Fremde, die Gruppe anführen. Der Druck ist enorm: Als Führerin muss sie für Wasser und Nahrung sorgen - und findet weder das eine noch das andere. Erst als sie glaubt zu verdursten, überschreitet sie wirklich die Grenze zwischen sich und der Gruppe und beginnt, wie sie zu denken und zu kommunizieren. Was sie bekommt, ist die Kunst, von der Natur abhängig zu sein ohne sie zu unterwerfen und die Wohltat eines respektvollen, spielerischen und vertrauensvollen Umgangs miteinander. Was sie gibt, besser aufgibt, ist ihre Angst.
Tonkombinat: texte + tannine. Piemont. Eine Weinlesereise. 1 CD, 1 Stunde, 5 Minuten, 17,90 EUR
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