Seit die Finanzierung des deutschen Auslandsrundfunks in der Verantwortung des Staatsministers für kulturelle Aufgaben liegt, geht es der Deutschen Welle schlecht. Während alle anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Erhöhung der Rundfunkgebühren profitieren, muss die Deutsche Welle eine Etatkürzung nach der anderen hinnehmen, die sie bisher mit alljährlichen Programmreformen beantwortet hat. Doch nun geht der Ringkampf in eine neue Runde: Die Behörde für Kultur und Medien (BKM), die direkt dem Staatsminister für kulturelle Aufgaben untersteht, möchte endlich auch bei der generellen Bestimmung von Aufgabe und Funktion der Deutschen Welle mehr mitreden und ihre Ideen in rechtsverbindliche Leitlinien gefasst sehen. Schließlich gibt sie rund ein Drittel ihres Etats für den Auslandsrundfunk aus (das waren im Jahr 2000 circa 580 Millionen DM, davon etwa 200 Millionen für den Bereich Fernsehen).
Kritisiert wird vom BKM vor allem, dass Zielgruppe, Programminhalte und Verbreitungswege der Deutschen Welle zu unscharf bestimmt seien. Der gesetzliche Rahmen legt lediglich fest, dass das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben in Deutschland dargestellt werden soll. An wen sich diese Darstellung richtet, also auch in welchen Fremdsprachen und über welche Medien sie verbreitet werden soll, darüber wurde nun auf einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin diskutiert.
Dass das deutsche Programm, bisher mit dem Schwerpunkt Informationen konzipiert, in Zukunft mehr fiktionale Sendungen enthalten und so dem Bedürfnis von Auslandsdeutschen nach Heimatbindung entgegenkommen soll sowie die diesbezüglich geplante Kooperation mit ARD und ZDF war dabei ein weitgehend unumstrittener Punkt der angesprochenen Strukturänderungen. Ministerialdirigent Hans Ernst Hanten, Gruppenleiter Medien im BKM, will aber darüber hinaus auch das an Ausländer gerichtete Programm stärker beeinflussen. Die wichtigste Funktion des fremdsprachigen Programms, objektiven Journalismus in Ländern ohne Pressefreiheit zu verbreiten, soll nach seiner Vorstellung in Zukunft stärker mit den Aktivitäten deutscher Außen- und Entwicklungspolitik abgestimmt werden. Es steht wohl zu befürchten, dass eine solche Bindung den bürokratischen Aufwand enorm erhöhen und die geforderten schnellen Entscheidungen erschweren wird. Würde jedoch die Anregung von Alice Ströver (Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen) aufgenommen, die Deutsche Welle nicht nur in schon bestehenden Krisensituationen vermehrt als Kompensationsmedium einzusetzen, sondern auch als "Frühwarnsystem für Krisen", könnte die Frage, welche Gebiete einer Prävention bedürfen, durchaus politisch interessant werden.
Streitfragen wie diese traten jedoch angesichts der umfassenden Umstrukturierungsvorschläge Hantens fast in den Hintergrund. In Zukunft soll der Auslandsrundfunk nämlich fast alle Angebote via Internet verbreiten: Aktuelle Informationen für eine ausländische "Infoelite", Serviceangebote wie Deutschunterricht und selbst die Nachrichten für Ausländer in Krisengebieten. Ist das Programm der Deutschen Welle erst einmal derart umfangreich ins www verlagert worden, kann mit Hanten getrost gefragt werden, "welche Angebote auf dem herkömmlichen Verbreitungsweg damit verzichtbar werden".
Ob eine solche Sparversion des deutschen Auslandsrundfunks überhaupt noch den allseits anerkannten Programmauftrag erfüllen könnte, ist fraglich. Fast drängt sich der Gedanke auf, dass jetzt, wo der Eiserne Vorhang gefallen und eine objektive Berichterstattung nicht mehr als Opposition zu den zensierten Medien des Ostblocks notwendig ist, die Verbreitung eines multimedial aufpolierten Deutschlandbildes wichtigstes Ziel des Auslandsrundfunks sein soll. Dass die Notwendigkeit, objektiven Journalismus weltweit zu verbreiten, jedoch keineswegs erledigt ist, unterstreicht der Redakteursausschuss der Deutschen Welle: In zwei Dritteln der Welt existieren keine freie Medien, und auf dem Markt der Auslandssender etablieren sich zunehmend "besonders autoritäre bis demokratiefeindliche Staaten wie Saudi-Arabien, China und Iran (...) mit dem Ziel, die eigene Weltsicht, die weitgehend auf fundamentalistischen und autoritären Strukturen basiert, zu verbreiten".
Wer wird in einer Zukunft, in der nach Hantens Vorschlag auch das Krisenradio via Internet zu empfangen sein wird, in diesen und anderen Ländern über einen staatlich nicht kontrollierten Zugang zum Internet verfügen, um die Sendungen der Deutschen Welle zu hören? Heute nutzen nach Angaben der DW nur etwa 4 Prozent der Adressaten das Internet, über 70 Prozent aber die Sendungen über Kurzwelle. Auch wenn diese Zahlen sich langfristig ändern werden: Das Internet wird die Kurzwellenempfänger kaum vollständig verdrängen können, schon gar nicht in jenen Ländern der Welt, in denen das Radio allein aus Kostengründen das wichtigste Medium bleiben wird.
Der Forderung Hantens, das Internet als Kommunikationsraum verstärkt zu nutzen und online ein serviceorientiertes Deutschlandportal (eine Art Plattform zu öffentlichen Institutionen in Deutschland) anzubieten, ist die Deutsche Welle längst entgegengekommen. Gateway to Germany, so die neudeutsche Bezeichnung, wartet mit dem Zugpferd Studieren in Deutschland auf, dessen nähere Betrachtung allerdings Zweifel daran entstehen lassen, ob diese Mischung aus Service und Unterhaltung zu den vorrangigen Aufgaben der Deutschen Welle gehören sollte.
Während das Online-Angebot mit umfangreichen und soliden Basisinformationen und Verweisen zu relevanten Institutionen überzeugt, erweckt die TV-Serie den Eindruck von Beliebigkeit. In 28 Beiträgen erzählt eine Reihe von ausländischen Studenten von ihren Erfahrungen an deutschen Universitäten. Nicht nur, dass die Berichte sich doch sehr ähneln, sie kommen auch über so banale Feststellungen, wie dass am Anfang alles ganz anders ist, aber mit der Zeit Studieren in Deutschland trotz immenser bürokratischer Hürden durchaus effektiv und amüsant sein kann, kaum hinaus. Wenn dann für den "Bildungsstandort Deutschland" noch damit geworben wird, dass Ausländer, die einmal in Deutschland studiert haben, ihre immer noch guten Verbindungen hierher in Form einer Ehrenmitgliedschaft bei einem deutschen Polizeichor pflegen, stellt sich die Frage, warum einem solchen Konzept so viel Sendeplatz gewährt wird. Die Hörfunkredaktionen haben aus diesem Material dazu noch ebenso viele, knapp fünf Minuten lange "eigenständige Produktionen" produziert.
Kommunikation wird aber von manchen am Auslandsrundfunk Interessierten durchaus weiter gefasst. Nach Meinung von Professor Hans Kleinsteuber, Mitglied im Rundfunkrat, wäre die Deutsche Welle der ideale Ort für einen interkulturellen Dialog zwischen Ausländern und Deutschen. Man müsste nur das interkulturelle Potential der aus 69 Nationen stammenden DW-Mitarbeiter nutzbar machen, und ihr Wissen in Form von kommentierten Links im Internet einbringen. Dann würden nicht mehr nur Ausländer etwas über Deutschland erfahren, sondern auch Deutsche etwas übers Ausland.
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