Tanzende Töne

Klub versus Klang Die Berliner Festspiele versuchten sich an einer Begegnung von Hochkultur und populärer Kunst

Elektronische Klub-Musik und Klangkunst - das hört sich unvereinbar an. Schon allein die Ansprüche der beiden akustischen Kunstformen weisen in entgegengesetzte Richtungen. Klangkunst, also Kompositionen aus Klängen allen nur denkbaren Ursprungs, aus musikalischen und sprachlichen Elementen, verweigert sich dem leichtfertigen Konsum und trägt häufig einen elitären Anspruch vor sich her. Elektronische Musik, die in Klubs aufgelegt wird, soll dagegen möglichst massenwirksam zum Tanz anregen beziehungsweise die Entspannung davor oder danach befördern.

Die Sonic Arts Lounge-Veranstalter wollten das Gegenteil beweisen. Immerhin, behaupteten sie, könne Klangkunst durchaus tanzbar sein und was die DJs angehe, so benutzten sie nicht nur seit Jahren die gleichen Kompositionsverfahren wie die Klangkünstler, sondern entwickelten auch zunehmend ein Bewusstsein für die historischen Ursprünge ihres Metiers. Und die treffen sich mit denen der Klangkünstler bei den Experimentalisten der »musique concrète« im Paris der Nachkriegszeit, oder, noch weiter zurückliegend, bei der Geräuschmusik der Futuristen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

In diesem Sinne haben die Berliner Festspiele und Deutschlandradio Berlin gemeinsam ein Misch-Programm aufgestellt, das eine Woche lang in der Sonic Arts Lounge Anhänger beider Bereiche zusammenführen sollte. Denn obwohl die Endprodukte große Ähnlichkeiten aufweisen, trennt deren Fans in der Realität ihr allzu unterschiedlicher sozialer Kontext. Will sagen: Klangkunst ist Hochkultur und ereignet sich in Museen, Galerien und auf erlesenen Festivals - Klubkultur findet dagegen im kultureller Underground und also eher im Verborgenen statt.

Ein solches Crossover zu versuchen ist immer ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Immerhin kann der Veranstalter mit der Programmgestaltung und der Wahl eines angemessenen Ortes den Rahmen vorgeben. Um es gleich vorweg zu nehmen: unter diesen Gesichtspunkten waren die Chancen auf Erfolg eher mäßig. Denn Örtlichkeit wie Programm waren eindeutig stärker an den Anhängern der Hochkulturszene als am durchschnittlichen Klubgänger orientiert. Welche Merkmale weist zum Beispiel das Haus der Berliner Festspiele in Berlin-Wilmersdorf auf, die für einen amüsierwilligen Nachtschwärmer interessant sein könnten? Eben.

So entschieden die auftretenden Künstler darüber, wie viel Publikum sich in der Lounge einfand. Ganz offensichtlich wurde das beim größten Publikumserfolg des Festivals, der »Klango«- Nacht. Als hier am vergangenen Samstag Berlins bekanntester Tango-DJ den größten Teil des Abends mit Musik vom Tonträger bestritt, war die kleine Lounge mit tanzwilligen Paaren schnell überfüllt. Spannend wurde es, als die von Klangkünstlern komponierten »Klangos« die traditionelle Musik ablösten. Interessiert zogen sich die meisten Tänzer von der Tanzfläche zum Lauschen zurück - auf der immerhin einige Hartgesottene selbst zu den pausenreichen kleinen Musikstückchen ihre Schrittfolge einhielten. Soweit ging das Konzept also auf: mit etwas gutem Willen waren die »Klangos« durchaus tanzbar. Als unüberwindlicher erwies sich dagegen der Unterschied zwischen dem »Tanz-Tango« und den beiden Life-Acts des Abends. An tragbaren Computern sitzend, produzierten die Künstler gemeinsam mit Bandoneon- und anderen Musikern elektronisch stark abgewandelte Tangovarianten. Die waren wenig tanzbar. Das Publikum, blitzschnell von eleganten Tänzern zu am Boden kauernden Konzertbesuchern mutiert, ertrug das nur beim ersten Mal noch recht wohlwollend.

Ob dieser Versuchsabend wohl dazu geführt hat, dass sich nun einige Tangofans für Klangkunst interessieren? Oder vielleicht werden die Klango-komponierenden Klangkünstler in Zukunft das Tanzbein schwingen? Auf der anderen Seite stellte sich dagegen die Frage, welchen Gewinn es bringt, DJ-Sets als abendfüllende Life-Performance ohne Tanzmöglichkeit zu präsentieren. Zu sehen gibt es nicht viel, wenn jemand hinter dem tragbaren Computer digitale Software bedient. Und was bei Tanzabenden die eigentliche Herausforderung für DJs ist, nämlich den Geschmack des Publikums zu treffen und es mit einer geschickten Dramaturgie der Rhythmen zum Tanzen zu verführen, sollte hier auf einmal keine Rolle spielen. So war es eine Begegnung mit Missverständnissen.

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