Terrorismuswarnung

Wem dienen sie? Terrorismuswarnungen dienen nur einem: Der Verunsicherung der Gesellschaft und der Legitimation der Geheimdienste

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Was auch immer geschieht: Nie dürft Ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man Euch zieht, auch noch zu trinken!“ (Erich Kästner).

Die US-Regierung gab am vergangenen Freitag eine weltweite Reisewarnung für seine Bürger heraus in der vor Anschlägen des Terrornetzwerks Al Kaida im Nahen Osten und Nordafrika während des Monats August gewarnt wurde. Auch schlossen am Sonntag dem 4. August 22 diplomatische Vertretungen Amerikas in 17 Staaten des mittleren Ostens und in Nordafrika, die ansonsten wohl auch sonntags geöffnet sind. In zahlreichen Nachrichtenportalen und im Rundfunk wurden diese Meldungen an erster Stelle verbreitet.

Die amerikanischen Behörden verweigerten jede konkrete Stellungnahme, worauf ihre Erkenntnisse beruhen, mit Verweis auf die geheimdienstliche Arbeit. Die ARD zitiert etwa Peter King, den Vorsitzenden des "Ausschusses für Heimatschutz". Nach seiner Aussage sei ein „enormer Angriff geplant“. Mehr könne er aber nicht sagen.

Nun sollte man sich Fragen, wem solche Meldungen dienen? Eine Reisewarnung für Staatsbürger westlicher Staaten in den Nahen Osten und nach Nord Afrika ist wohl so informativ, wie die obligatorische Warnung auf Zigarettenschachteln für Raucher. Wer denkt, dass er als Europäer oder Amerikaner noch unbeschwert Urlaub in Ägypten oder in Syrien machen kann, dürfte vermutlich mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Und dass Amerika, das in vielen Ländern vom Hindukusch bis nach Nordafrika heimlich und offen in die dortigen Kämpfe und Umstürze verwickelt ist, mit seinen Botschaften Angriffsziel Nr. 1 für viele Gruppen der Region sein dürfte, ist wohl auch kein Geheimnis. Dass sich der Krieg mit Drohnen, das „Ausschalten“, dass heißt die Ermordung von missliebigen Personen durch die US-Regierung letztlich gegen die USA, ihre Institutionen und Bürger richten wird, liegt in der Logik dieses unerklärten Krieges. Wen sollte es wirklich überraschen, wenn US-Einrichtungen, aber auch Einrichtungen anderer westlicher Staaten, Ziel von Terroranschlägen werden?

Und dass das Ende des Ramadans traditionell sowohl zur Versöhnung, als auch zur Abrechnung genutzt wird, ist auch nichts Neues. Mehr Menschen werden vermutlich dabei wieder bei innermuslimischen Auseinandersetzungen beispielsweise zwischen Schiiten und Sunniten zu Schaden kommen.

Dass die beispielslose Schließung von 22 Konsulaten als Reaktion auf eine terroristische Bedrohung schlicht sinnlos ist, dürfte eigentlich jedem einleuchten. Denn schließlich sind Terroristen nicht an die Öffnungszeiten von Botschaften gebunden. Die Kalaschnikow aus dem Kleiderschrank holen und den Sprengstoffgürtel umschnallen dürfte an jedem Wochentag möglich sein und Al Kaida - oder wie immer sich die Terrorgruppen nennen - sind ja gerade deshalb in Vorteil, weil sie sich in einem asymmetrisch geführten Krieg auf keine „offiziellen“ Spielregeln einlassen müssen.

So bleibt als einzige Begründung, dass die völlig sinnlosen Terrorwarnungen nur zwei Zwecken dienen können. Zum einem, um den Zustand des Alarmismus und das Feindbild der islamistischen Terroristen – und damit unterschwellig gegen den Islam insgesamt – aufrechterhalten bleibt.

Zum zweiten, dass die in Bedrängnis geratenen Geheimdienste ihre Legitimation bewahren. Wenn bis Montag nichts passiert ist, was zu hoffen ist, werden die Geheimdienste sagen können, dass es wegen ihrer Präventionen nicht zur Katastrophe gekommen ist. Das ist die Logik des alten Kinderwitzes, wo ein Mann durch eine Großstadt läuft und in die Hände klatscht, um Raubtiere zu vertreiben. Darauf angesprochen, dass es hier doch gar keine gäbe, erklärt der Mann dann, daran würde man sehen, wie sehr sein Klatschen geholfen hätte.

Sollte es wider Erwarten doch zu Anschlägen kommen, wird das auch die Geheimdienste bestärken. „Seht ihr, wir wussten es“, wird es dann heißen. Terrorwarnungen bedeuten also für Geheimdienste eine Situation, in der sie immer gewinnen - vorausgesetzt, sie werden nicht zu oft ausgesprochen. Denn sonst würden die braven Bürger merken, dass sie zu oft vom listigen Hirten wegen des bekannten bösen Wolfes hinter dem Ofen hervorgelockt wurden.

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Geschrieben von

Saltadoros

Olaf Schäfer: Pädagoge, Musiker...

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