Außen schwer, innen leicht

Ausstellung In Stuttgart hat ein Porsche-Museum eröffnet. Der Bau ist ein kraftstrotzender Koloss, der von außen schwerfällig aussieht. Der Rundgang ist ein dynamisches Abenteuer

Es hätte ein stolzer Moment in der Konzerngeschichte sein sollen, ein weltweites Zeichen für die potente Wirtschaftsmacht der Dr. Ing. h. c. Ferdinand Porsche AG. Doch die Eröffnung des neuen Museums in Stuttgart-Zuffenhausen fällt in die Zeit der Wirtschaftskrise. Absatzflauten und Zwangspausen in der Produktion haben auch das Luxussegment des schwäbischen Sportwagenherstellers erreicht. Die fetten Jahre der Automobilindustrie sind vorüber, doch der gewaltige Baukörper am Porscheplatz 1 kündet noch von ihnen. 100 Millionen Euro hat der kraftstrotzende Koloss der Wiener Architekten Delugan Meissl gekostet. Etwa die Hälfte davon war ursprünglich veranschlagt.

Vorne und hinten gibt es nicht

Schneidige Kanten und rasante Linien prägen die weiße Rautenoberfläche des Monolithen, der sich neben den S-Bahn-Gleisen zwischen die Gewerbe- und Bürobauten schiebt. Drei gewaltige Pylonen heben den 35.000 Tonnen schweren Kasten über den Boden. Sein stählernes Raumtragwerk ist nach Brückenbauweise konstruiert. Ein Kraftakt, bei dem die Ingenieure bis an die Grenze des Machbaren gegangen sind. In Richtung Porsche-Werksgelände kragt der monströse Körper 40 Meter aus. Vorne und hinten gibt es nicht. So bleibt auch der Eingang zum Museum unscheinbar, man könnte ihn fast übersehen.

Selbst die Telefonnummern des Porsche-Konzerns sind auf das Markenzeichen 911 ausgerichtet. Aber von der strengen Corporate Identity der Schwaben haben sich die Wiener Architekten nicht einschüchtern lassen. Bekannt für ihre dynamischen Räume, mit denen sie sich schon 1993, mit dem Penthouse Ray 1, einen Namen gemacht haben, setzten Delugan Meissl eigene Entwurfsparameter ein. Sie wollten Geschwindigkeit und Stillstand erfahrbar machen und in eine Architektursprache umsetzen, die sie nach Nietzsche „physiologische Ästhetik“ nennen. Von außen betrachtet bleibt dieses Ziel in weiter Ferne. So stemmt sich der wuchtige Gigant nur schwerfällig vom Boden, statt in schwerelosem Cabrio-Gefühl abzuheben.

Die Zeiten ikonischer Bauwerke sind vorüber

In seinem Inneren breitet sich ein 5.000 Quadratmeter großer Ausstellungsraum aus – eine weiße Landschaft, die sich als schnittige Spirale über mehrere Ebenen entfaltet, dabei beschleunigt und eine erstaunliche Dynamik bietet: Rampen und Podeste, spitze Ecken und regelrechte Rennstrecken machen den Rundgang zu einem Schwindel erregenden Erlebnis, kurze Pausen zum Ausruhen mit eingeschlossen. Räumlich zumindest ist der beinahe fensterlose Ausstellungsparcours – er hätte auch unter der Erde stattfinden können – ein Abenteuer. Befremdlich hingegen bleiben die Ausstellungsobjekte: Blankpolierte Karosserien, die als kraftstrotzende Zeichen der Markengeschichte präsentiert werden. Statt den Mythos Porsche mit gebotener historischer Sorgfalt darzustellen und die Geschichte des Konzerns vielleicht in Geschichten aufzulösen, werden nichts als PS, Kubikzentimeter und Umdrehungen/min kraftmeierisch zur Schau gestellt.

Neben dem Mercedes-Benz-Museum der holländischen Architekten UN Studio hat Stuttgart nun ein zweites großes Auto-Museum. Der Porsche-Neubau macht deutlich, dass die Zeiten ikonischer Bauwerke, die als Marketinginstrument für Autohersteller glänzen sollen, schon wieder vorüber sind. Irgendwann in ferner Zukunft, wenn die deutsche „Car Architecture“ Geschichte ist, werden Menschen auf dieses Phänomen blicken und sich dabei wundern.

Porsche-Museum Architekten: Delugan Meissl, Stuttgart, geöffnet von Di. bis So. 9-18 Uhr

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