Konzentrationslager als Spielfeld

Augmented Reality In der von einer Google-Tochter entwickelten App "Ingress" kämpft man virtuell um reale Orte. Dabei dienen auch KZ-Gedenkstätten als Spielfeld.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://novelero.de/wp-content/uploads/2015/07/Bildschirmfoto-2015-07-02-um-11.25.19.png

Screenshot: ingress.com

An und für sich ist "Ingress" nichts allzu Neues. Das Augmented Reality-Spiel ist bereits 2012 von der Google-Tochterfirma Niantic Labs entwickelt worden.

Bei solchen Spielen wird Fiktion mit Realität verbunden. Bei Ingress spielen zwei Parteien gegeneinander. Die Spieler bewegen sich an realen Orten, die sie mittels GPS aufsuchen. Dort stärken oder schwächen sie so genannte Portale. Vorgeschlagen werden Portale von den Spielern selbst und anschließend dann von Niantic Labs im Spiel installiert.

Holocaust-Überlebende fordern Verbot

Nun befinden sich einige dieser Portale auf den Arealen ehemaliger Konzentrationslager in Deutschland und in Polen. Orte des Schreckens und der Erinnerung werden so zum Spielfeld. Der Präsident des Comité International Dachau, Jean-Michel Thomas, fordert jetzt ein Verbot dieser Entwürdigung. Das berichtete kürzlich das Zeit Magazin. Zwar hat Google bereits einen Großteil der Portale gelöscht. Aber eben nicht alle. So ist Ingress beispielsweise auf dem Häftlingsfriedhof in Dachau weiterhin spielbar. Dieser ist verständlicherweise gerade für die Überlebende und Angehörige der Opfer des Holocaust ein Ort des Trauern. Dementsprechend empfinden sie es geradezu als Demütigung an, dass dieser Ort als Schauplatz für ein Spiel missbraucht wird. Und auch kleinere Gedenkstätten wie Oranienburg oder Osthofen können noch "bespielt" werden, ebenso das Vernichtungslager Auschwitz in Polen.

Erinnerungskultur bewahren

Sicherlich werden bereits die ersten Stimmen laut, welche fordern, dass nach siebzig Jahren endlich einmal Schluss sein müsse mit der Thematisierung von Deutschlands NS-Vergangenheit. Erst Anfang des Jahres warnte jedoch Bundespräsident Gauck im Rahmen des 70. Jahrestages der Auschwitz-Befreiung davor, einen Schlussstrich unter den Holocaust zu ziehen. "Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz", sagte er. Und da gebe ich ihm Recht. Man kann sich nicht die Rosinen aus der Vergangenheit picken. Wer sich auf welche Art auch immer als Deutscher begreift, muss dabei sowohl die positiven Aspekte als auch die Schattenseiten berücksichtigen. Dazu gehört auch die Wahrung einer Erinnerungskultur an die Tiefpunkte der eigenen Geschichte und Respekt vor Erinnerungsorten, in denen sich das Schicksal einer Vielzahl von Menschen manifestiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sandro Abbate

Alltagshermeneut | Freier Autor | Kulturwissenschaftler | Blogger | novelero.de

Sandro Abbate

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden