Tod in der Sandgrube

Kriegsverbrechen Vor 75 Jahren ermordeten Wehrmachtssoldaten in Treuenbrietzen 127 italienische Militärinternierte. Eine Web-Doku rekonstruiert das Massaker

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Gruppenfoto italienischer Arbeiter in der Munitionsfabrik Treuenbrietzen. Nur vier italienische Zwangsarbeiter überlebten das Massaker am 23. April 1945
Gruppenfoto italienischer Arbeiter in der Munitionsfabrik Treuenbrietzen. Nur vier italienische Zwangsarbeiter überlebten das Massaker am 23. April 1945

Foto: imago images/Christian Ditsch

Morgen ist der 25. April, in Italien ein Feiertag. Im Gegensatz zu Deutschland feiert das Land seine Befreiung vom Nazi-Faschismus. Ein weiteres Ereignis, das mit dem Schicksal vieler Italiener zusammenhängt, jährte sich ebenfalls dieser Tage zum 75. Mal. Am 23. April 1945 erschossen Angehörige der Wehrmacht 127 italienische Militärinternierte in einer Sandgrube bei Treuenbrietzen in Brandenburg.

Eine fast vergessene Opfergruppe

Die Geschichte der italienischen Militärinternierten beginnt 1943. Zunächst Verbündete, trat Italien nach dem Sturz Mussolinis am 8. September 1943 aus dem Bündnis mit Nazi-Deutschland aus. Daraufhin nahm die Wehrmacht zahlreiche italienische Soldaten und Offiziere, die sich nicht den Faschisten anschließen wollten, gefangen. Rund 650.000 Italiener wurden so in das Deutsche Reich und die besetzten Gebiete verschleppt und später zu Militärinternierten erklärt. Dieser neue Status gab der Wehrmachtsführung umfängliche Freiheiten in der Behandlung der Gefangenen frei. So wurden sie nicht als Kriegsgefangene behandelt, konnten nicht durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz betreut werden und wurden völkerrechtswidrig als Zwangsarbeiter vor allem in Rüstungsbetrieben eingesetzt. Da man sie in Deutschland als Verräter ansah, wurden sie teilweise durch die erbarmungslose Ausbeutung ihrer Arbeitskraft, fehlende medizinische Versorgung und Nahrungsmittelentzug sogar schlechter behandelt als sowjetische Gefangene. Nach dem Krieg erhielten die italienischen Militärinternierten keine Wiedergutmachung, weder in Deutschland noch in Italien.

Das Massaker von Treuenbrietzen

23. April 1945. Während die Rote Armee auf dem Vormarsch ist, und das Ende des Krieges schon fühlbar, räumen Soldaten der Wehrmacht das Lager einer Munitionsfabrik in Märkischen Treuenbrietzen. Sie bringen 131 italienische Militärinternierte, einige von ihnen müssen Munitionskisten schleppen, zu einer Sandgrube in der Nähe der Stadt. Dort eröffnen die Soldaten das Feuer auf die Gefangenen. 127 Menschen sterben, nur vier überleben. Wahrscheinlich wüssten wir ohne diese heute nicht einmal von diesem Kriegsverbrechen, das sich etwa 70 Kilometer von Berlin abspielte. Insgesamt kehren rund 50.000 italienische Militärinternierte nicht mehr in ihre Heimat zurück. Ihr Schicksal ist sowohl in Deutschland als auch in Italien im kollektiven Gedächtnis kaum verankert. Die Filmemacher Katalin Ambrus, Nina Mair und Matthias Neumann haben sich dem Thema angenommen und mit der 2016 erschienenen Web-Doku "Im Märkischen Sand" ein Dokument geschaffen, das Fakten zutage bringt und Zeugen zu Wort kommen lässt. So bleibt die Erinnerung lebendig. Der letzte Überlebende des Massakers, Antonio Cesari, starb 2017.

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Geschrieben von

Sandro Abbate

Alltagshermeneut | Freier Autor | Kulturwissenschaftler | Blogger | novelero.de

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