Zur Durchsetzung ihrer Fantasien sind religiöse Bewegungen bereit, die Hölle auf Erden zu schaffen – für Frauen. Das zeigt sich derzeit in den USA. Hier hat der Oberste Gerichtshof das 1973 eingeführte Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt. Um Kindeswohl geht es dabei nicht, sonst hätte die Rechte in den USA eine Politik machen können, die Familien aus der Armut holt, bessere Bildungsangebote und Gewaltprävention anbietet, anstatt die geballte Kampfeslust für ihre Ideale auf ungeborene Embryonen zu fokussieren, für deren Wohlergehen man sich nicht mehr interessiert, wenn sie einmal auf der Welt sind. Fast zeitgleich wurde hierzulande der Strafrechtsparagraf 219a abgeschafft. Wenn man bedenkt, dass damit nur so etwas Grundlegendes wie das Recht auf Information hart gegen Argumente erkämpft werden musste, die komplett an der Lebensrealität von Frauen vorbeigehen, kann das nur als sehr kleiner Erfolg gelten.
Auch in Europa breiten sich konservative Bewegungen aus, getragen von religiösen Gruppen und neurechten Parteien, die auf Feminismus und Queerness mit der Sehnsucht nach männlicher Autorität antworten. Frauen sind inzwischen ökonomisch weniger von Ehemann und Kleinfamilie abhängig, sie können deshalb ihre Bedürfnisse auch in der Sexualität äußern, was die Stabilität von Männlichkeit prinzipiell in Frage stellt. Ein Abtreibungsverbot ist dabei ein probates Mittel, Frauen für ihre Emanzipation zu bestrafen. Wer ein aufgezwungenes Kind als Disziplinierung der Frau betrachtet, den kümmert aber nicht, wie es dem Kind in einer von Armut geprägten Familiensituation ergeht. Doch gerade das hat System. Denn das Abtreibungsverbot ist ein Mittel, um Frauen an Kinder und Haushalt zu binden und der Verfügungsgewalt von Staat und Ehemann zu unterstellen. Sie sollen das dienende Personal in der Kleinfamilie sein, das unbezahlte Fürsorgearbeit leistet (die sich dann auf den Mann, die Älteren und Kranken ausweitet), damit der Staat dies nicht leisten muss.
In der Rhetorik des Mutterideals und der Mutterinstinkte wird Frauen eine Kompetenz für Pflege und Einfühlsamkeit unterstellt: Selbstlos wie Maria, Mutter Gottes, soll sich die Frau um die Bedürfnisse anderer kümmern. Die unbezahlte Kraft der Hausfrau und Mutter ermöglichte es im 20. Jahrhundert, dass der Ehemann dem Arbeitgeber 40 Stunden die Woche zur Verfügung steht und die Öffentlichkeit gestaltet. Ungewollte Schwangerschaften erschweren es Frauen, ihre bitter erkämpften Freiräume und ihre Teilhabe im öffentlichen Leben auszubauen. Daran will man festhalten.
Frauen, denen es an finanziellen Ressourcen mangelt, trifft das Abtreibungsverbot am meisten: Sie können die Reise nach Kanada oder Mexiko nicht managen. Die soziale Katastrophe aber, die man kreiert, wenn eine Frau in Armut nicht kontrollieren kann, um wie viele Kinder sie sich kümmern muss, interessiert einen Staat nicht, der das Soziale sowieso in die unbezahlten Hände von Frauen outgesourct hat.
Abtreibung ist eine familienfreundliche und verantwortungsbewusste Entscheidung: von Müttern, die dadurch mehr Ressourcen und Zeit haben – für sich oder für die Kinder, die sie bereits haben –, und von Frauen, die ein Familienleben erst in einer besseren sozialen Situation haben wollen. Diese Gestaltungsmacht soll den Frauen nicht nur entrissen werden, sie soll auch undenkbar sein. Lieber lässt die konservative Rechte Frauen mit ihren Kindern in Armut versumpfen, um an ihrem ausbeuterischen Mutterideal festzuhalten.
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