Bond, Jane Bond

Emanzipation Könnte der nächste Agent 007 eine Frau sein? Ein Drehbuch dafür hätten wir schon
Ausgabe 22/2016
Titelsequenz mit Bond-Song, Bond-Boys und Jane Bond im stilisierten Pistolenlauf
Titelsequenz mit Bond-Song, Bond-Boys und Jane Bond im stilisierten Pistolenlauf

Illustration: der Freitag, Material: Chris Gorgio/iStock

Fast täglich melden sich gerade Schauspielerinnen und wollen die neue James Bond werden. Die Mauern der maskulinen Filmbastion bröckeln. Idris Elba? Tom Hiddleston? Nein, jetzt wollen die Damen ran. Eine junge Frau, die sich jetzt noch mit dem Bond-Girl bescheidet, muss, nun ja, echt bescheiden sein. Der Kalte Krieg ist vorbei, die Männer von heute können besser kochen und die Frauen besser regieren. Die Schauspielerin Gillian Anderson eröffnete vergangene Woche das Spiel der Begehrlichkeiten, als sie sich mit einer charmanten Twitterkampagne selbst als Agentin 007 vorschlug. Denn bekanntlich will Daniel Craig nicht mehr den Bond geben. Lieber schneide er sich die Pulsadern auf, ließ er verlautbaren.

Craig war einmal ein bemerkenswerter Schauspieler, aber die Rolle des Agenten mit der Lizenz zum Töten ließ sein Spiel einfrieren. Zuletzt wirkte er wie ein lebensmüder Pornostar, der sich auf das Set eines Actionfilms verirrt hat und wahllos Autos, Flugzeuge und Martinis fickt. Die Bond-Formel reduzierte sich auf einen Phalluskult, unter depressiven Vorzeichen.

Den Befreiungsschlag mit Hilfe einer weiblichen Neubesetzung zu suchen wäre superb. Und es ist kein Zufall, dass Gillian Anderson, die in London aufwuchs, sich bisher am überzeugendsten vorschlug. Bekannt wurde Anderson als FBI-Agentin Scully in der Serie The X-Files. Dann erfand sie sich neu, zog nach London, spielte in BBC-Literaturverfilmungen und bekam eine Rolle, mit der sie das Publikum flashte. Als Belfaster Profilerin Stella Gibson gab sie in der Krimiserie The Fall eine smarte, kühle Blonde, die den Jungs erklären konnte, wie das Problem der sexuellen Selbstbestimmung auf eine einfache Formel zu bringen ist: „Man fucks woman. Subject: man; verb: fucks; object: woman. That’s OK. Woman fucks man. Woman: subject; man: object. That’s not so comfortable for you, is it?” Wie sie das genau prononciert, sollte man gesehen haben.

Woman fucks man – ist das auch die Formel für den nächsten Bond, die nächste Jane Bond? Anderson bekennt sich zu Liebesaffären mit Männern und Frauen. Sie bezeichnet sich als Feministin und engagiert sich gegen Gewalt gegen Frauen. Auch deshalb wäre sie eine ideale Jane Bond. Aber wie könnte ein Jane-Bond-Film aussehen? Hier ein erster Entwurf:

001 In der obligatorisch actiongela- denen Eingangsszene tritt Jane Bond in einer Hosenrolle auf – als junger Mann verkleidet, als Falkner in einem saudischen Ölstaat, führt sie dem Scheich ihren Raubvogel vor. Der Falke stürzt auf den Freund des Scheichs, einen Finanzier des IS. Er hackt ihm die Augen aus und apportiert sie brav zu Füßen Jane Bonds. Von den Häschern des Scheichs wird Bond daraufhin durch die Wüste verfolgt, entkommt nach einem spektakulären Ritt auf einem Rennkamel in das Frauenzelt eines nomadischen Stammes – und wird von den gelangweilten Damen als Boytoy freudig begrüßt. Als man Bond auszieht und den Irrtum bemerkt, kann sie mit einem verführerischen Bauchtanz die enttäuschten Damen betören und sich mit ihnen aufs Ruhelager begeben. Das Chillen wird nur kurz durch eine Drohne unterbrochen: Der MI6 benötigt 007 so schnell wie möglich im Headquarter in London. Sie erbittet eine halbe Stunde off-camera.

002 Es folgt die Titelsequenz mit Bond-Song, Bond-Boys und Jane Bond im stilisierten Pistolenlauf, der blutig rot anläuft.

003 Jane Bond trifft auf Mister Moneypenny, den neuen, jungen Büroleiter des MI6, und ist überrascht, den Sohn der sagenhaften Miss Moneypenny anzutreffen. Er sagt, er sei von seiner Mutter vor ihrem Charme gewarnt worden und habe nicht vor, Privates und Berufliches zu vermischen. Jane Bond muss herzhaft gähnen.

004 Im Labor von Q, dem technischen Direktor, wird Jane Bonds Handtasche untersucht, um einen geeigneten Ort für den Lipgloss mit integrierter Laserkanone zu finden. Q holt einen Magic Wand (legendärer, leistungsstarker Vibrator) aus der Handtasche und hält ihn hoch. „Röntgensicherer Plastiksprengstoff?“, fragt er. „Ein ganz normaler Vibrator. Ein Weihnachtsgeschenk der Firma Smith Wesson.“ Q verzieht die Brauen.

005 Der Bond-Boy tritt auf, gespielt von Idris Elba (bekannt aus der Serie Luther). Ganz in der Tradition der Bond-Girls eine umwerfende Erscheinung, charmant, intelligent, nicht leicht rumzukriegen – und mit drolligem Namen. In Anlehnung an seine Vorgängerinnen Pussy Galore oder Honey Ryder muss er schon Tristan Tiger oder Pretty Peter heißen. In tiefsinnigsten Gesprächen offenbart er Bond seine unerfüllten Träume und den Wunsch nach einem Familienleben. Dann muss er sterben, um Jane Bond zu retten. Sein Tod gibt ihr die Kraft, gegen ihre übermächtige Feindin anzugehen.

006 Das Böse ist eine Frau: Eine Reihe ehemaliger Bond-Betthäschen kämen für die Rolle der Superschurkin in Betracht: Grace Jones, Ursula Andress, Halle Berry, Sophie Marceau – die Damen wären begeistert, mal richtig schön fies zu spielen und all ihre Lachfalten, Krähenfüße und den Bauchspeck in Szene zu bringen. Schließlich geht es um die Weltfrauschaft, die soll errungen werden. Da kann Jane Bond schon mal ins Grübeln kommen – wieso noch mal steht sie auf der Seite Ihrer Majestät? Doch die Schurkin beutet kleine Kinder aus, in Diamantenminen im Kongo. Nebenbei macht sie Deals mit Terroristen, Leihmutterschaftsfabriken und sächsischen Milizen. Wieso ist sie so böse geworden? Weil Kofi Annan ihre Liebesbriefe nie beantwortete? Nein, weil sie als IT-Spezialistin nie gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekam.

007 Die US-Behörden bitten Jane Bond um Hilfe: Sie muss gegen einen Supercomputer im Schach gewinnen, sonst fliegen alle am Nordpolarkreis befindlichen Server des Silicon Valley in die Luft und Google, Airbnb und Uber sind ein für alle Mal aus der Geschichte gelöscht. Jane Bond hat aber einen furchtbaren Kater. Um den Tod von Tristan Tiger zu verschmerzen, soff sie sich tagelang durch die härtesten Viertel von Kiew. Erst mal braucht sie jetzt einen Wodka Martini. Aber nur aus fair geschüttelter, nicht prekär gerührter Produktion! Bevor der Kampf der Gehirne beginnt, raucht sie eine Tüte, die ein befreundeter pakistanischer Geheimagent aus einem genexperimentellen Marihuanafeld in Peschawar mitbringt. Sie inhaliert tief. Aber es hilft nix. „Noch tiefer!“, befiehlt ihr MI6-Chef M. In einem psychedelischen Trip durch die Algorithmen ihres Hirns schafft sie es, den Code zu kacken. Die Formel lautet: Man fucks woman. Subject: man; verb: fucks; object: woman. That’s OK. Woman fucks man. Woman: subject; man: object. That’s not so comfortable for you, is it? Das ist dem Supercomputer einfach zu komplex, er bricht zusammen. Bonds Kommentar: „Unterschätze nie eine Frau.“

008 Die Superschurkin entkommt als Crossdresserin, Wochen später taucht sie beim Wiener Opernball auf und will das Trinkwasser mit Hormocenta vergiften. Jane Bond tanzt durch den Saal, ihr Haar wie das von Romy Schneider in Sissi, ihr Ballkleid ist so schön wie das von Aschenbrödel – und ihre hohen Schuhe, aus denen Dolche treten, zerfetzen die Haxen der neofaschistischen Leibgarde. Die Schurkin steigt um auf ein paar Skier, die im Ballsaal zufällig in einer Ecke stehen, und rast damit durch die schneebedeckten Alpen. Jane Bond verfolgt sie mit ihrem Schneemobil. An der Grenze zu Bayern werden beide Frauen von Horst Seehofers Mannen aufgehalten – sorry, aber das habt ihr nun vom Brexit, Brits! In einer ungemütlichen Grenzstation dann der Showdown. Als Jane Bond erkennt, dass in ihren Vibrator eine Walter PPK integriert ist, kann sie die Schurkin töten. Danach flieht Bond auf eine Berghütte. Sie muss in Ruhe über feministische Gewaltphilosophie nachdenken. Wochen später spürt M sie auf, als sie sich gerade mit einem feschen Ziegenpeter in ein Schafsfell kuscheln will. Sie soll nach London zurückkehren! Mister Moneypenny lässt schon mal das Badewasser ein und seufzt tief.

Der digitale Freitag

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Geschrieben von

Sarah Khan

Jg.71, Autorin, Gespenster-Reporterin, Michael-Althen Preisträgerin, aufgewachsen zwischen Protestanten u Pakistanern in Hamburg

Sarah Khan

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