Das Souvenir gehört zum Urlaub

Die Dingsbums Mitbringsel haben es in Zeiten von Billigfliegern, Internetbestelldiensten und Flachbildschirmen schwer – und lohnen sich trotzdem
Ausgabe 21/2017
Vor allem klein solllen sie sein, in Zeiten des leichten Handgepäcks. Auch Delfine
Vor allem klein solllen sie sein, in Zeiten des leichten Handgepäcks. Auch Delfine

Foto: Fotoimedia/Imago

Kürzlich, beim Elternabend, auf dem die Klassenreise nach Polen erörtert wurde, sprach der Lehrer ein Souvenirverbot aus. Er kenne die Dynamik, am letzten Reisetag entstünden unter den Schülern stets Panik und Tumult, und dann pumpten sie sich untereinander noch schnell Geld zusammen, um den Lieben daheim eine Muschelschatulle oder einen Delfin, der wetterabhängig seine Farben zu Rosa oder Blau wechseln kann, mitzubringen. Ob das nötig sei, fragte er, und viele Eltern waren begeistert über den Vorstoß und versprachen, ihren Kindern den Souvenirkauf auszureden.

Aber interessant, dass Schüler heute noch glauben, dass sich daheim jemand über Souvenirs freuen könnte. Dabei kann man Mitbringsel nicht mal mehr auf dem Fernseher platzieren, seit Flachbildschirme keine Abstellflächen mehr bieten. Andererseits vermögen es nur wenige Gegenstände, der Stimmung in einem Ostseebad präziser Ausdruck zu verleihen, als ein Delfin, der je nach Wetter seine Farbe wechselt.

Aber Souvenirs haben es in Zeiten des leichten Handgepäcks schwer. Früher quollen die Koffer über, waren voll mit Olivenöl aus Griechenland, Quittenmarmelade aus Portugal, Wein aus Frankreich. Einmal brachte ich eine Sammlung grau-weiß gestreifter Flusssteine mit, die im Wasser der Dordogne fantastisch schillerten, zu Hause aber nur noch grau und gewöhnlich waren. Mit einem Säckchen Lavendel hätte ich weniger Schaden angerichtet.

Heute müssen landestypische Mitbringsel vor allem klein sein, damit sie im Billigflieger Platz finden. Allerdings scheinen sich gerade südeuropäische Verkäufer der Problematik noch gar nicht bewusst zu sein, nach wie vor stellen sie den durch Gassen bummelnden Urlaubern mannshohe Keramiken, schwere Büsten und prächtige Teppiche in den Weg. Man könnte sich das alles einpacken und zuschicken lassen, oder zu Hause bei Amazon bestellen. Aber Souvenirkauf hat es an sich, dass er spontan geschieht, leichtsinnig, und auch als Geste der Völkerfreundschaft.

Ich kann mich dem Reiz von Souvenirshops schwer widersetzen. Alles will befühlt und geschüttelt werden, im Gegensatz zu den geschützten Artefakten in den Museen. Aber auf jeder Reise gibt es jemanden, der schimpft, dass man die schöne Reise damit kaputtmache. „Wieso machen dich Souvenirshops immer so wütend?“, frage ich meinen Mann in Vorbereitung auf diese Kolumne. Seine Antwort: „Weil die Sachen aus Hongkong sind.“ Interessant. Der Souvenirshop-Hasser fürchtet, um das Authentizitätsversprechen seiner Reise gebracht zu werden. Die Souvenirshop-Freundin hingegen kann nicht enttäuscht werden, sie lässt sich auf die Widersprüche, die selbst am Urlaubsort anzutreffen sind, spielerisch ein.

Berliner Souvenirshops lassen mich allerdings total kalt, denn sie pflegen ein Bild meiner Stadt, das piefig und deprimierend ist. „Berlin bei Nacht“: eine schwarze Postkarte. „Berliner Luft“: eine leere Dose. Immerhin verdankte sich der Fall der Berliner Mauer der Notwendigkeit, dem Sortiment ein besonders erfolgreiches Produkt zu bescheren: Millionen Tütchen „Original Berliner Mauer mit Zertifikat“. Doch all das ist immer noch besser als jene Untergruppe Souvenirs, die einem das Urlaubsland manchmal gratis mitgibt: Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaften, Sonnenbrände, Montezumas Rache, Insektenstiche, Tropenkrankheiten. So gesehen, seid doch zufrieden mit einem Delfin, der seine Farbe wechselt. Er will doch nur sagen: Die Reise war schön!

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Geschrieben von

Sarah Khan

Jg.71, Autorin, Gespenster-Reporterin, Michael-Althen Preisträgerin, aufgewachsen zwischen Protestanten u Pakistanern in Hamburg

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