Einfaches Vergnügen

Was läuft Nix läuft im Serien-Dschungel, alles wartet auf „Game of Thrones“ und „Fargo“. Bis dahin taugt „Sneaky Pete“ aber als Zeitvertreib. Spoiler-Anteil: 11 Prozent
Ausgabe 15/2017

Klang ja letzte Woche schon an: Alles gerade so schön bunt hier im Dschungel der Serien, von denen viele okay sind, bei denen man eigentlich aber nur auf die siebte Staffel von Game of Thrones wartet – und auf die Beantwortung der Frage, ob die Chemie zwischen Jon Snow und Daenerys Targaryen ausreichen wird, eine machtvolle Vermählung herbeizuführen und gemeinsam den Eisernen Thron zu besteigen. Oder ob die beiden nicht doch Halbgeschwister sind, die sich die Drachenpflege teilen, aber nicht das Bett. Abwarten, ab dem 17. Juli kriegen wir Antwort, wöchentlich portioniert bei HBO beziehungsweise Sky.

Bis dahin lässt sich der Frühling gut überbrücken: Am 21. April startet die dritte Staffel von Fargo bei Netflix. Sicher ist schon, dass Ewan McGregor eine Hauptrolle hat, entscheidende Szenen wieder im Schnee spielen und manche Männer brutaler sind als andere. Wohingegen Frauen – wahlweise schwanger – besonnen reagieren.

Am 12. Mai dann kommt I Love Dick heraus, die Adaption des feministischen Romans von US-Autorin Chris Kraus mit Kevin Bacon in der Rolle des Dick, des Professors für gewisse Projektionen. Ab 19. Mai ist Unbreakable Kimmy Schmidt wieder da, die beste schnellsprechende Serie aller Zeiten. Das Tempo der Dialoge und Gags ist hier mindestens so hoch wie früher in den Spielfilmen von Billy Wilder und I. A. L. Diamond. Nur ohne Kastagnetten.

Ende Mai findet der Spaß dann sein definitives Ende, der schlimmste Schlimmgrusel kehrt zurück, die fünfte Staffel House of Cards (HoC). Ist HoC nicht sowieso schuld an Trump und allem Schlechten seither? Erwies sich das politische Kartenhaus, das Showrunner Beau Willimon jahrelang vor uns aufbaute, nicht als Chimäre über dreckige Geheimnisse der Clinton-Ära, die leicht von Frauenhassern, Rassisten und Rechten gekapert werden konnte, um Hillary Clinton zu dämonisieren?

Nun ist Beau Willimon nicht mehr als Showrunner involviert, während ein wirtschaftskrimineller Trash-TV-Star die Idee der Präsidentschaft im real life aushöhlt. Diese Umstände schreien nach einer Neubesinnung bei HoC. Es kann doch nicht Kevin Spaceys Ziel sein, uns zu zeigen, mit welcher Hand POTUS twittert und mit welcher er sich anschließend den Arsch abwischt. Ich als Kulturprotestantin möchte im Lutherjahr Kevin Spacey beziehungsweise Frank Underwood büßen sehen, vorzugsweise im Gefängnis; er ist immerhin ein Mörder, ein U-Bahn-Schubser, der seit Jahren damit durchkommt.

Erstaunlich naturalistisch von der Revolution der Fake News berichtet die aktuelle Homeland-Staffel, die das Pech hatte, parallel zum US-Wahlkampf gedreht werden zu müssen. Doch die Macher überraschen mit ihrer Story um schattenhafte US-Geheimdienste, die islamistische Terroranschläge vortäuschen, um eine unliebsame Präsidentin-Elect zu schwächen. Ja, die Homeland-Produzenten haben falsch gewettet, als sie eine Frau als Siegerin der US-Wahlen antizipierten. Aber das wirkt nicht wie ein Patzer, es ist eher das Bohren in einer offenen Wunde. Den räudigen Trollfarmer Stephen Bannon hatte man bereits im Visier und die Not der Geheimdienste, die sich plötzlich in einer Oppositionsrolle sehen. Das ist verzerrt und anders als in Trumptown, aber was, wenn die Wirklichkeit verzerrt und Homeland authentisch ist?

Dann hilft nur noch Weltflucht. Wer nichts weiter wünscht, als die Füße hochzulegen und den Second Screen aufzuklappen, dem sei Sneaky Pete empfohlen, eine Geschichte um einen genialen Trickbetrüger, der untertaucht und sich in einer Familie von sympathischen, aber nicht ganz unschuldigen Kautionsagenten als falscher Enkel einquartiert.

Nach vier oder fünf Folgen sollte man den Second Screen zuklappen, um sich nicht um den Genuss zu bringen, den irren und etwas kompliziert herbeigeführten großen Trick, auf den alles am Ende hinausläuft, zu verstehen. Da Trickbetrug eine (kriminelle) Kunstform ist, die theatral und psychologisch operiert, steht auch die Serie unter der Beweisnot, ihre Zuschauer mit Drehungen und Wendungen zu überwältigen. Das gelingt. Es handelt sich bei Sneaky Pete um eine klassische Story, die von einem A zu einem B führt, mit einigen Kapriolen, doch ohne, dass die Figuren aus der Fiktion ausbrechen und die NATO, die LGBT-Community und existierende Klimaschutzprogramme bedrohen. Dieses einfache Vergnügen ist wieder sehr kostbar.

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Geschrieben von

Sarah Khan

Jg.71, Autorin, Gespenster-Reporterin, Michael-Althen Preisträgerin, aufgewachsen zwischen Protestanten u Pakistanern in Hamburg

Sarah Khan

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