Lösungen für den Staubkonflikt

Die Dingsbums Pflanzenfasern, Hautschuppen, Insektenkot: So wird man ganz ohne Putzen mit all dem Dreck fertig
Ausgabe 08/2017

Die beliebte Beerdigungsformel „Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub“, die Verstorbene dahin zurückschickt, wo sie angeblich herkommen, wandelte David Bowie kongenial ab: „Ashes to ashes, funk to funky“. Bevor Funk ein Musikgenre bezeichnete, war es ein Slangwort der schwarzen Amerikaner, das „erdig“, „schmutzig“ oder „erregt“ bedeutete. Funk meint auch Elektrizität, Energie, den göttlichen Lebensfunken, musique. Und wer über Dinge spricht, darf vom Staub nicht schweigen. Wie gut Staub gerade an funky Dingen haftet, erkennt man sofort, wenn man hinter PC, TV und Musikanlage blickt.

In Berlin gibt es zu Dingen und Staub ein zufälliges, aber sinnvolles Nebeneinander: Das Museum der Dinge liegt in der Kreuzberger Oranienstraße 25 neben der ehemaligen Blindenwerkstatt, die mittlerweile „Die Imaginäre Manufaktur“ heißt und handgefertigte Bürsten für alle Problemlagen der Haushaltsführung und Staubentfernung anbietet. Das Museum informiert nahezu staubfrei über die deutsche Produktkultur und Massenproduktion des 20. und 21. Jahrhunderts. Es besitzt auch einen kleinen, feinen Shop, der neben den obligatorischen Designspielzeugen für Erwachsene die echten, alten Grubentücher führt, die auf historischen Webstühlen in Bocholt hergestellt werden. Mittlerweile im Bürgertum als Geschirrtücher im klassischen Blau beliebt, waren die Grubentücher ursprünglich für die Arbeiter im Bergbau, die jeden Tag mit Kohlenstaub bedeckt aus den Gruben hochfuhren. Die Tücher wischten den Arbeitern den mit Schweiß vermischten Kohlenstaub vom Antlitz, als wäre es Zauberei; das Tuch wurde dank des quadratischen Webmusters trotzdem nicht schwarz.

Auch wenn heute nicht mehr im Bergwerk malocht wird, ist die Klage über den Staub nicht verstummt. Im Hausstaub sammelt sich alles, was durch Abrieb an die Luft gelangt: Straßenbelag, Gestein, Pflanzenfasern, Bremsbeläge, Textilfusseln, Hautschuppen, Insektenkot. Einige Leute vermeiden daher die Anschaffung dekorativer oder spezialisierter Gegenstände, so genannter Staubfänger wie Eierkocher oder Schmucktassen. Aber wozu gibt es Haushaltshelfer wie den „Bischofsstab“, der in jener „Imaginären Manufaktur“ in Kreuzberg hergestellt wird? Der Stab ist ein längliches, krumm zulaufendes Holz, das für den Gebrauch in hohen Altbauwohnungen verlängerbar sowie mit Rosshaar besetzt ist. Mit ihm lassen sich Heizungen leicht durchbürsten und Spinnweben von den Decken entfernen. Ein Gang durch die Zimmer mit einem Bischofsstab fühlt sich superheilig an, als würde man alle Dinge wieder rein machen, ihnen die staubigen Sünden abnehmen. Auch der Stubenhandfeger aus weichem Ziegenhaar ermöglicht eine tolle Kontaktaufnahme mit der Dingwelt, während man Bilderrahmen und Buchrücken damit streichelt.

Menschen, die aus Gründen der Staubvermeidung gar keine Dinge mehr in ihrer Wohnwelt dulden, sei eine Dingpflegschaft ans Herz gelegt. Das Museum der Dinge bietet sie für Personen und Institutionen ab 40 Euro pro Jahr. Als Gegenleistung übernimmt das Museum nicht nur das Staubwischen, der Pfleger erhält auch einen Pflegepass, darf am Dingpflegschaftstag sein Ding besuchen, wird als Spender namentlich geehrt. Aktuell suchen das Siemens-Dampfbügeleisen Slider II, der Stopfpilz, der Melitta-Schnellfilter sowie der Braun-Diaprojektor Paximat noch einen Pfleger. Einen Staubkonflikt haben und trotzdem dinglieb sein, das geht jetzt wieder.

Sarah Khan schreibt als Die Dingsbums für den Freitag regelmäßig über die besonderen Dinge und Gegenstände des Alltags

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Geschrieben von

Sarah Khan

Jg.71, Autorin, Gespenster-Reporterin, Michael-Althen Preisträgerin, aufgewachsen zwischen Protestanten u Pakistanern in Hamburg

Sarah Khan

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