Wie geht es Bridget Jones, der nunmehr über 40 Jahre alten Singlefrau, die vor mehr als einer Dekade in den Kinofilmen Schokolade zum Frühstück (2001) und Am Rande des Wahnsinns (2004) von den Höhe- und Tiefpunkten ihres Londoner Daseins erzählte? Trotz aller vorangegangenen Happy Ends mit ihrem ewigen Objekt der Begierde, dem erfolgreichen Menschenrechtsanwalt Mark Darcy, sind wichtige Fragen dieser Biografie offengeblieben. Bridget Jones wurde bislang weder geheiratet noch geschwängert – und das sind, wie wir wissen, seit Jane Austen die Welt der glücklichen wie unglücklichen Partien mit sozioökonomischer Genauigkeit beschrieb, notwendige Bedingungen, um eine Liebesgeschichte zum Ende zu führen. Der Vorhang des Alltags kann dann erst fallen, und eine neue Generation darf wieder alles neu, alles falsch und alles genauso wie bei Jane Austen machen; denn die Liebe ist ein knallharter Fleisch- und Geldmarkt, auf dem romantische Momente nur für wenige vorgesehen sind.
Die neue Generation ist Bridget Jones bereits dicht auf den Fersen, es sind die Hipster und Social-Media-Experten, die ihre Drinks aus Einmachgläsern nehmen und durch eine verringerte Aufmerksamkeitsspanne einen neuen Brutalismus in den Newsroom tragen, in dem Bridget jetzt als TV-Producerin arbeitet. Wer es unter den neuen Kollegen nicht schafft, einer Nachricht einen erregenden Twist zu verpassen, wird durch ein Katze-mit-Hitlerbart-Foto ersetzt. Bridget ist motiviert, diesen Kampf mit der Jugend aufzunehmen. Sie ist außerdem längst wieder „Singleton“ – ein Begriff, den die Schriftstellerin Helen Fielding, die Bridget Jones erfand, von P. G. Wodehouse übernommen hat, der vor genau 101 Jahren erstmals von dem Upperclass-Junggesellen Bertie Wooster erzählte.
Wooster aber besaß den treuen Butler Jeeves und musste sich nicht fürchten, als alte Jungfer einsam in einem weißen Apartment zu sterben und von Deutschen Schäferhunden aufgefressen zu werden. Genau so nämlich sieht Bridget Jones’ Lieblingshorrorszenario für das Altern aus, das Fielding wiederum von der Figur der alten Miss Havisham aus Charles Dickens’ Roman Große Erwartungen ableitete: Miss Havisham war das sitzengelassene Fräulein, das im zerschlissenen Brautkleid zwischen Staub und Spinnenweben verdämmerte.
In Bridget Jones’ Baby erfahren wir nun, dass Bridget und Mark Darcy sich zwischen Alltag, Überarbeitung und enttäuschter Erwartung verloren gingen; er ist mit einer Anwältin unglücklich verheiratet. Zufällig treffen sich beide bei einer Beerdigung wieder, seufz, sehn, der Himmel reißt trotzdem nicht rosarot auf, keine Geigen. Auf einem Musikfestival hat sie wieder Sex („eine gute, altmodische Nummer“), und die biologisch abbaubaren Kondome in der Handtasche sowie zwei unterschiedliche Sexualpartner innerhalb weniger Tage tun für den Plot, der um eine ungeplante Schwangerschaft kreist, ein Weiteres.
Absoluter Schock
Einer der möglichen Kindsväter ist natürlich Mark Darcy, wieder gespielt von Colin Firth, dem wohl einflussreichsten Mister-Darcy-Interpreten, seit er 1995 in der sechsteiligen historischen BBC-Adaption des Jane-Austen-Romans Stolz und Vorurteil ein nasses Rüschenhemd trug und die Schmachtstufe bei allen Elizabeth Bennets dieser Welt auf ein neues, bisher ungekanntes Niveau hob.
Der andere Mann ist ein amerikanischer Millionär, lässig und fern aller Nebenbuhlerklischees von Patrick Dempsey gespielt. Der Film verfolgt nicht die Frage, wer hier wen am meisten liebt, denn überraschend austauschbar, familientauglich, motiviert sind beide Kandidaten. Wir sehen eine gefühlsverschlankte, mit greller Komik, grellen Nebenfiguren und viel schroffem Pragmatismus angefüllte Komödie, deren Zentrum nicht mehr der Magnetismus zweier Leute ist, sondern postromantisches Management. Allein die Szene, in der die hochschwangere Bridget von ihren Männern wie ein bleiernes Frachtgut zum Krankenhaus gehievt wird, ist zum Brüllen. Auch Emma Thompson, die am Drehbuch mitgeschrieben hat, verkörpert als Bridgets sarkastische Frauenärztin den Ton der nüchternen Zeit.
Es war für Helen Fielding und ihr Vehikel Bridget Jones ein langer Weg dahin. Die Romane dokumentieren die mühevolle Ablösung von der weiblich-romantischen Fantasie, die angeregt wird durch Figuren wie Mister Darcy, den stolzen, reichen Mann, der nur darauf wartet, gefühlsgeknackt zu werden. Fielding ließ Bridget Jones in der Romanserie sogar den Schauspieler Colin Firth interviewen, damit sie ihn fragen konnte, ob Mister Darcy wohl vorehelichen Sex mit Elizabeth Bennet gehabt haben könnte? Colin Firth antwortete, dass er davon ausgehe, die beiden hätten vorehelichen Sex miteinander gehabt. Eine Mitteilung, die für Bridget Jones ein absoluter Schock war. Und jetzt sitzt sie unverheiratet und schwanger im Film und wird am Ende womöglich noch geheiratet, egal von wem.
Dass man die Emanzipation von romantischen Mythen nicht nur individuell leisten kann, sondern auch ein kulturelles Umfeld benötigt, das bereit ist, sich ebenfalls zu verändern, erlebt man bei der außerfilmischen Diskussion um die mutmaßlichen chirurgischen Operationen im Gesicht der Hauptdarstellerin Renée Zellweger. Die Amerikanerin verkörperte die lebenslustige Bridget Jones vom Akzent bis zur nervösen Trampeligkeit stets brillant. Ein bisschen seltsam ist diesmal nur, dass sie anscheinend kaum altert. Nicht einmal dicker ist sie geworden, dabei musste Zellweger für die Vorgängerfilme reichlich Körpergewicht zulegen, war Bridget Jones doch eine mit Übergewicht kämpfende, Kalorien zählende, rauchende, saufende, „Schokolade zum Frühstück“ verzehrende Frau.
Wunderbares Ungetüm
Das notorische Übergewicht, heißt es nun, wurde Bridget durch Fitnesskurse los. Renée Zellweger kann für diese Rolle also erstmals ihren „privaten“ Körper einsetzten, den eines disziplinierten, durchtrainierten Hollywoodstars. Ihr Gesicht spricht außerdem davon, dass hier ein „Job“ vorgenommen wurde: Die Wangen sind prall und die Haut wirkt wie gezogen. Auf höhnische bis entsetzte Medienberichte reagierte Zellweger verletzt und anklagend, ohne den „Job“ selbst zu dementieren oder zu bestätigen. Unabhängig davon, wie man zu dem Effekt eines gelifteten Gesichts stehen mag – ob man das schön, erschreckend oder unerheblich findet –, berührt es doch, dass diese wunderbare Schauspielerin etwas an sich machen ließ, um in dem Feld zwischen Persona, Publikum und romantischer Fantasie weiterhin als begehrenswerte Frau gelten zu dürfen.
Bei allem, was Renée Zellweger mit ihrer komödiantischen Kunst für die Verlebendigung der Bridget-Jones-Figur getan hat, ist es doch schade, dass sie – und mit ihr alle, die nur im Zustand jugendlicher Faltenlosigkeit Frauen Schönheit zusprechen können – sich von dem wunderbaren Ungetüm Bridget Jones nicht selbst mehr Dickfelligkeit abgucken konnte.
Info
Bridget Jones’ Baby Sharon Maguire Irland/GB/Frankreich/USA 2016, 123 Minuten
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