Während unserem Plenum gesellt sich ein älterer Mann zu uns. Ein Klischee von einem Hippie, er scheint gelebt zu haben, sich von der Sonne verbrennen und seine Haare wachsen lassen. Jetzt ist er ein bisschen alt für die Uni und ein bisschen jung für die Gleichgültigkeit. Und er ist ein bisschen raus aus den Diskussionen, die uns heute bewegen, die wir gerade führen, wenn wir uns im Plenum treffen und planen und diskutieren.
Das hält ihn aber nicht davon ab, uns die Welt zu erklären. Nein, nein, er gibt sein Wissen gerne weiter, seine Weisheit, die Weisheit eines alten weißen Mannes. Und auch wenn er nicht der typische Fall zu sein scheint – anmaßend ist er mit Bravour. Es geht darum, ein gutes Leben zu haben, erklärt er uns. Ein gutes Leben, das man schon beginnen muss, wenn man jung ist. Jung wie wir.
Er habe gelebt, erklärt er uns. Die Alten hätten gelebt, sie hätten es den Jungen gezeigt, erklärt er uns. Man muss einfach tanzen, wenn man es will. Und Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters – denn wer fröhlich ist, ist schön. Schöne Worte, nichtssagende Worte. Er hört sich an wie ein junger Hippie, der das Hippsein als Lebensstil gerade adaptiert hat – weil man das eben so macht. Und es erzählt sich halt so gut.
Wir brauchen keine Welterklärer
Es hat keinen Inhalt, es sind leere Worte, es sagt nichts darüber aus, was glücklich macht, wenn es denn etwas gibt, von dem man sagen kann, dass es glücklich macht. Es sind Klischees, die man sich gut erzählen kann, um sich selbst zu bestätigen. Dass alles toll ist und dass man alles richtig gemacht hat. Aber es ist keine Aufgabe. Es ist egoistisch, es ist verblendet, es ist kein Anliegen, es ist weltfremd, es ist einfach – viel zu einfach.
Die Alten müssen uns nicht die Welt erklären. Jedenfalls nicht so. Wir haben nichts davon, zu hören, dass wir glücklich sein sollen. Und dass wir machen sollen, worauf wir Lust haben, aber das bitte schon immer ein bisschen anders als die anderen – und bloß nicht zu sehr. Die Alten müssen uns nicht die Welt erklären. Ein schönes Leben. Nein, Geschichte geschrieben haben noch nie diejenigen, die für sich ein gutes Leben wollten. Geschichte schreiben sollten die, die ein gutes Leben für alle wollen.
Wir haben das verstanden. Fridaysforfuture stellt das System in Frage, EndeGelände ruft nach der Abschaffung des Kapitalismus, die Seenotrettung schafft Tatsachen der Menschlichkeit, Unteilbar kämpft gegen jede Art der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Jugend hat das verstanden. Ganz ohne Welterklärer.
Über uns hinauswachsen
Plötzlich war diese Bewegung da, dieser Elan, diese Aufbruchsstimmung. Das war sie natürlich nicht. Aber es fühlte sich so an. Und dann diese Begeisterung über alles und für alles, die da war und die da blieb und in Aktivismus endete. Es tut sich was hier in unserer Kleinstadt – und das v.a. bei Schüler*innen und Studierenden. Wir haben die Gelegenheit ergriffen. Und viele haben sich angeschlossen, ungeahnte Talente an den Tag gelegt und Motivation herbeigezaubert.
Wir haben es uns gegenseitig beigebracht. Und natürlich bauen wir auf schon dagewesenen Praktiken und Wissen auf. Aber vor allem haben wir uns „gegenseitig befruchtet“, haben beim Gruppenbilden und Strategiebesprechen gelernt, wie unterschiedlich Kommunikation und Organisation funktionieren kann. Und wie es tatsächlich funktioniert. Wir sind über uns hinausgewachsen. Weil wir die Chance bekamen, weil wir Herausforderungen angenommen haben. Weil wir uns getragen fühlten.
Nachhaltigkeit auch im Aktivismus
Journalist*innen schreiben, die Bewegung heute sei besser organisiert, besser strukturiert, sauber und grün, achtsam und sorgsam. Manchmal schwingt ein Unterton von Verachtung mit. Die Linken, die Grünen, sind sie bieder geworden? Das ist ein seltsames Bild von Aktivismus. Aktivist*innen sind Menschen. Diese Menschen bauen diese Bewegungen ehrenamtlich auf – nebenbei, stecken aus Idealismus und emotionaler Involviertheit viel Energie in ihre Projekte.
Das ist gut. Nur manchmal ist es zu viel. Und dann ist ein Netz, das einen auffängt, das darauf schaut, wie es den einzelnen Aktivist*innen geht, wichtig. Es geht um das große Ganze, aber das heißt nicht, dass wir einzelne opfern.
Nachhaltiger Aktivismus ist essenziell. Die neue Generation Aktivist*innen hat das verstanden. Denn es wird ein langer Kampf.
Kommentare 18
🎈Plötzlich war diese Bewegung da, dieser Elan, diese Aufbruchsstimmung. Das war sie natürlich nicht, aber es fühlte sich so an.🎈
Begeisterung ist etwas Schönes. Bis sie ermüdet. Dass Sie sich von älteren nichts sagen lasssen wollen, gehört zu Ihrer Lebensphase, ist ganz in Ordnung so.
Was ich mich bei all Ihrem versprühten Enthusiansmus frage: was machen die jungen Damen und Herren, wenn Sie sich gerade nicht gegenseitig auf die Schultern klopfen oder begeisterte Blicke zuwerfen?
IRGENDETWAS muß man doch TUN, vor allem nach so viel Planung und Organisation. Erzählen Sie doch einmal darüber.🧙♂️
Meinen Sie? Ich weiß nicht so recht. Klar lärmen die Nachwüchslinge im Eiscafe, aber ohne jemanden zu bedrohen oder zu erschrecken. Von Klima und Umwelt ist da kaum die Rede. Angriffe auf Eis schleckende Senioren konnte ich noch nicht beobachten. Aber das kann sich natürlich schlagartig ändern, wenn die Sorten Sahnekirsch und Mango knapp werden.🍦
@Sarah Kohler, bin sehr daran interessiert zu erfahren, was Sie schon bewegt haben. In Ihrem bisherigen Leben war das zu 100% genau anders herum. Im Kinderwagen wurden Sie geschoben, der Hintern abgewischt auf dem Wickeltisch in die sich immer trocken durch Chemie Produkte anfühlende Wegwerfwindeln eingeschlagen, mit Brei aus Bananen aus Costa Rica gefüttert, in den Kindergarten und zur Schule von den sich den Arsch aufreißenden Eltern gefahren und sich nun noch das Studium mindestens teilweise von diesen und der Gesellschaft finanzieren lassen. Und die schönen modernen Universitätsgebäude haben ihnen ganz selbstlos zu Ihrem Nutzen die alten weissen Männer und Frauen gebaut. Hat alles zu einigen Dutzend zusätzlichchen ppm CO2 in der Atmosphäre geführt. Nun, dafür können Sie teils nichts, Sie wurden nicht gefragt. ENTSCHULDIGUNG. Etwas mehr Verständnis, Achtung, Respekt und Dank sollten Sie schon haben.
Aber was mir viel wichtiger ist Ihnen zu sagen, Sie können noch heute Abend beginnen, alles anders zu machen. 3/4 Ihres Lebens können Sie noch ein klimagefälliges Leben führen. Ob Sie es allerdings besser machen werden, das müssen Sie erst noch beweisen. Viel Glück!
Danke für den Beitrag. Nur, sollte man nicht alle alten weissen Männer über einen Kamm scheren :-)
^^ viel lustiger finde ich aber einen anderen Aspekt: dass die jungen Leute von heute glauben, den jungen Leuten von gestern die Welt erklären zu können.
Irgendwie wiederholt sich alles als Dauerfarce^^
Außerdem wissen wir jungen Leute von vorgestern ja bereits, dass die jungen Leute von heute, die alten weissen Männer (und Frauen) von morgen sein werden, die dann von den jungen Wilden von übermorgen attackiert werden.
Und ewig grüßt das Murmeltier.
In meiner Generation gab es die Hippies, die sich aus dem Mainstream verabschiedeten und diejenigen, die den Marsch durch die Institutionen antreten wollten. Beide konnten ein wenig das Bewußtsein ändern, aber nicht wirklich das Sein. Die Hippies haben wenigstens für sich selbst das Sein verändert.
Danke auch von mir. Es ist wahr, ihr braucht von niemandem eine Belehrung.
Der weiße alte Labersack scheint nicht viel weniger bescheuert, als die jungen bunten Affirmationsakrobaten… - pardon, wollte sagen - ... als die jungen hochmotivierten Aktivposten für eine Bunte Republik Deutschland.
Zimmermann hilf...
>>Die Umwelt retten bedeutet in Wahrheit, die Alten zu beseitigen.<<
Das macht mir keine Angst. Aber vielleicht bin ich einfach nicht alt genug ...
>>Sie können noch heute Abend beginnen, alles anders zu machen. 3/4 Ihres Lebens können Sie noch ein klimagefälliges Leben führen.<<
jetzt juckt es mich doch, wahrscheinlich der späten Stunde geschuldet, mal ein Vorurteil zu konstruieren: Mit Elektro-SUV, ökostrombetriebener Kaffeekapselmaschine und Bio-Avocados mit einer Prise Himalayasalz.
Hatten die Hippies ja alles noch nicht, diese Ökobanausen ... ;-)
ein schönes manifest für das un-belehrte über-sich-hinaus-wachsen...
und wenn sie belehrung nötig hätten,
könnten sie damit ja nix anfangen, weil...
Glücklicherweise haben das viele Menschen in den bisherigen Generationen anders gesehen, sonst säßen wir wohl immer noch um ein Lagerfeuer in einer Höhle und fürchteten uns vor den wilden Tieren. Wenigstens wäre die Welt und die Natur dann noch in Ordnung. Als Lektüre empfehle ich den einfach zu lesenden Wikipediaartikel "Zwerge auf den Schultern von Riesen". Aber da wird vielleicht zuviel Demut verlangt.
Für eine Zwergin hat Frau Kohler eine bemerkenswerte Ausbeute von 7 empfohlenen BLOGS aus acht geschriebenen, was aus meiner Sicht nicht für dieses Blatt spricht, sondern die Übereinstimmung in der ideologischen Linie bis zur Kenntlichkeit entstellt.
un-erschrocken möchte ich Ihnen diesmal umfänglich zu-stimmen.
ein blatt (FREITAG) zittert wie espen-laub,
von eher erregten als über-legenden bestimmt,
ein tummel-platz der aufgeschreckten.
Liebe Gelse,
ich lehne ab und habe deshalb keine Kaffekapselmaschine, keinen E-SUV, esse keine Wasser- und Ökokrise erzeugenden Bioavocados und Himalayasalz (ich nehme das viel, viel ältere hier aus dem Bergwerk). Trotzt dieser ungesunden Lebensweise und sogar ohne Bananen, für die einige Leute ein System aufgegeben haben, bin ich nun auch schon 75 geworden. Aber nun komme ich ins Grübeln, wie das alles so weitergehen wird. Hoffe dennoch auf ein paar Jährchen und wünsche ein tolles, sonniges WE, so wie es sich in verklärender Erinnerung manifestiert hat.
Gruß an alle Foristen
Meine Meinung
>>...ich lehne ab und habe deshalb keine Kaffekapselmaschine, keinen E-SUV, esse keine Wasser- und Ökokrise erzeugenden Bioavocados und Himalayasalz (ich nehme das viel, viel ältere hier aus dem Bergwerk).<<
Brauche ich alles auch nicht. Das Reichenhaller Salz ist billiger und salzt genauso gut. Und die Bananen, ja. Hab nie verstanden, was die Leute daran finden: Heimisches Obst nach Saison (im Winter Äpfel) schmeckt besser als die grasgrün hergeschipperten und hier künstlich nachgereifte Geschmacklosigkeitsprügel.
--->>...wünsche ein tolles, sonniges WE...<<
Hier regnet es. Nach den heissen Tagen war das auch nötig. Nicht nur die Pflanzen, auch ich empfinde die nasse Abkühlung als erholsam.
Werte Frau Kohler !
Das Gefasel von den "alten weißen Männern und Frauen (awM)" ist doch nichts anderes als die berühmte gruppenbezogene Menschen eindlichkeit, die Sie und ihre hippen Ihresgleichen doch so oft anprangern (oder irre ich mich da?). Nun bin ch ja Naturwissenschfatler und halte seit jeher ein kritische Distanz zu Politologen, Soziologen, BWLern, Juristen etc, also den Leuten die die Welt nur verschieden und immer hipper interpretieren. Ihr Artikel erinnert mich ein bischen an Claas Relotius - einen hippen Meinungsmarkt bedienen ! Es mag ja sein, daß meine Generation in Sachen Umwelt/Mitwelt zu wenig erreicht oder gar versagt hat, aber wer das Schema dere awM bedient fällt nun mal auf die Spaltungsinteressen derjehnigen herein deren Renditeinteresse bestimmt, daß sich nichts ändert. Von der Illusion eine grünen Kapitalismus, eines grünen Wachstums ....... und von umweltverträglichen Kriegen (Göring-Eckert + Co) muss man sich verabschieden.
Dass die Bananenrepublik Deutschland (BRD) irgendwann neben Schweinefleisch und Milch auch Bananen exportieren wird dachte ich mir schon ...