Zuerst dachte ich, ich müsse schwanger sein. Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen und Tage, die ich ohne ersichtlichen Grund durchheulte – das konnte nur so sein. Kurz vor meinen Tagen – oder waren sie schon überfällig? – stand ich schließlich auch. Dass es einfach von der Pille kommen könnte, darauf wäre ich zuerst nie gekommen.
Ich habe die Pille genommen seit ich 15 bin. Damit bin ich bei weitem nicht allein. Wenn ich mich bei meinen Freundinnen umsehe gibt es wohl kaum eine, die die Pille nicht wenigstens ein paar Jahre genommen hat. Über die Hälfte der 18- bis 49-jährigen Frauen in Deutschland schlucken täglich Hormone, die ihrem Körper vorgaukeln schwanger zu sein. Damit sie gerade das nicht werden. Dass es sie anderweitig kaputt macht – nebensächlich.
Angefangen habe ich mit der Pille, weil ich einen stabilen Zyklus brauchte. Neben dem Wunsch nach weniger Pickeln ist das wohl die häufigste Ursache. Mit 15 ist Sex noch nicht das Hauptthema. Wahrscheinlich hat mich meine Frauenärztin über die Nebenwirkungen aufgeklärt. So wichtig, wie sie es hätten sein sollen, waren die mir damals aber nicht. Ich kannte ihre Auswirkungen ja noch nicht.
Und das blieb auch einige Zeit so. Weit davon entfernt den eigenen Körper schon wirklich zu kennen, bin ich lange davon ausgegangen, die Pille habe ja gar keine krassen Auswirkungen auf mich. Dann kam die stressigste Zeit meines Lebens – und die Angst, schwanger zu sein. Was ich nicht war. Es war die Pille.
Wollte man heute die Pille in ihrer derzeitigen Verfassung auf den Markt bringen, man bekäme ganz schön Probleme. Ärzt*innen sind sich einig, dass die Nebenwirkungen im Beipackzettel heute Aufsehen erregen würden. Aber als man die Pille einführte, da wurde sie als Befreiung gefeiert. Klar, das war sie auch, was die Verhütung anging. Aber nicht, was die Kontrolle und Selbstbestimmung über den eigenen Körper betrifft.
Frauen reagieren sehr unterschiedlich auf die Pille. Manche kommen gut damit klar, andere bekommen Depressionen; wieder andere liegen irgendwo dazwischen oder haben einfach noch nicht gemerkt, was die Hormone mit ihnen machen.
Ich habe meiner Frauenärztin erstmal nicht so recht glauben wollen, dass meine depressiven Verstimmungen an der Pille liegen sollen. Mehrere Tage durchheulen wegen Hormonen? Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass es so ist. Ich kann abzählen, wann meine Stimmung kippt und meine Welt ein paar Tage einen grauen Schleier bekommt. Ich bei allem und jedem Bedenken und Panik bekomme. Und ich kann auf den Tag abschätzen, wann es wieder weg ist, immerhin.
Wäre es ein Männerproblem, es wäre längst gelöst
Das perfide ist: Mit genau diesen Nebenwirkungen wurden die Forschungen – in der Testphase! – für die Pille für den Mann abgebrochen. Männern kann man sowas nicht zumuten. Frauen ertragen es seit Jahrzehnten.
Und was am fiesesten ist: Frau kommt von dieser Pille auch nicht so einfach los. Meine Frauenärztin ist bestimmt nicht die militanteste Feministin, aber als ich – nach langem Erkenntnis- und Akzeptanzprozess, dass es wirklich an Hormonen liegen muss – zur Beratung bei ihr war, da zog sie eine kleine Tafel heraus. Das seien alle Verhütungsmethoden, die wir zurzeit haben, und das seien nicht so viele, meinte sie.
Naja, auf Kondome allein könne frau sich ja nicht verlassen, und dann seien hormonelle Verhütungsmethoden einfach die sichersten. Und Kupfer, ja, das sei einfach schon schmerzhaft und nicht unbedingt verträglich. Viel Alternativen haben wir also nicht, wenn wir nicht schwanger werden und trotzdem unsere Freiheit genießen wollen. Der Ring, der hat wenigstens weniger Hormone, das könnte helfen. Aber da ticke jede Frau anders.
Es ist zum verrückt werden. Frau meint ihren Körper zu kennen, aber wie er hier oder darauf reagiert, das kann sie nicht abschätzen. Das geht soweit, dass ich sogar vor dem Absetzen der Pille Panik hatte – denn wie mein Körper reagiert, ob er in eine Depression verfällt oder sich befreit fühlt, ob er einen Zyklus hinbekommt und die Pubertät in Form von Pickeln zurückkommt, das kann mir niemand sagen. Jaja, die Pille macht uns frei.
Aber es geht ja nur um Frauen. Uns macht es kaputt, aber wir ertragen es, haben es lange ertragen, wie wir viel ertragen haben in dieser Gesellschaft. Wäre es ein Männerproblem, es wäre lange gelöst. Aber, so wie es wunderbar auch in den Debatten rund um Schwangerschaftsabbruch und Selbstbestimmung der Frauen über ihre Körper zu sehen ist: Frauenkörper sind und waren einfach schon zu lange etwas, worüber gerne von oben und von außen bestimmt wird und wurde, und die auszuhalten haben, was sein muss.
Aber jetzt nicht mehr. Es ist kein Frauenproblem, es ist ein gesellschaftliches. Und es gehört gelöst. Jetzt.
Kommentare 9
"Wäre es ein Männerproblem, es wäre lange gelöst."
Wenn diese These wahr sein würde, müsste doch die signifikant geringere Lebenserwartung von Männern gegenüber Frauen schon längst Geschichte sein.
Aha. Sie wollen eine Pille, die verhütet und ein längeres Leben ermöglicht. Super. Vielleicht auch noch mit ner Spur Viagra drin.
Ich habe die Pille auch eine Weile genommen. Und ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Vor allem zu Beginn. Später verringerte sich ja auch der Hormongehalt und die Mischung, da wurde es besser. Trotzdem - es war sehr unangenehm. Wie das zu ändern wäre , weiß ich auch nicht.
Gut fände ich vor allem aber, wenn sie nicht als lifestyle-Pille genommen würde, so nebenbei. Es ist und bleibt ein Eingriff in ein kompliziertes System und hat immer Nebenwirkungen.
Der Wikiartikel zur "Pille für den Mann" ist interessant.
Die Forschung wurde eingestellt, weil Männer von dem Verhütungspräparat Depressionen u.a. beschwerden bekamen.
"Von 2009 bis 2011 liefen allerdings Studien der Weltgesundheitsorganisation zu einem auf Testosteron-Substitution basierenden Verfahren, ebenfalls als Injektion.[2] Diese wurden im August 2011 abgebrochen, da etwa 10 % der Probanden über Nebenwirkungen wie Depressionen klagten. Damit gelten die Chancen für eine baldige erfolgreiche Markteinführung als zu gering.[3]"
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Aber, warum hierbei noch nichts Brauchbares heraus gekommen ist, steht in den Sternen:
"Des Weiteren wird seit 1985 ein Extrakt der in Indonesien und Indien wachsenden Pflanze Gendarussa (Justicia gendarussa) erforscht. Die Blätter der Pflanze werden bei bestimmten Stämmen auf Neuguinea schon seit Jahrhunderten von Männern in Teeform zur Verhütung eingesetzt.
Der Wirkstoff greift dabei nicht hormonell in die Fortpflanzung ein, sondern schwächt lediglich ein bestimmtes Enzym, das dafür verantwortlich ist, dass ein Spermium in die Eizelle der Frau eindringen kann. Die an der Universität Airlangga im indonesischen Surabaya isolierte Substanz wurde bereits zwischen 2010 und 2012 in 3 klinischen Studien am Menschen getestet, mit herausragendem Erfolg (99 % Verhütungsrate), und mit kaum Nebenwirkungen (evtl. leichte Gewichtszunahme, stärkere Libido). Mehrere Tage nach Einnahmestopp, die Quellen widersprechen sich in der genauen Dauer, soll die normale Zeugungsfähigkeit wiederhergestellt sein."
Wird ja vielleicht noch mal irgendwann.
Ihre küchenpsychologischen Fähigkeiten waren schon mal besser. Aber was Sie aus solch einem kurzen Post alles herauslesen können...
Vielleicht kann man auch einmal darüber nachdenken, warum es noch keiner Frau gelungen ist, die Lösung für das aufgeworfene Problem zu finden. Immerhin sind schon zwei Generationen nach der Erfindung der Pille für die Frau herangewachsen. Die können doch nicht alle unter der gläsernen Decke stecken.
Glauben Sie wirklich, dass Sie der jungen Autorin weiter helfen, indem Sie solche absurden Schlussfolgerungen unterstützen?
>>Mann kann sich sterilisieren lassen, Frau auch, ist für Mann aber einfacher.<<
Eine Durchtrennung der Samen- oder Eileiter kann in vielen Fällen wieder rückgängig gemacht werden. Auch das ist beim Mann einfacher, das heisst, mit geringerem OP-Risiko verbunden.
"eine pille, sie zu knechten ..."
nur der vollständigkeit halber, es soll auch den lebensentwurf "keine pille, ihn zu knechten" geben.
Es ist doch ganz einfach: Es lässt sich einfacher von außen in den Hormonhaushalt einer Frau eingreifen als bei einem Mann. Testosteron ist beim Mann überspitzt gesagt DAS Hormon - ohne läuft nichts, Schwankungen können wirklich den Unterschied machen. Dort extern herumzuspielen ist keine Sache, die man mal so eben macht. Man sieht ja bei Bodybuildern oder Mann-zu-Frau-Transgendern, was "zu wenig" oder "zu viel" für den jeweiligen Mann bedeuten kann.
Aus diesem Grund ist eine Hormon-Pille für den Mann mometan außerhalb des Machbaren. Man muss noch mehr forschen oder andere Schnittstellen finden, um über hormonelle Vorgänge eine Pille entwickeln zu können. Und zudem: tun wir mal nicht so, als gäbe es nicht genug Alternativen zum Verhüten auf Seiten des Mannes. Wer alles immer nur auf die Pille verkürzt, macht es sich zu einfahc.
>>...tun wir mal nicht so, als gäbe es nicht genug Alternativen zum Verhüten auf Seiten des Mannes.<<
Zum Beispiel Unterbrechung des Samenleiters: Ein minimalinvasiver, ambulant durchführbarer Eingriff. Und, wenn er es sich mal anders überlegt, ebenso minimalinvasiv & ambulant rückgängig zu machen. Aber die Verantwortung der Frau zuzuschieben ist halt bequemer.