Frauen* Gegen Merz

Frauenrechte Friedrich Merz im Kanzleramt wäre eine Bedrohung für die Gleichberechtigung. Wie sexistische Männer an der Macht mit Frauen*rechten umgehen, hat Trump lange vorgemacht

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Friedrich Merz
Friedrich Merz

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Von seinem Thron steigt er zu uns herunter und lässt sich dazu herab, dieses Volk in diesem zerrissenen Land zu regieren und es wieder zu einen, um es auf den guten Weg zurückzubringen. Dabei strotzt er nur so vor Bescheidenheit und Selbstlosigkeit, hat sich von seinen Anhängern beknien lassen und kann nun nicht umhin, ihnen ihren Wunsch zu erfüllen. So oder so ähnlich hört sich Friedrich Merz bei seiner Ankündigung an, einer der möglichen Kanzlerkandidaten (ja, Männer müssen es sein) der CDU zu werden. Und so oder so ähnlich sieht er sich dabei bestimmt selbst. Von so vielen Menschen sei er angesprochen worden, ob er denn nicht kandidiere, da sei es doch absurd, das nicht wenigstens in Betracht zu ziehen. Der König beugt sich demütig seiner Rolle.

Das Problem ist, dass gerade diese Rolle und diese Weltsicht, die Merz verkörpert, wieder Aufwind zu haben scheint. Merz ist der Inbegriff eines Unternehmers und Aktionärs – er arbeitete bis vor Kurzem bei Blackrock – aus der abgehobenen Oberschicht, die es nicht kümmert, was um sie herum weiter passiert, die an den Markt glaubt, der schon alles regeln wird, und gleichzeitig froh ist, in der eigenen Position zu sein und sich nicht in andere hineinversetzen zu müssen.

Konservative und Reaktionäre kämpfen sich wieder nach oben, mit Hilfe der „Mitte der Gesellschaft“, wie sie es nennen; im Kielwasser der Diskursverschiebung durch die AfD, wie andere es nennen. Sie profitieren vom Reden von der „Mitte“, die wieder stärker werden müsse, und dem angeblichen Linksruck der Union unter Merkel. Sie profitieren von den Menschen, die ihre sexistischen, rassistischen, homophoben und anderweitig diskriminierenden Meinungen noch nicht so offen zugeben können, um die AfD zu wählen – und sich dann lieber an den „Konservativen“ festhalten.

Vergewaltigung? Frauenrechte? War da was?

Dass sich die Welt gerade radikal wandelt, ist nichts Neues. In vielen Ländern der westlichen Welt werden faschistische Parteien wieder beliebt, sexistische Männer regieren große Staaten und wollen die Rechte Homosexueller und anderer Minderheiten, die diese mühsam erkämpft haben, wieder auf Mittelalter drehen. Und sie werden dafür auch noch gefeiert. Wer daran glaubte, dass man auf Veränderungen in die richtige Richtung nur „warten“ müsse und „eben Geduld“ brauche, bekommt hier den Gegenbeweis geliefert. Backlash incoming.

Bis vor ein paar Jahren sah es tatsächlich so aus, als sei die Gleichberechtigung wenigstens auf einem guten Weg (wenn auch viel zu langsam, machen wir uns nichts vor). Seit Kurzem ist das nicht mehr eindeutig. In Italien werden Männer nicht bestraft, wenn sie ihre Frauen aufgrund einer „nicht völlig unverständlichen Gefühlslage“ ermorden. In den USA wird das Recht auf Abtreibung eingeschränkt, werden Vergewaltiger nicht verurteilt oder viel zu gering, deckt eine ganze Filmbranche einen Massenvergewaltiger, wird ein der Vergewaltigung Angeklagter neuer Richter am Obersten Gerichtshof.

Und es wird ein Mann Präsident, dem von rund 20 Frauen vorgeworfen wird, sie vergewaltigt zu haben. Ein Vergewaltiger im Präsidentenamt – und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass viele ihn nicht trotz, sondern gerade wegen seiner sexistischen Sprüche und Taten gegen Frauen gewählt haben. Dass viele es toll finden, wenn er erzählt, als mächtiger Mann könne er allen Frauen an die „Pussy“ fassen und käme er mit allem durch. Denn er kommt ja mit allem durch, das tut er.

Hunderttausende Frauen gingen am „Women’s March“ vor der Wahl und am Tag seiner Amtseinsetzung auf die Straße und protestierten gegen ihn und seine sexistische und in jeder Weise diskriminierende Agenda. Hunderte bekannte Persönlichkeiten schlossen sich dem Protest an, gaben Shows, organisierten Kundgebungen, riefen ihre Fans auf, keinen Sexisten ins Amt zu heben. Trotz massiver Proteste und emotionaler Aufrufe, was es heiße, Trump ins Amt zu wählen, taten es die Amerikaner*innen (ja, beides) trotzdem. Sein bisheriges Tun zeigt, in wie wenig Zeit man so viel kaputt machen kann.

Steigbügelhalter für alle

Merz ist kein Vergewaltiger, nein. Aber er scheint nicht immer ein Problem damit gehabt zu haben (dabei ist er übrigens nicht der einzige mächtige Mann). Bis vor ein paar Jahrzehnten war die Vergewaltigung in der Ehe nicht als solche anerkannt; 1997 erst wurde sie als Straftatbestand erfolgreich festgeschrieben. Es ist erschreckend zu sehen, wie lange Menschen mit ihrem Glauben daran, Ehemänner könnten Ehefrauen – natürlich auch andersherum möglich, aber eine Minderheit – nicht vergewaltigen, durchkamen. Diese Ansicht ist heute lange nicht verschwunden – man muss sich nur einmal auf irgendeiner Social-Media-Plattform umsehen. Aber strafbar ist es jetzt.

Das wollten nicht alle so. Der Abstimmung 1997 ging eine hitzige Debatte voraus, in der im Wesentlichen wohl Weltsicht gegen Weltsicht standen (nicht, dass diese Weltsichten als gleichberechtigt anzusehen wären). Sehr viele – ich möchte gerne sagen Männer, aber es waren auch Frauen dabei, das Phänomen ist ja bekannt – Abgeordnete sprachen sich gegen die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe aus (zum Glück nicht genug). Unter ihnen war neben Horst Seehofer auch Friedrich Merz. Ein Mann, der nicht glaubet, dass sexualisierte Gewalt in einer Ehe bestraft werden sollte, dass sie also falsch ist, will Bundeskanzler werden. Ein Mann, der Frauen zu verachten scheint.

Dem Bösen zu mehr Macht – oder weniger Bestrafung – zu verhelfen, das kann die CDU ja gut. Sie ist vielleicht nicht Täter, aber sie hilft Tätern, Täter zu werden und zu bleiben. Gerade erst hat sie in Thüringen bewiesen, dass sie sich darauf sehr gut versteht. Zum Glück wurde sie auch da fürs Erste gestoppt – wie oft das noch klappt, wird sich zeigen. Wer aber mit der AfD gemeinsame Sache macht und wie Friedrich Merz auch keinen Hehl daraus macht, dass er es richtig findet, eine faschistische Partei in die Ämter der Bundesrepublik zu lassen, der ist eine Gefahr für alles, was an Gleichberechtigung und Demokratie erkämpft wurde. Wer keine klare Kante zur AfD zeigt, wer Sexismus billigt und Minderheiten nicht mehr schützenswert findet, der wird gefährlich als Kanzler (nicht, dass er es jetzt nicht auch schon wäre). In ihrem Frauenbild passen AfD und Merz gut zusammen – wo noch?

Noch bevor der Wahlkampf richtig losgegangen ist, hat Merz schon gezeigt, wie sensibel er Frauen und Gleichberechtigung gegenüber ist. Bei einer Veranstaltung in Berlin „witzelte“ er, dass Tiefs im Moment Frauennamen hätten, wäre reiner Zufall – in Anspielung auf das Sturmtief „Sabine“, das zufällig mit Kramp-Karrenbauers Rücktrittsankündigung zusammenfiel. Dass diese ihn vor Kurzem erst im Kampf um den Parteivorsitz ausgestochen hatte und nun den Weg quasi wieder frei macht, macht das Ganze eher noch erbärmlicher. In ihrem Stolz gekränkte, weil von einer Frau besiegte, beleidigte Männer, sind mit die gefährlichsten, wenn es um Machtspielchen geht. Die Zeit der Herrenwitze in der Regierung sei rum, dachten wir. Vielleicht haben wir uns geirrt.

Women against Merz? Am achten März ist Frauenkampftag, lasst euch nicht aufhalten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Kohler

60. Kompaktklasse an der Deutschen Journalistenschule in München

Sarah Kohler

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