Im aktuellen politischen Geschehen ist dieser Druck von Seiten der Klimabewegung essenziell, damit mögliche Entwicklungschancen nicht verpasst und in ihre Gegenteil verkehrt werden.
Seit Beginn des Krieges solidarisiert sich die Bewegung mit Mitstreikenden aus der Ukraine, einige von ihnen sind in Berlin mit vor Ort und nehmen an den dort organisierten Streiks teil. Die Bewegung fordert, dass russische Gaslieferungen komplett eingestellt werden, die fossile Abhängigkeit von dem Land gekappt wird – und durch regenerative Quellen ersetzt.
Zum ersten Mal seit langer Zeit steht die Bewegung dabei mit ihrer Forderung mitten im Mainstream – wenigstens, was den Stopp russischen Gases angeht.
Es ist Krieg in Europa und wir rufen zum Streik auf. Für den Frieden und für Klimagerechtigkeit. Denn die Sache ist die: Kohle. Öl. Gas. Für diese fossilen Energien zahlt die EU jeden Tag hunderte Millionen Euro an Putin. Deutschland hat sich von Putins Energien abhängig gemacht – Profis haben gewarnt, aber man hat nicht auf sie gehört. Jetzt stehen wir vor den Konsequenzen: Weltweit kollabieren Lebensgrundlagen und wir sind politisch erpressbar geworden. - fridaysforfuture.de
Panik im Weltklimabericht
Rückenwind bekommen die jungen Aktivist*innen weiterhin von der Wissenschaft. Was in normalen Zeiten das große diskutierte Thema hätte sein können, ist unter den Bedingungen des Krieges in Europa beinahe untergegangen: Der neue Weltklimabericht. Darin sehen es die Expert*innen zum ersten Mal als „eindeutig“ erwiesen an, dass der Klimawandel eine Gefahr für das Wohl der Menschheit und des Planeten ist. Bis Ende des Jahrzehnts müssten deswegen große Schritte geschafft werden, sonst könnten sich die Zeitfenster schließen, in denen die Menschheit überhaupt noch handeln könne.
Von einem wissenschaftlichen Gremium sind diese Worte noch einmal drängender, wird in diesem Bereich doch meistens zögerlich gewarnt.
Laut Bericht ist fast die Hälfte der heute lebenden Menschen von den Folgen des Klimawandels existenziell bedroht: Es geht um ihr Überleben. Klar verteilt sei diese Bedrohung nach Wohlstand – in den ärmeren Staaten ist das Risiko rund 15 Mal höher, durch eine Flut, eine Dürre oder einen Sturm zu sterben, als in Gebieten mit hohem Wohlstand. Kriegsgebiete gewinnen erfahrungsgemäß nicht an Wohlstand.
Doch auch reiche Staaten wie Deutschland riskieren viel bei jedem Grad Erwärmung. Flutkatastrophen und Hitzetote werden gleichzeitig wahrscheinlicher.
Wir stehen für #PeaceAndJustice ein und fordern ein Ende des Krieges und einen Importstopp von Kohle, Öl und Gas aus Russland. - fridaysforfuture.de
Bitterer Beigeschmack
Seit drei Jahren geht die Klimabewegung um Fridays For Future auf die Straße. Von Belächeln bis Hass haben sie beinahe jede Reaktion auf ihre Forderung erlebt, in einer Welt mit Zukunft leben zu wollen. Nun rächt sich von ganz anderer Seite, dass Deutschland die Abhängigkeit von Gas und Öl aus Russland – und am besten im Generellen – nicht angegangen ist. Expert*innen warnten schon lange vor dieser Abhängigkeit – nicht nur wegen der Zerstörung unseres Planeten.
Für viele Aktivist*innen ist es ein Erfolg mit sehr bitterem Beigeschmack, dass nun auch die konservative Politik erkannt hat, dass diese Ausrichtung auf fossile Energieträger gefährlich ist.
Bitter ist auch, dass nach all den Jahren, in denen angeblich kein Geld für Klimaschutz und Energiewende, nachhaltige Wirtschaftsziele und Wandel da war, nun 100 Milliarden Euro gerade von der FDP an der Schuldenbremse vorbei geplant und genehmigt werden können – für Rüstung. Von der katastrophalen Klimabilanz von Kriegsgerät einmal abgesehen scheint es absurd, schon wieder nur Symptombekämpfung zu betreiben. Die Klimakrise ist verbunden mit Wasserknappheit, fehlendem Lebensraum und Ressourcenmangel – Kriegsrisiko inklusive.
Wenn wir nun schon gegen Krieg sind, dann aber bitte richtig: vorausschauend. Dazu gehört auch die Bekämpfung des Erderwärmung.
ImZEIT-Podcast „Was jetzt?“ hat die Hauptstadt-Reporterin Christian Grefe am Donnerstag den Stand der Dinge schön und tragisch zugleich zusammengefasst: „Es ist jetzt das passiert, was viele vorausgesagt haben, dass nämlich Klimakrise, Epidemien und Kriege zusammenkommen und sich gegenseitig hochschaukeln. Und das vom Nahen Osten bis Ostafrika und Südostasien in so vielen Regionen, dass das Welternährungsprogramm nicht mehr hinterherkommt.“
Wir leben also schon in der Apokalypse, die wir eigentlich verhindern wollten.
Fridays For Future geht auf die Straße, weil die Bewegung gegen die Klimakrise ist, gegen die Erderwärmung und damit gegen Konflikte. Es ist gerade jetzt wichtig, die Krisen gemeinsam anzugehen, um sich nicht wieder „überraschen“ zu lassen. Dass es immer erst katastrophale Einschläge braucht, damit in diesem Land gehandelt wird, das sollte sich jetzt endlich ändern.
Wahrscheinlich ist es nicht – aber mit jeder Person auf der Straße wird es wenigstens ein bisschen wahrscheinlicher.
(Entstanden im Rahmen des momentum-Zeitungsprojekts an der DJS.)
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